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Helga und Peter J. König im Gespräch mit Klaus Muth, Inhaber und Betriebsleiter des Weinguts Rappenhof

Lieber Herr  Muth, heute haben  wir drei Ihrer Weine auf "Buch, Kultur und Lifestyle" vorgestellt und möchten nun einige Fragen zu Ihrem Weingut und Ihren Weinen an Sie richten.

Hier nun die Links zu den Weinbesprechungen:

Helga König: Können Sie zu Beginn des Interviews etwas zu Ihrem Weingut Rappenhof und Ihrer diesbezüglichen Historie berichten?

Klaus Muth
Weingut Rappenhof
Klaus Muth: Die Geschichte des Rappenhofs geht zurück auf das Jahr 1604, als Hyronimus Hirsch, in Alsheim ein Weingut, einen landwirtschaftlichen Betrieb, eine Gaststätte und eine Posthalterstation im historischen Gutshof betrieb. Heutiger Eigentümer des Gutes ist Klaus Muth, der das Weingut in der 12. Generation der Familie Hirsch / Muth leitet. Das Weingut befindet sich in der Ortsmitte der Gemeinde Alsheim im Weinanbaugebiet Rheinhessen. Familie Muth bewirtschaftet 50 ha Weinberge.


Peter J. König:  Können Sie unseren Lesern Näheres zu Ihrer Weinregion und speziellen Besonderheiten dort mitteilen?


Klaus Muth:  Die Weinberge des Rappenhofs verteilen sich auf die Gemeinden Alsheim, Guntersblum, Ludwigshöhe, Dienheim, Oppenheim und Nierstein. Der Rappenhof verfügt somit über die unterschiedlichsten Bodenarten, die den Weinen eigene Geschmacksnuancen, Terroirausprägungen, geben. In den Gemeinden Alsheim und Guntersblum herrschen Lössterrassen vor, Dienheimer und Oppenheimer Böden zeichnen sich aus durch Kalkmergel, die Niersteiner Lagen werden geprägt durch das Rotliegende.


 Karin und Klaus Muth
Helga König: Welche Rebsorten werden von Ihnen bevorzugt angebaut?


Klaus Muth: 80 % der Rebfläche des Gutes sind mit Weißweinreben bestockt, 20 % mit Rotweinreben. Riesling stellt die wichtigste Rebsorte des Weingutes mit über 40 % der Anbaufläche dar, gefolgt von den Burgundersorten, dem Weißen Burgunder, dem Grauen Burgunder und dem Spätburgunder, ergänzt von Müller-Thurgau, Silvaner, Gewürztraminer, Dornfelder und Blauem Portugieser. 


Peter J. König:  Sie besitzen beste Lagen in Oppenheim und Nierstein. Welche sind dies und was gibt es darüber zu berichten?


 Tochter Elisabeth  und Klaus Muth
Klaus Muth: Zu den Rebflächen des Weingutes zählen Weinberge in den Opppenheimer Lagen Sackträger und Herrenberg und in den Niersteiner Lagen Pettenthal und Oelberg. Diese Lagen sind vom VDP als "Große Gewächs Lagen" klassifiziert. Unsere Oppenheimer und Niersteiner Lagen sind ausschließlich mit Riesling bestockt. Die Weine haben ihren eigenen bodentypischen Charakter. Unsere Oppenheimer Weine zeichnen sich durch Pfirsicharomen aus, die Niersteiner Weine sind mineralischer, Zitrus- und Ananasaromen geprägt. 


Helga König: Seit wann gehören Sie dem VDP an und welche Veränderungen hat dieser Beitritt für Ihr Weingut gebracht?


Klaus Muth:  Der Rappenhof ist bereits seit 1970 Mitglied im Verband deutscher Prädikatsweingüter. Mitgliedschaft im VDP bedeutet immer wieder an sich und seinen Weinen zu arbeiten, um sich selbst und den VDP weiter nach vorne zu bringen. 


Peter J. König: Stimmt es, dass die Weine von der Rheinfront (aus Oppenheim und Nierstein) einen gleichwertigen Stellenwert haben wie die Weine aus dem Rheingau und zwar auch im Hinblick auf die Vergangenheit?


Klaus Muth: In der Vergangenheit haben die Weine aus Rheinhessen, insbesondere aus Oppenheim und Nierstein in Deutschland, aber auch weltweit, zu den Spitzenweinen gehört. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich alte Preislisten und Weinkarten um 1900 betrachtet. Sicherlich hatte das Renommee der Weine aus Rheinhessen in der Zwischenzweit abgenommen, aber seit etwa 20 Jahren haben die Weine unserer Region aufgeholt und finden sich wieder in den Angeboten des gehobenen Fachhandels und der Spitzengastronomie.

Helga König: Worin besteht die Philosophie des Weinmachens in Ihrem Hause?

 Klaus Muth
Weingut Rappenhof
Klaus Muth: Grundlage unserer Qualitäts-Philosophie ist es, dass wir ausschließlich Weine und Sekte aus eigenen Trauben erzeugen. Nur wenn die Kontrolle vom Rebschnitt bis zur Abfüllung der Weine auf die Flasche in einer Hand liegt, kann man nach unserer Auffassung herausragende Weine erzeugen. Voraussetzung für hochwertige Weine sind vollreife, gesunde Trauben. Gute Weine werden im Weinberg, nicht im Keller erzeugt! 

Peter J. König: Wie muss man die Entwicklung der Lagen in Rheinhessen in den letzten Jahren sehen, gemessen an der Qualität der Weine an der Rheinfront?

Klaus Muth: Die Qualität und das Image der Weine Rheinhessens haben in den letzten Jahren gewonnen und an Fahrt zugelegt. Rheinhessen ist ein Anbaugebiet mit vielen jungen und gut ausgebildeten Winzern, die ihren Weinen eine eigene Note geben. Rheinhessen zeichnet sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Bodenstrukturen aus, besonders ausgeprägt sind die Weine in Nierstein am Roten Hang. Diese Bodenstruktur verleiht dem Riesling einen unverwechselbaren mineralischen Charakter. Diese Weine können als Vorreiter der rheinhessischen Qualitätsoffensive gelten. 

Helga König:  Wohin überall werden Ihre Weine verkauft und auf welchen Veranstaltungen kann der Weinliebhaber sie verkosten? 

Klaus Muth: Neben der Vermarktung in Deutschland werden unsere Weine nach China, Japan, Taiwan, Hong Kong, Canada, Polen, Dänemark und Schweden exportiert. Der Weinliebhaber kann unsere Weine bei den VDP – Veranstaltungen verkosten. Weiter besteht die Möglichkeit, nach vorheriger telefonischer Anmeldung, Weine im Weingut zu probieren. 

Peter J. König:  Ein Weingut mit solcher Tradition muss auch immer dafür sorgen, dass es in die nächste Generation weitergetragen wird. Wie sieht es damit bei Ihnen aus?

Klaus Muth: Unser Weingut hat eine über 400-jährige Tradition und wir, meine Frau und ich, werden unser Gut die nächsten Jahre weiter nach vorne bringen. Bis dahin wird die nächste Generation gut aufgestellt sein.

Lieber Herr Muth, herzlichen dank für das aufschlussreiche Gespräch. 
Ihre Helga König, Ihr Peter J. König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Weingut Rappenhof und können dort Wein bestellen.http://www.weingut-rappenhof.com/

Helga König im Gespräch mit Franziska Schweiger, Autorin des Backbuchs "Die Alle Jahre wieder Zimtstern & Vanillenduft Weihnachts-Bäckerei"

Liebe Franziska Schweiger, Sie sind gelernte Konditorin und Patissière und betreiben mit Ihrem Ehemann, dem TV-Koch Andreas Schweiger das Sterne-Restaurant  Schweiger² in München. Nun haben Sie ein wunderbares Weihnachtsbackbuch mit dem Titel "Die Alle Jahre wieder Zimtstern & Vanillenduft Weihnachts-Bäckerei" verfasst, das ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" kürzlich rezensiert habe. Zu diesem Buch möchte ich einige Fragen an Sie richten.

Helga König: Sie verraten in Ihrem Buch gleich zu Beginn die Zutaten für Ihr Lebkuchengewürz. Worin besteht hier die Besonderheit? 

Franziska Schweiger
Foto: GU-Verlag
Franziska Schweiger: Dass fast alle Gewürze langsam im Mörser gerieben werden. – es ist nicht gerade eine leichte Arbeit und einfach etwas zeitaufwendig – aber sie werden merken – es lohnt sich. 

Helga König:  Welche Backphilosophie treibt Sie um, wenn Sie Weihnachtgebäck kreieren?

Franziska Schweiger:  Ich kann mich nichts Schöneres vorstellen als zu backen – Rezepte zu erfinden, entwickeln in meiner mini-Küche in München - experimentieren. Ich liebe den Duft von Gebackenem nicht nur in der Nase, sondern in der ganzen Wohnung. Backen beruhigt mich nach einem stressigen Tag, wenn ich vom Restaurant nach Hause komme, backe ich gerne zur Entspannung – ich nenne es mein Feierabendbacken, dazu ein Gläschen Wein oder Bier und Musik. Außerdem ist das A und O: Beste Zutaten, gutes Werkzeug usw. 


Helga König: Worin unterscheidet sich Ihr Zimtsternrezept von Rezepten anderer Konditorinnen? 

Franziska Schweiger:  Das Rezept ist eher eines der klassischsten in meinem Buch. Es gibt nicht wirklich einen herausragenden Unterschied. 

Helga König:  Ich bin hingerissen von Ihren "Mandelkrapferl mit Knuspersplitter" und finde, dass diese Köstlichkeit eigentlich immer gut zu einer Tasse Kaffee passt. Handelt es sich bei diesem Rezept, um eines mit langer Tradition oder ist es eine völlige Neuschöpfung von Ihnen? 

Franziska Schweiger:  Das ist eine Mischung aus einem 100 Jahre alten Familien-Rezept aber der Knuspersplitter ist hinzugekommen. Dieses Rezept können Sie das ganze Jahr backen, es ist ein Keks-Allrounder und muss nicht nur Weihnachtsteller füllen. 

Helga König: "Mürbeteigmonde mit Bratapfelfüllung" sind nicht nur in der Adventszeit köstlich. Von welchem Gedanken waren Sie beseelt als Sie dieses Rezept kreiert haben? 

Franziska Schweiger:  Ich wollte eine süße Mezzalune machen. Wir haben soooo viele Äpfel jedes Jahr im Garten- da eignet sich dieses Rezept hervorragend, um die Äpfel zu verarbeiten, und die Familie und auch Nachbarn glücklich zu machen! 

Helga König: Worin liegt das Geheimnis von den überirdisch gut schmeckenden "Vanillekipferl nach Großmutters Art"? 

Franziska Schweiger:  Das Geheimnis ist die Vanille – ich verwende am liebsten Tahitivanille. Außerdem sammle ich meine ausgekratzten Vanilleschoten und lasse sie in Zucker in einem Glas ziehen. Einmal im Jahr mache ich davon Vanillezucker – der kommt da natürlich rein!

Helga König: Was spricht dafür, einen Stollen nach Ihrem Rezept zu backen? 

Franziska Schweiger: Als Hobby-Bäcker sollte man einfach mal diesen ausprobieren- er ist einfach und gelingt gut - ohne lange Ruhepausen ein easy Stollen sozusagen. 

Helga König: Gehört Lebkuchen heute noch auf den Weihnachtsteller oder ist er eher eine Leckerei aus der Vergangenheit? 

 Franziska Schweiger
Foto: GU-Verlag
Franziska Schweiger: Ich persönlich greife eher zu Schokobrot oder Spekulatius als nach Lebkuchen. Oft war mir dieser als Kind zu hart. Bäckt man ihn mindestens 6-8 Wochen vor Weihnachten ist es eine Freude ihn zu vernaschen! Ein Kartoffellebkuchen zum Beispiel mit etwas Schokolade in Weiß oder dunkle Schokolade getunkt und etwas zerstoßenen Koriander drauf...Mhhh lecker! Man kann viel experimentieren. Er ist ein Klassiker und sollte auf keinen Fall auf dem Weihnachtsteller fehlen!

Helga König: Welche Kindheitserinnerung verbinden Sie mit dem Plätzchenbacken zu Weihnachten?

Franziska Schweiger:  Oh, wo soll ich da anfangen! Es geht mit dem Nussknacken in der warmen Stube bei meiner Oma los. Es duftete immer nach frisch aufgesetzten Punsch für die Kinder oder Glühwein. Im Kühlschrank stapelten sich die verschiedensten Plätzchenteige, die nur darauf gewartet haben, ausgerollt zu werden! Plätzchen haben immer die Mädels gebacken – also Oma, Mama und ich. Ich konnte mich stundenlang damit beschäftigen, Plätzchen auszustechen, zu formen, belegen und zu dekorieren. Auf einem Kissen oder meinem kleinen Holzhocker, den ich immer noch habe, saß ich vorm Backofen und habe darauf gewartet bis es duftete und die Plätzchen braun wurden. Der Backofen war mein Fernseher. Ich habe die fertig gebackenen Plätzchen auch immer gerne in die Keksdosen gestapelt. Und vor allem die schönste Erinnerung – viele sind ja auch mal zerbrochen – zu meinem Glück - die habe ich alle genascht! ;) 

Liebe Franziska Schweiger, ich danke Ihnen herzlich für dieses aufschlussreiche Interview.
Ihre Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum GU-Verlag und können das Buch bestellen.http://www.gu.de/buecher/kochbuecher/backen-suessspeisen/730175-die-alle-jahre-wieder-zimtstern-und-vanilleduft-weihnachtsbaeckerei/ Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.




Helga und Peter J. König im Gespräch mit Christian Witte, Domänenverwalter des Weinguts "Schloss Johannisberg" und des "Weinguts G.H. von Mumm"

Lieber Herr Witte, dieser  Tage haben wir auf "Buch, Kultur und  Lifestyle" Rieslinge  des Weingüter "Schloss Johannisberg"  und  "G.H. von Mumm"   vorgestellt. Dazu möchten wir  heute  einige Fragen an Sie richten.

Hier der Link zu den Rezensionen: http://helga-koenig-wein.blogspot.de/

Helga König: Worin liegt das Hauptaugenmerk der beiden Weingüter und was sind die besonderen Stärken jeweils?

 Christian Witte
(Foto aus dem Bestand der Weingüter)
Christian Witte: Das Hauptaugenmerk des G.H. von Mumm’schen Weingutes liegt auf dem deutschen Markt und hier im Bereich Handel und Gastronomie. Es werden nur klassische deutsche Rebsorten angebaut: 80% Riesling, 15% Spätburgunder und 5% Weißburgunder. G.H. von Mumm ist das hochwertige VDP-Weingut aus Johannisberg im Rheingau mit erstklassigen Weinen aus herausragenden Lagen. Die Rieslinge und Spätburgunder des Weingutes G.H. von Mumm sind ausgezeichnete, charaktervolle Weine, die den Rheingau widerspiegeln. Von Weinen mit einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis bis hin zu absoluten Spitzenweinen wird das Premium- und Ultrapremiumsegment bedient. Die knapp 200-jährige Weinbautradition, die Konzentration auf klassische Rebsorten, leidenschaftliches Winzerhandwerk und moderne Technologie sind Grundlage für die authentischen Rheingauer Weine. Sie sind die Symbiose von Mensch und Natur aus einer der bekanntesten Kulturlandschaften. Klares, zeitloses Design, Wertigkeit, Manufakturcharakter - Rheingau-typisch Neben dem deutschen Markt ist die Domäne Schloss Johannisberg auch verstärkt im Export aktiv und wird in zahlreiche Länder vertrieben. Die Fürst von Metternich Winneburg’sche Domäne Schloss Johannisberg ist das Riesling-Weingut mit Weltruf. Es zählt zu den bekanntesten Weingütern der Welt. Es ist ein Monument der Weinbaugeschichte. Seit 1200 Jahren wird Weinbau auf dem Johannisberg betrieben, die letzten fast 300 Jahre konzentriert man sich ausschließlich auf den Riesling. Der Johannisberg ist Ursprung einer großen Weinkultur weit über die Grenzen des Rheingaus hinaus. Schloss Johannisberg ist Gründungsmitglied des VDP und bis heute entstehen hier Deutschlands beste Riesling-Weine. Einzigartige Tradition und kompromissloses Streben nach Qualität sowie die Erfindung der Spätlese begründen den Weltruhm von Schloss Johannisberg. Die Verbindung von Tradition und Innovation konserviert den Ruhm. Schloss Johannisberger Rieslinge sind keine kurzlebigen Modeweine sondern ein unendlicher Mythos.

Peter J. König:  Seit wann werden die Güter unter einer gemeinsamen Leitung geführt und worauf ist im Einzelnen zu achten?

Christian Witte:  Das Mumm’sche Weingut ist letztlich 1822 entstanden, nachdem die Familie Mumm den 1811 er Jahrgang des Schlosses Johannisberg als Trauben von Napoleon Bonnaparte kaufte und damit das 12fache des Einsatzes verdiente. Danach wurden um das Schloss Johannisberg gelegene Weinberge gekauft und später das Weingut gegründet. Seit 1980 werden beide Weingüter aus derselben Hand geführt. Die Situation hat sich seit den 80 er Jahren vor allem für das Weingut G.H. von Mumm grundlegend verändert. Früher war das Mumm’sche Weingut vor allem solider Lieferant für den LEH im gehobenen Bereich. Heute schließt das Mummsche Weingut die Lücke, die Schloss Johannisberg nicht besetzen kann, wie z.B. Rotwein und mittleres Preisniveau. Das Mumm’sche Weingut hält aber auch mit Spitzenweinen Anschluss an Schloss Johannisberg. Diese deutliche Qualitätssteigerung macht sich bei Mumm auch durch die Aufnahme in den VDP in 2012 bemerkbar und wird damit dokumentiert. Mumm gehört nun auch zu den 200 besten Weingütern Deutschlands.

Helga König: Während Schloss Johannisberg ausschließlich großartige Rieslinge hervorbringt, werden im von Mumm`schen Weingut neben exzellenten Rieslingen auch Spätburgunder und Weißburgunder kreiert. Was hat es damit auf sich?

Christian Witte: Das Mumm’sche Weingut hat schon sehr früh damit begonnen, auch Spätburgunder anzubauen. Riesling und Spätburgunder sind die 2 Leitrebsorten im Rheingau. Da es einige Parzellen im Assmannshäuser Höllenberg im Besitz gibt, wurde diese Tradition weitergepflegt. Weißburgunder gibt es erst seit Anfang dieses Jahrhunderts als Alternative zum Riesling für unsere Gäste, die nach weniger säurebetontem Weißwein verlangen. Mittlerweile wird er aber auch in der regionalen Gastronomie vertrieben.

Peter J. König:  Gibt es bei der Herstellung der Weine der beiden Güter auch nennenswerte Synergieeffekte, außer natürlich Ihrer persönlichen Verantwortung und Kompetenz oder sind die Verfahren zur Weinherstellung völlig voneinander getrennt?

Christian Witte: Die Synergieeffekte liegen hauptsächlich im Maschinenpark und bei den Mitarbeitern. Wir können die Maschine für beide Weingüter benutzen, müssen die Weine aber getrennt lagern und ausbauen. Es gibt selbstverständlich auch den Knowhow - Transfer vom Schloss zu Mumm. Hinter beiden Weingütern stecken aber trotzdem unterschiedliche Philosophien. Bei dem Mumm’schen Weingut achten wir mehr auf Trinkfluss und animierende Weine und ein Alltags- Riesling muss auch nicht 10 Jahre reifen, sondern sollte jung trinkbar sein. Bei Schloss Johannisberg ist Spitzenqualität das A und O, daneben sollen die Weine eine gute Lagerfähigkeit haben. Das führt dazu, dass die Weine etwas länger im Weingut bleiben, bevor Sie auf den Markt kommen und auch immer eine gewisse Zeit auf der Flasche reifen sollen, bevor Sie ihr ganzes Potenzial entwickeln.
Helga König: Im Anschluss dazu gibt es auch Traubenpartien, die in dem einen Weingut geerntet und in dem anderen Weingut zu Wein verabeitet werden?

Christian Witte: Nein- das ist weingesetzlich nicht erlaubt.

Peter J. König:  Wenn unsere Leser sich nach den beiden Weingütern umschauen wollen, finden sie Schloss Johannisberg auf Anhieb, wo jedoch müssen sie nach dem Mumm`schen Anwesen Ausschau halten? 

Christian Witte: Das Mumm’sche Anwesen befindet sich etwa 300 m von Schloss Johannisberg entfernt, von Oestrich – Winkel kommend direkt am Ortseingang von Johannisberg. 

Helga König: Wird die Vermarktung der Weine gemeinsam durchgeführt oder ist jedes Weingut marketingmäßig auf sich selbst gestellt? 

Christian Witte: Der Vertrieb wir natürlich zentral für beide Weingüter gesteuert. Die Vertriebswege sind teilweise die gleichen, teilweise aber unterschiedlich. 

Peter J. König: Ist G.H. von Mumm vom Bekanntheitsgrad eher noch den eingefleischten Fans bekannt oder gibt es auch hier schon nationale und internationale Anerkennung? 

Christian Witte: Das G.H. von Mumm’sche Weingut hat sich schon seinen eigenen Kundenstamm aufgebaut. Natürlich haben wir manchmal mit der Situation zu tun „Das bessere ist der Feind des Guten,“ wenn eingefleischte Schloss Johannisberg Fans bei uns einkaufen. Aber die deutlichen Qualitätssteigerungen bei Mumm zeigen Ihre Wirkung. Ein Pluspunkt sind natürlich die Lagen die nicht in Johannisberg liegen. Der Rüdesheimer Berg Rottland ist so unterschiedlich von Schloss Johannisberg, dass wir hier auch einen anderen Typ Riesling produzieren, der seine eigenen Liebhaber hat. Mit Assmannshausen und dem Spätburgunder haben wir noch einen zweiten Unterscheidungspunkt. Sehr spannend ist auch der Rote Riesling den wir vor 3 Jahren angepflanzt haben. Letztlich bieten die Gutsweine ein tolles Preis - Leistungsverhältnis für den täglichen Gebrauch, die Einstiegspreise bei Schloss Johannisberg liegen da doch deutlich höher. 

Helga König: Gibt es eigentlich qualitative Unterschiede zwischen Schloss Johannisberg und G.H. von Mumm bei einem Jahrgang und wenn ja, woran könnte so etwas liegen? 

Christian Witte: Wie schon erwähnt, geht es eher um die unterschiedliche Stilistik und die Marktsegmente. In der Spitze reduzieren sich die Qualitätsunterschiede nur noch auf die Herkunft. Bei dem Mumm’schen Weingut haben wir Gutsweine, Ortsweine, Erste Lagen und Große Lagen- Weine. Schloss Johannisberg ist eine Monopollage und zum größten Teil eine Große Lage. 

Lieber Herr Witte, beste Dank für das aufschlussreiche Interview.

Helga und Peter J. König

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Helga König im Gespräch mit Thomas Bleitner, Autor des Buches "Frauen der 1920er Jahre"

Lieber Herr Bleitner, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Frauen der 1920er Jahre" auf „Buch, Kultur und Lifestyle“ rezensiert.  Dazu möchte ich nun einige Fragen an Sie richten.

Helga König: Was macht die Frauen der Zwanzigerjahre intellektuell so reizvoll für Sie?

 Thomas Bleitner (privat)
Thomas Bleitner:  Was die von mir porträtierten Frauen betrifft: Ihr Mut und ihr bedingungsloser Wille, die Gesellschaft zu verändern und Innovationen zu schaffen. Und natürlich die Lebensfreude, die sie dabei versprühten. Man darf nicht vergessen, dass der gesellschaftliche Umbruch in den Zwanzigern ja aus der Not nach dem Ersten Weltkrieg geboren war. Die Art und Weise, mit der die Frauen, um die es in dem Buch geht, die sich auftuenden Freiräume genutzt und diese Not mitunter zur Tugend gemacht haben, finde ich absolut faszinierend.

Helga König: Nach welchen Kriterien sind Sie bei der Auswahl der Frauen in den einzelnen Rubriken konkret vorgegangen?

Thomas Bleitner: Im Titel des Buches taucht der Begriff 'Avantgarde' auf. Ich wollte gern Porträts schreiben, in denen es um Avantgardistinnen geht: um Frauen, die in Ihrem jeweiligen kulturellen Milieu - besser: in ihren Künsten - Tabus brachen und damit Althergebrachtes entlarvten. Die Bilder Tamara de Lempickas, die Fotografien Claude Cahuns waren damals ebenso neuartig und gewagt wie die Tänze Anita Berbers, die Kleider Elsa Schiaparellis oder die Kolumnen Dorothy Parkers.

Helga König: Welche Verhaltensmuster fallen Ihnen auf, wenn Sie die Bilder der Frauen betrachten und Sie mit Bildern von Frauen vor dem 1. Weltkrieg vergleichen?

Thomas Bleitner:  Die Frauen der Zwanziger lachen weitaus häufiger. Das Selbstbewusstsein wirkt stärker ausgeprägt und ihr Selbstverständnis erscheint gewandelt. Experimentierfreude, Lebenslust und Spaß sind zentrale Momente, die aus vielen Bildern von Frauen in den Zwanzigern sprechen. Schauen sie sich etwa das Porträtbild von Clara Bow an: Können Sie sich jemanden wie sie im Jahrhundertwende-Korsett vorstellen? 

Helga König: Welche Rolle spielte der 1. Weltkrieg für die Veränderung und den neuen Anspruch der Frauen?

Thomas Bleitner:  Er war die Katastrophe, in deren Anschluss sich die Gesellschaft neu ausrichten musste. Im Jahrzehnt nach dem Krieg war vieles veränderbar und gerade Frauen hatten den Anspruch - und nun partiell auch die Möglichkeiten -, Veränderungen voranzutreiben.

Helga König: Weshalb strebten Frauen in den Zwanzigerjahren androgynen Vorbildern nach, hatten sie die Mutterrolle satt, nachdem man ihre Kinder im Krieg verheizt hatte?

Thomas Bleitner:  Letzteres eher im übertragenen Sinne - zumindest was die Frauen betrifft, von denen das Buch handelt, die meisten von ihnen waren in den Zwanzigern (noch) keine Mütter. Androgyne Selbstinszenierung war, glaube ich, eine von vielen Facetten des Sich-Ausprobierens und die Motive dafür waren ambivalent - ein wesentliches war sicherlich die Ebenbürtigkeit im gesellschaftlichen Auftritt. 

Helga König:  Worin sehen Sie die Besonderheit von Josephine Baker?

Thomas Bleitner:  Als Schwarze hatte Josephine Baker es besonders schwer auf ihrem Weg. Glücklicherweise führte sie dieser schon früh nach Paris, damals so etwas wie das 'Weltzentrum der Toleranz'. Dort wurde Josephine Baker gefeiert wie sonst nirgendwo und avancierte zu einer DER Ikonen der Zwanzigerjahre. Bei all ihren tänzerischen Fertigkeiten und ihrer erotischen Ausstrahlung wird häufig vergessen, dass sie auch enorme komödiantische Talente besaß und nicht zuletzt gerade deshalb so gut in die Zwanzigerjahre passt. 

Helga König: Ist der Mut einer Amelia Earhart mit dem Mut einer Anita Berber gleichzusetzen?

Thomas Bleitner: 'Mut' ist natürlich eines der zentralen Attribute der Zwanzigerjahre-Frauen im Buch. Und Mut kann vielfältig sein. Ob es couragierter ist, im Alleinflug den Atlantik zu überqueren oder sich für seine Nackttanz-Kunst gesellschaftlicher Ächtung, mitunter auch polizeilicher Verfolgung auszusetzen, vermag ich nicht aufzurechnen. Ich weiß nur: Beidem liegt ein bewundernswertes Maß an Entschlossenheit zugrunde. 

Helga König:  Welche Rolle spielte der Tanz in den Zwanzigerjahren und was unterschied ihn in seinen Motiven von den Tänzen in all den Jahrhunderten zuvor?

Thomas Bleitner:  Die Tänzerinnen, die ich im Buch porträtiere, drückten mit ihrer Tanzkunst vor allem eines aus: Freiheit. Und dies in einer zuvor nicht da gewesenen Konsequenz und Radikalität. Beim Tanz bzw. bei den Tänzen der vorangegangenen Jahrhunderte kenne ich mich nicht gut genug aus, um Vergleiche ziehen zu können. 

Helga König: In der Mode drückt sich die radikale Veränderung der Frauen in damaliger Zeit wohl sichtbar am deutlichsten aus. War Coco Chanel die eigentliche Geburtshelferin der modernen Frau oder war sie nur für ihre Verschönerung zuständig?

Thomas Bleitner:  Beides, glaube ich, wobei ich das 'nur' im zweiten Teil der Frage gern streichen würde. Soweit ich gelesen habe, hatte etwa Paul Poiret schon vor Coco Chanel korsettfreie Mode entworfen. Aber die Zwanzigerjahre-Maxime, dass sich das Kleid am Körper der Frau zu orientieren habe - und nicht, wie es zuvor der Fall gewesen war, der Körper der Frau an der Form des Kleides - hat Coco Chanel mit ihren Kreationen am nachhaltigsten und signifikantesten verwirklicht. Oder, um mit Chanels Worten zu sprechen: Sie hat diese Mode erst zum Stil gemacht. 

Helga König: Clärenore Stinnes fasziniert mich übrigens am meisten, nicht zuletzt wegen ihrer grenzenlosen Mobilität, ihrer Neugierde und ihres Mutes. War Stinnes ihrer Zeit am meisten voraus und was hatte Sie ihrer Meinung nach, was die Mädels der Internetgeneration vielleicht wiedererlernen sollten?

Thomas Bleitner:  Clärenore Stinnes hat mit Ausdauer und Hartnäckigkeit etwas realisiert, das als unmöglich galt. Dabei hat sie die Zeitgenossen mit ihrer Zuversicht förmlich angesteckt, sie hat die Menschen für ihre Vision begeistert. Gerade diese Begeisterungsfähigkeit finde ich an ihr so beeindruckend. Davon kann sich, meine ich, geschlechtsübergreifend jede Generation inspirieren lassen.


Lieber Herr Bleitner, ich danke Ihnen für  Ihr erhellendes Interview.
Bitte klicken Sie auf das Foto, dann gelangen Sie zum Sandmann-Verlag und können das Buch bestellen.http://www.elisabeth-sandmann.de/autoren/thomas-bleitner/891/frauen-der-1920er-jahre. Sie können es aber auch bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

Helga und Peter J. König im Gespräch mit Dr. Georg Prinz zur Lippe, Weingut Schloss Proschwitz. Thema die Winzersekte seines Hauses.

Lieber  Dr. Georg Prinz zur Lippe, dies ist das dritte Interview auf "Buch  Kultur und Lifestyle", in denen sich die jeweiligen Gesprächspartner über Produkte Ihres Hauses austauschen. Ging es 2011 um Ihre Weine und 2013 um Ihre Spirituosen, so ist das heutige Thema Ihr Winzersekt.  Vor geraumer Zeit haben wir hier auf "Buch, Kultur  und Lifestyle" fünf Winzersekte Ihres Hauses vorgestellt.


Helga König: Als V.D.P. Weingut in Sachsen, Deutschlands kleinstem Weinanbaugebiet, haben Sie sich mittlerweile einen überaus respektablen Namen in der Weinszene gemacht. Welche Bewandtnis hat es hierzu mit Ihrer Familiengeschichte?

  Dr. Georg Prinz zur Lippe
Weingut Schloss Proschwitz
Dr. Georg  Prinz zur Lippe: Mein Familienzweig, der ursprünglich aus dem kleinen Fürstentum Lippe stammt, hat sich im 18. Jahrhundert entschlossen, in das damals enorm prosperierende Sachsen auszuwandern. Über Generationen entstand hier ein Familienunternehmen mit verschiedensten Aktivitäten, zu denen auch der Weinbau zählte. Proschwitz ist mit seinen Weinbergen, die ursprünglich nahezu alle in kirchlichem Besitz waren, das älteste Weingut Sachsens. Zu unserem Weingut gehören die Weinberge der Lage Heilig Kreuz, die dem Benediktinerinnenkloster zum Heiligen Kreuz gehörten, sowie Weinberge des Zisterzienserklosters Altzella, Teilen der Weinberge des Klosters Seußlitz und den bischöflichen Weinbergen, die heute gemeinsam in der Lage Schloss Proschwitz vereint sind. 


Meine Familie hat das Weingut durch Heirat aus den Händen der Familie von Carlowitz übernommen. Ein wichtiger Protagonist war für mich mein Großvater Clemens, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in großem Maßstab die Wiederbelebung der Weinbauflächen nach der Reblaus-Katastrophe betrieben hat, und Namensgeber eines Cuvées unseres Hauses wurde.



Peter J. König:  Zu Ihren Weinen haben wir bereits ein Interview mit Ihnen geführt, jetzt möchten wir speziell über Ihre unterschiedlichen Sekte etwas erfahren. Welche Philosophie legen Sie diesbezüglich zu Grunde?


Dr. Georg  Prinz zur Lippe Für mich müssen Sekte ausdrucksvoll und in einer Balance zwischen Frucht und Cremigkeit bei feinster Perlage sein. Deshalb ist die Auswahl der Grundweine und eine punktgenaue Lese die Grundlage der Versektung. Auf den Punkt gebracht heißt dies, große Erntemengen pro Hektar sind hier tabu. Der Ausbau unserer Sekte, der bisher nur zum Teil im eigenen Hause erfolgen kann, basiert in jedem Falle auf einem langen Hefelager und erfolgt bei den Rebsorten reinen Sekten generell im traditionellen Champagnerverfahren. 

Helga König: Vier verschiedene Sekte stammen von Schloss Proschwitz, das Cuvée Alexandra jedoch von der Edition Meissen.

Dr. Georg  Prinz zur Lippe Bei der Edition Meißen haben wir bis 2013 auch Trauben verarbeitet, die aus dem Weinberg eines befreundeten Winzers aus der Steillage stammten. Mit dem Abschluss unserer Aufrebungsarbeiten sind wir nun in der Lage, uns ausschließlich auf unsere eigenen Weine zu konzentrieren. 

Peter J. König:  Sekt ist bekanntermaßen immer nur so gut wie die Grundweine, die zur Herstellung genommen werden. Was können Sie uns hierzu mitteilen?

 Foto: Helga König
Dr. Georg  Prinz zur Lippe: Für einen eleganten und ausdrucksvollen Sekt ist es aus meiner Sicht einerseits von großer Bedeutung, dass der Sektgrundwein eine filigrane Säurestruktur besitzt, andererseits ist es  wesentlich, dass das Lesegut eine physiologische Reife erreicht, um so später die Ausprägung der Aromen im Sekt sicherstellen zu können. Neben der typischen geschmacklichen Probe achten wir in besonderer Weise auf die Verfärbung des Traubenkerns. Eine umfassende bräunliche Verfärbung des Kerns ist der beste Indikator dafür, dass die physiologische Reife stattgefunden hat. Wesentlich ist: für gute Sekte sind große Erntemengen tabu. 


Helga König: Welche Reifezeit werden den Sekten von Schloss Proschwitz zugebilligt und ist dies bei den einzelnen Rebsorten unterschiedlich?


Dr. Georg  Prinz zur Lippe:  Generell prüfen wir vor dem Degorgieren, ob der Sekt eine filigrane Cremigkeit und eine lebendige, feinperlige Perlage erreicht hat. Erst dann wird er in Chargen, die sich am prognostizierten Absatz orientieren, degorgiert. Man muss meiner Meinung nach dem Sekt ein langes Hefelager gönnen, damit er wirklich eine faszinierende Perlage und eine leichte Cremigkeit erhält. 

Peter J. König: Die klassische Flaschengärung ist ein Merkmal des besonderen Sektes. Welche Qualität wird dadurch erreicht?

 Dr. Georg Prinz zur Lippe
Weingut Schloss Proschwitz
Dr. Georg  Prinz zur LippeInsbesondere die filigrane nachhaltige Perlage ist das Resultat einer klassischen über Monate, gegebenenfalls Jahre gewährten Lagerung, im Rahmen der klassischen Flaschengärung. Die Harmonie zwischen Fruchtigkeit, nachhaltig cremigem Nachklang sowie Präsenz und Frische sind nur auf diese Weise zu erzielen. 


Helga König: Hat es in früheren Zeiten die Versektung der Weine von Schloss Proschwitz ebenfalls gegeben oder ist dies erst unter Ihrer Ägide entstanden?


Dr. Georg  Prinz zur Lippe:  Da meine Eltern beide nicht mehr leben, kann ich Ihnen hierzu leider keine abschließend verbindliche Aussage geben, da unser Gutsarchiv den Kriegs- und Nachkriegswirren zum Opfer fielen. Mir erscheint es aber sehr wahrscheinlich, dass bereits im 19. Jhd. auch in unserem Betrieb schon ein Augenmerk auf die Versektung gelegt wurde. Unsere Region gilt mit der Gründung der Sektkellerei Bussard (1836 in Radebeul bei Dresden), der zweitältesten Sektkellerei in Deutschland, als eine der Keimzellen der Schaumweinherstellung in Deutschland, somit wäre es verwunderlich, wenn diese Idee der Versektung nicht auch in den umliegenden Weingütern aufgenommen worden wäre. 

Peter J. König: Die Tatsache, dass Sie Ihre Sekte als Winzersekte anbieten, ist nicht jedermann geläufig. Was hat es damit auf sich?

Dr. Georg  Prinz zur Lippe: Winzersekte stellen an sich etwas sehr Besonderes dar, sie sind authentisch, geprägt vom Terroir, dem individuellen Erfahrungsschatz des jeweiligen Weingutes sowie den Menschen, die sich täglich um die Reben und die Weine im Keller des Weingutes kümmern. Diese Individualität steht in deutlichem Gegensatz zu den im großen Stile generierten Sekten, bei denen der Schwerpunkt auf markenspezifischer Einheitlichkeit liegt. Ein Winzersekt, sofern er als Jahrgangssekt ausgebaut wird, bietet somit dem individualistisch geprägten Genießer ein Optimum an Individualität und Authentizität. 

Helga König: Werden Ihre Sekte nur über Ihr Weingut vermarktet oder gibt es Hotels oder Restaurants, wo man die Gelegenheit hat, diese zu verkosten?

 Foto: Helga König
Dr. Georg  Prinz zur Lippe: Sie finden unsere Sekte nicht nur in individuellen Haushalten sondern können diese auch in einer Vielzahl von Hotels und Restaurants sowie im Facheinzelhandel genießen und erwerben. Natürlich geht das auch in unserer Vinothek und dem angeschlossenem E- Shop auf unserer Homepage. 

Peter J. König: Haben Sie unter Ihren Sekten persönlich eine ganz bestimmte Präferenz oder ist dies eher von der jeweiligen Gelegenheit abhängig?

Dr. Georg Prinz zur Lippe
Weingut Schloss Proschwitz
Dr. Georg  Prinz zur Lippe: Ich denke, Sekte haben ihre eigenen Schwingungen und erzeugen damit auch besondere Resonanzen beim Genuss und in der Erinnerung des Menschen. Entsprechend greife ich je nach Situation intuitiv nach dem Einen oder eben dem Anderen. Wundervoll ist es jedoch, wenn die Intuition einen richtig leitet und der Sekt ein intensives Erlebnis schafft.

Dr. Georg Prinz zur Lippe Weingut Schloss Proschwitz.


Lieber Dr. Georg Prinz zur Lippe, für  das aufschlussreiche Interview danken wir Ihnen  vielmals.


Ihre Helga König, Ihr Peter J. König



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Foto aus dem Privatarchiv von Dr. Georg Prinz zur Lippe



Helga König im Gespräch mit der Galeristin Helga Müller über das Zukunftsprojekt "ATLANTIS- MARIPOSA auf Teneriffa"

Liebe Helga Müller, Sie sind  Galeristen  in Stuttgart  und  haben gemeinsam mit Ihrem mittlerweile verstorbenen  Gatten zu Ende des 20. Jahrhunderts  etwas Spektakuläres für die Kunst geleistet. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Sie haben gemeinsam mit Ihrem 2009 verstorbenen Gatten Hans-Jürgen Müller 1985 das Zukunftsprojekt "ATLANTIS" ins Leben gerufen. Können Sie den Lesern von "Buch, Kultur und Lifestyle" berichten wie es dazu kam?

 Helga Müller
Galeristin 
Helga Müller: Mein Mann gehörte zu den progressivsten Galeristen nach dem Krieg, er eröffnete 1958 in Stuttgart seine erste Galerie mit Ausstellungen von Cy Twombly, Frank Stella, Morris Louis – Baumeister, Dieter Roth, Arnulf Rainer etc. Er war Mitbegründer des 1. Kunstmarkts in Köln 1967 und erlebte in der Folge mit großer Betroffenheit den zunehmend stärker werdenden spekulativen Umgang mit Kunst. Für ihn – den "Überzeugungstäter" und Liebhaber der Kunst und der Künstler – war das der Grund, 1973 seine in der Zwischenzeit in Köln eröffnete  Galerie zu schließen und sich nach Teneriffa zurückzuziehen, wo er das als "Kultbuch" berühmt gewordene Buch "Kunst kommt nicht von Können" schrieb, das seine Überzeugungen und Vorstellungen vom Umgang mit Kunst gut beschreibt. 1977 kehrte er nach Stuttgart zurück, wo er mit Max Hetzler und Ursula Schurr die Ausstellung "europa ’79"  auf die Beine stellte, die allererste Ausstellung über die Kunst der 80er Jahre überhaupt.

1982 gingen wir beide dann nach Köln, wo damals "die Musik" spielte. Wir übernahmen die Galerieräume von Paul Maenz in der Schaafenstraße 25 und bauten eine große Sammlung auf  "Tiefe Blicke", die inzwischen im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt hängt. Die 80er Jahre waren geprägt durch den Neoexpressionismus der sog. "Jungen Wilden" und gingen einher mit einer extremen Zunahme, Kunst als Geldanlage, als Spekulationsobjekte zu behandeln. Nach einem Besuch im "Hammerstein’s" – dem In-Lokal damals in Köln und Treffpunkt der gesamten Kunstszene –, wo es ausschließlich um Kunstpreise und nicht mehr um -Qualitäten oder gar Inhalte ging, kamen wir völlig deprimiert in die Galerie zurück und überlegten gemeinsam in dieser Nacht, was wir beide denn gegen diese totale Kommerzialisierung von Kunst – und nicht nur der Kunst, nein aller kulturellen Bereiche – tun könnten.

Wir fragten uns, was der "Welt"  im Grunde genommen fehle und kamen zu dem Ergebnis, dass uns die Schönheit und die Kultur verloren gegangen waren. Wir verglichen den Zustand unserer Gesellschaft mit dem von Platon im Tamaios beschriebenen Zustand der Gesellschaft im alten ATLANTIS – das von den Göttern in "einer Nacht" zum Untergang verdammt wurde und in den Fluten versank. – Deshalb der Projekt-Name ATLANTIS! Wir sahen viele Parallelen – unser Größenwahn, der Abfall vom Spirituellen, die Habgier und Rücksichtslosigkeit in der Bevölkerung und ihren "Führern"… und wir beschlossen, der Welt zum bevorstehenden Jahrtausendwechsel ein Geschenk zu machen – gemeinsam mit Gleichgesinnt- und –betroffenen: Einen Ort der Schönheit und der Kunst zu schaffen – als Raum, in dem der Mensch wieder erfahren könnte, was wir verloren haben, und als Quelle der Inspiration und der Entwicklung neuer Modelle einer lebenswerten – von ethischen Maßstäben geprägten Zukunft. Ein Think Tank, der kleine Gruppen von Verantwortungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammenbringen soll mit Querdenkern und Künstlern, um die damals schon erahnbare, heute in erschreckender Weise Wirklichkeit gewordene Entwicklung umzukehren.

Bis 1992 beauftragten wir bedeutende Architekten – Leon Krier, Frei Otto und andere – mit der Entwicklung von Plänen, wie ein solcher Ort aussehen könnte. Die Entwürfe von Krier gingen in großen Ausstellungen um die ganze Welt – vom Moca in Los Angeles bis Tokio, von Frankfurt bis Bologna, vom Museum Ludwig in Köln bis nach Yale… Die Entwürfe von Frei Otto – als "Pilotpro-jekt" mit dem Namen MARIPOSA benannt – wurden in Santa Cruz de Tenerife mit großer Medienwirksamkeit vorgestellt. 1992 waren wir von Jan Hoet eingeladen, ATLANTIS auf der documenta IX zu präsentieren, wo wir im eigenen Pavillon 100 Tage mit jedem an diesem Konzept interessierten Besucher Ziele und Möglichkeiten dieses Projekts zu diskutieren.

Helga König: 1992 dann erfolgte die ATLANTIS Kultur-Preisstiftung. Was hatte es damit auf sich?

Helga Müller: 1985 kehrten wir aus Köln nach Stuttgart zurück und eröffneten 1987 in der Ostendstraße 105 neue Räume, die so angelegt waren, dass sie auch als Basisbüro zur Realisierung von ATLANTIS würden genutzt werden können. Wir zeigten zeitgenössische Kunst, Volkskunst, ethologische Kunst und gutes Design – wenn Sie so wollen war es die erste "Life-Style-Galerie" in Deutschland überhaupt. Gleichzeitig trieben wir die Realisierungspläne für unser Projekt voran. Mit einem speziell gefertigten Wohnmobil fuhren wir zu jedem in Europa, der sich für dieses Projekt interessierte und Partner würde sein können. 

Was uns dabei immer deutlicher bewusst wurde war, dass die "wahren Helden", die sich für Kultur, Ethik, für die mit Geld nicht erwerbbaren Werte selbstausbeuterisch betätigten, von den Medien nicht begleitet – also nicht "sichtbar" wurden und somit auch kein Diskurs in der Öffentlichkeit über die radikalen humanistischen Veränderungen stattfanden. 

Wir beschlossen, eine Stiftung zu gründen, die diesem Manko abhelfen sollte – Die ATLANTIS-Kulturpreis-Stiftung. Sie sollte diejenigen durch die Verleihung eines nicht mit Geld dotierten Preises ehren, deren großen kulturellen Leistungen ungesehen und unkommentiert blieben. Gemeinsam mit einem unserer ganz alten Künstlerfreunde, Erich Hauser, fanden einige der Preisverleihungen auch in Rottweil statt. Preisträger waren u.a.: • Prof. Dr. Heinrich Klotz (Direktor des ZKM Karlsruhe) und vorher des DAM, Frankfurt • Prof. Dr. Bazon Brock (Prof. f. Ästhetik, Uni Wuppertal Laudatio: Rochus Kowallek • Helmut A. Müller (Hospitalhof, Stuttgart) Laudatio: Prof. Dr. Eugen Drewermann, • Dr. Alexander U. Martens (ZDF-Aspekte)/Laudatio: Prof. Dr. Hilmar Hofmann • Jörg Krichbaum (Autor)/ Laudatio: Peter Iden (Feuilleton-Chef Frankfurter Rundschau) Die ATLANTIS-Kulturpreis-Stiftung besteht nach wie vor – ihre Umwandlung in eine MARIPOSA –Stiftung strebe ich seit ein paar Jahren an. Vorbereitende Gespräche mit dem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg fanden statt, die Statuten sind abgestimmt, - es fehlen bisher die Zu-Stifter – ich würde MARIPOSA selbst in die Stiftung einbringen!

Helga König:  Ein Jahr später begannen die Bauarbeiten für das Kulturprojekt MARIPOSA in Arona auf Teneriffa. Können Sie näher schildern, was dort konkret entstanden ist und zu welchen Zwecken man den Kunstpark seitdem nutzt? 

 Helga Müller
Galeristin
Helga Müller: Im Zusammenhang mit dem großen Medienrummel, den das Projekt ATLANTIS losgetreten hatte und unserer Teilnahme an der documenta IX, entschloss sich der SWR, Rudij Bergmann damit zu beauftragen, einen Film über unsere Arbeit als Galeristen und ATLANTIS-Projekt-Entwickler zu drehen. Das Team kam dazu auf die documenta, in unsere neuen Räumen in der Ostendstraße und – wollte auch auf Teneriffa filmen, wo es außer unserem, schon 1973 erworbenen Grundstück noch nichts zu sehen gab.

Eine aufgelassene Finca von 2.5 ha mit drei Palmen, vielen zerborstenen Natursteinmauern und ein paar Mauerresten ehemaliger bäuerlicher Gebäude. In Vorbereitung auf das Film-Team, das auch tatsächlich nach Teneriffa kam, begannen wir mit den ersten Bau-Maßnahmen in Form der Errichtung einer ersten Begrenzungsmauer entlang der Straße und der Erweiterung eines kleinen bestehenden Baus, in welchem bis dahin Geräte für den Ackerbau weggeschlossen worden waren. Ich ließ ihn zu einem kleinen Haus ausbauen, damit die ersten Künstler einen Ort hätten, wo sie wohnen könnten und kaufte ein paar Pflanzkübel mit subtropischen Gewächsen, damit die Kameras etwas zu filmen hätten. – Dies war der Stand, als der SWR kam. 

In dem Film "Mensch Müller, lass‘ die Welt doch untergeh‘n" war insofern auch kein einziger Schnitt, auf dem das heutige MARIPOSA zu sehen war… Am letzten Tag der documenta trafen wir in Kassel auf ein Künstlerpaar, das Straßenkunst machte – ich würde sagen eine Art "Pflastermalerei", aber so poetisch, dass mein Mann und ich die beiden ansprachen, um sie zu fragen, woher sie kämen und ob sie sich vorstellen könnten, gestalterisch an MARIPOSA mitzuwirken. Sie lebten, man höre und staune! auf Teneriffa… Der 1. bedeutsame "Zufall" in der Entstehungsgeschichte des Kulturparks MARIPOSA … 

Wir konnten sie gewinnen, ab dem 11. Januar 1993 ihre Arbeit bei uns aufzunehmen. Sie verwandelten das kleine Haus in ein Juwel – heute ist es das "Sternhaus" wegen seiner originellen Dachkonstruktion in Form eines Sterns. Sie schufen das "Belvedere" – den Aussichtspunkt auf MARIPOSA, der den weitesten und schönsten Blick über die Küsten des Südens erlaubt und auch von seiner Konstruktion her eine einzige Augenweide ist.

Ihre gestalterischen Ideen setzten Maßstäbe für die weitere Entwicklung des Geländes. Wir erkannten, dass dies – wollten wir die Menschen wirklich in ihrem Inneren erreichen – nicht mit unseren, in der bildenden Kunst erworbenen hohen Ansprüchen an Reduktion und Abstraktion – zu erreichen war, sondern mit einer Formensprache, die unabhängig wäre vom Bildungsstand der Besucher und Gäste. 

Für meinen Mann und mich war diese Erkenntnis ein "langer Weg" – er dauerte fast ein ganzes Jahr. Hans-Jürgen Müller, in der Kunstszene bekannt "wie ein bunter Hund", und unser Projekt waren in Künstlerkreisen damals ein wichtiges Gesprächsthema. 

Viele meldeten sich bei uns und fragten uns, ob sie dazu einen Beitrag leisten könnten, dürften. Wenn man weiß, was einen Künstler in seinem Werk ausmacht, vermag man auch, sich vorzustellen, ob er sich mit der eigenen Vision verbinden lässt oder nicht. Dies war das einzige Kriterium, das uns dann veranlasste, ihn einzuladen. Wir zahlten den Flug, die Unterbringung, die Verpflegung und die Materialien für die geplante Arbeit, nachdem wir uns hatten erzählen lassen, welche Ideen er realisieren wollte. Vielleicht illustriert es ein wenig, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich jedem Künstler bei seinem 1. Aufenthalt auf MARIPOSA ein ganz besonderes Buch in die Hand drückte: einen Bildband über die Katsura-Villa in Kyoto, den Palast der japanischen Kaiser aus dem 15./16. Jhdt. und Vorbild für die großen Architekten des Bauhaus. 

Ich bat sie, sich dieses Buch genau anzusehen, über die Insel zu fahren und sich die alte Bausubstanz auf Teneriffa "einzuverleiben", die Materialien der Insel, die Farben und die subtropische Vegetation. Dann erst – wenn sie alles zu einem "inneren Bild" würden verbunden haben, sollten sie sich "ihren Platz" innerhalb des Geländes suchen und "den Platz fragen, was der Platz will" – erst dann könne ein Werk entstehen, das sich mit dem Ort auch verbinde… 

So entstand – zunächst wie beim Legen eines 6000 Teile-Puzzles – eine Art "Flickenteppich" von gestalteten Plätzen, singulären Kunstwerken oder Kunsträumen. Über 80 Künstler aus aller Welt haben im Laufe der letzten 20 Jahre an MARIPOSA mitgewirkt. Die verbindenden Wege, Plätze, Gärten, Zonen des Spiels und der Kontemplation, all das waren weitgehend gestalterische Entscheidungen meines Mannes. Ich übernahm meist die Innengestaltung der Häuser und Jurten. Jedes Haus ist eine eigene, ganz besondere Welt, in der alles – bis zum Kaffeelöffel – bewusst ausgewählt worden ist. Mit jedem neuen Bereich, den wir angingen, wurde das Gelände "grösser"… 

Ich sagte ja schon, dass es außer drei Palmen und einem uralten Pfefferbaum keinerlei Bäume gab. Aber dafür waren weite Bereiche des Geländes übersät mit Kakteen und stacheligen anderen Pflanzen, die ein Begehen so gut wie unmöglich machten. Die beiden Stuttgarter Geodäten, die uns angeboten hatten, ehrenamtlich das Land zu vermessen, waren "Krankenhaus-reif"“ danach…

Zunächst war die Herausforderung, die zusammengestürzten Trockenmauern des nach Süden abfallenden Geländes wieder zu errichten. An die zwölf kanarische Arbeiter waren dazu notwendig. Wege gab es keine mehr, aber die Topographie des Geländes und die schrittweise "Eroberung" des Landes mit ästhetischen Mitteln, die Knochenarbeit des Rodens weiter Kakteenfelder und die Bewegung der Menschen auf dem Land zeigten uns, wo die Wege laufen sollten. So entstand nach und nach eine erste Infrastruktur. Die kreativen Eingriffe der Künstler waren die Bezugspunkte für die beginnende Gartengestaltung und das Pflanzen von Bäumen, Büschen und anderen subtropischen Pflanzen. 

Helga König:  Können Sie Näheres zu den Arbeiten der Künstler auf und über MARIPOSA berichten? 

Helga  Müller: Nachdem der Architekt aus Madrid und seine Lebensgefährtin, eine Grafik-Designerin vom Nie-der-Rhein, im Januar 1994 ihre Arbeit beendet hatten, haben zwei Ulmer Künstler auf MARIPOSA als "Dauer-Gestalter" Einzug gehalten. Sie gingen daran, den westlich des Belvedere gelegenen oberen Bereich zu formen. Die ein Jahr zuvor auf der obersten Terrasse gepflanzten Bäume waren schon am Wachsen und mein Mann entschied, die Fläche mit einem besonderen Paviment zu verschönern – weiße Blumen aus Marmor in Ornamenten aus Basaltsteinen und Steinplättchen, die linienförmig die Topographie des Weges optisch ins Bewusstsein heben. Wasser ist innerhalb der Rossbreiten in subtropischen Trockenzonen wie die im Südwesten von Teneriffa von zentraler Bedeutung. 

So entwickelte er gemeinsam mit den beiden jungen Künstlern – sie waren Ende 20 – die Idee, einen künstlichen Fluss anzulegen, dessen "Quelle" in Form einer Stahlskulptur in Herzform in der Werkstatt von Erich Hauser in Rottweil geschaffen worden war. Über drei Kaskaden fließt er nun in ein ovales Wasserbecken, um das sich sieben Sitzsteine gruppieren. Die Gäste nutzen es als kleinen Pool oder – wie bei den Mariposien® - als "Konferenztisch" völlig anderer Art. 

Ein nach Süden künstlich aufgeschütteter Hügel, bepflanzt mit Agaven, Tabaiben und Bougainvilleas, schafft eine konzentrierte, dichte Atmosphäre – das Wasser trägt die Stimmen zum Gegenüber. Ein Nachbar hatte mich auf die Finca seiner Vorfahren mitgenommen, wo ich zum ersten Mal eine „Sommerküche“ sah, also eine Küche und „Esszimmer“ im Freien. Bei Jahresdurchschnittstemperaturen um die 21° C und mit wenigen Regentagen im Jahr, eine wunderbare "Erfindung" – man möchte gern immer im Freien sein. Im Bereich des Wasserbeckens schien mir der richtige Platz zu sein, auch auf MARIPOSA diese kanarische Tradition zu übernehmen. So entwickelte ich mit den beiden Künstlern die Idee ihrer Gestaltung, fertigte Zeichnungen an und schließlich wurde sie Realität. Auch ein geschlossener Küchenraum wurde benötigt, Kühlschrank, Spülmaschine, Vorräte – auch eine Toilette war vorzusehen. Die Sommerküche wurde zum zentralen Begegnungsplatz für alle Gäste seither. 

Nach Süden pflanzten wir eine Hecke aus Rosmarin – und ein Feld ganz besonderer Wolfsmilchgewächse, die zu den Kakteen gezählt werden. Weiter und weiter ging es zu dem Bereich, der zum heutigen West-Eingang mit dem MARIPOSA –Tor führt. Ursula Stalder, eine Schweizer Künstlerin, die an den Stränden der Meere in aller Welt sammelt, was das Meer anspült, hatte uns mit ihren Arbeiten auf die Idee gebracht, zwei ihrer "Collagen" – Fundstücke aus Ägypten und Teneriffa in echten Museumskästen (die wir in Stuttgart hatten anfertigen lassen) – in einer „Kunst-Passage“ zu installieren, umrankt von Bougainvilleas. Robin Minard, Komponist elekt-ronischer Musik und Professor an der Musikhochschule in Weimar, fügte dem Schachplatz im Freien (ohne einen solchen ging es nicht bei meinem Mann) drei Klangtürme mit kleinen Laut-sprechern bei, deren zarte Klänge beim Spiel zum Horchen auffordern.

Die "Zuschauer" haben einen darüber liegenden Platz und eine Bank, von der aus sie die richtigen oder "falschen" Züge kommentieren können. Lassen Sie mich noch von einer Besonderheit sprechen, die einmalig ist: Im Zentrum des MARIPOSA–Geländes befindet sich ein Steinkreis mit einem Durchmesser von ca. 10 Metern, ein sog. "Tagoror". So nannten die Guanchen, die Ur-Einwohner der Kanaren, ihre "Thing-Plätze". Die Guanchen, wir würden sagen eine Steinzeit-Kultur, nutzten solche Plätze als die Orte, an denen die Menceys – die Könige und spirituellen Oberhäupter, von denen es zehn an der Zahl auf Teneriffa gab – um mit ihren Göttern in Kontakt zu treten. 

Ein deutscher Archäologe, der in der Gemarkung Arona-Túnez über die Guanchen und ihre Geschichte forschte, klärte uns über diesen Sachverhalt auf. Im Bewusstsein, dass hier ein spiritueller Platz war, gaben wir unser Idee auf, einen der Künstler mit einem Riesen-Mosaik zu beauftragen. Ulrike Arnold, eine Land-Art Künstlerin, die in Düsseldorf und Utah lebt und arbeitet, hat dann die Oberfläche des Platzes mit Erdfarben aus Inselgestein bemalt, ein riesiges "informelles" Bild. Dort – gleich unterhalb – haben zwei brasilianische Künstlerinnen ein "Recycling-Objekt" besonderer Art geschaffen. 

Gemeinsam mit unserem inzwischen fest angestellten Polier, der für die Technik zu sorgen hatte, entstand die "BAR 84" – mit einer richtigen Kühlanlage für Warsteiner-Bier. Alles geschaffen aus leeren Getränkedosen – Coca Cola – Fanta – Bier usw. Daneben – Richtung Westen und auf der großen Plaza, wo wir ca. 200 Leute bei Konzerten oder Vorträgen versammeln können – ein Feuerplatz für abendliche Runden und mit Grill – damit bei Festen auch der Gaumen nicht zu kurz kommt. Auf der Plaza haben die Künstler Thomas Stimm und Uta Weber einen Tanzplatz gestaltet, der Kölner Künstler Heinz-Josef Mess positionierte auf der Südseite einen Stein-Sessel, mit Blattgold belegt und Ort für das obligatorische Foto unserer VIP-Gäste. 

Ich könnte noch seitenlang von all den Kunstwerken und –plätzen erzählen, die in den 20 Jahren seit Baubeginn auf MARIPOSA geschaffen wurden. Vielleicht ein paar Highlights: in der Galeria M hat der Frankfurter Künstler und Philosoph Frank Schubert seine Installation "Monadologie" nach Leibniz mit an die 350 Muschel-Szenarien geschaffen. An der Außenwand hängt eine Neon-Arbeit von Joseph Kosuth, die schon auf der documenta IX unseren Pavillon "beschrieb": "Manifestation – not description". Zwei Stahlskulpturen von Erich Hauser – eine aus Anfang der 70er Jahre – die andere aus 2004 erinnern an die Zusammenarbeit mit der Galerie Müller im Stuttgart der 60er Jahre. Stefan Demary zeigt mit seinem Discobol, der nicht nur den Diskus, sondern gleich seinen ganzen Arm mit wegschleudert, den Missbrauch von Meisterwerken europäischer Hochkultur, die als Gips-Replikate die Theken beim Italiener um die Ecke schmücken… Oder der "Bienengarten" von Jeanette Zippel mit seinen drei Riesen-Skulpturen für Wild- und Honigbienen. Vera Röhm: sie hat mit ihrer Installation  "die Nacht ist der Schatten der Erde" eine weitere der beeindruckenden Arbeiten geschaffen mit ihren sechs schwarzen Metallkuben, die nachts leuchten. Oder Friedemann Grieshabers "Große Tragende" – eine ca. vier Meter hohe Beton-Skulptur in situ gegossen. 

"Stein für MARIPOSA" nennt Valery Koshliakov aus Moskau seine Eisen-Skulptur, die unverkennbar russische Kunstgeschichte reflektiert. Oder die sechs Steinkreise von Herman de Vries, Heimat für die vielen wundervollen Monarch-Schmetterlinge, die es nur auf Teneriffa und in Mexico gibt… 9. 2000 fand die erste Veranstaltung auf MARIPOSA statt. Das erste Mariposion® hatte "Macht und Einfluss – Synergien wagen" zum Thema.

Helga König:  Wer war damals vor Ort und zu welchen Ergebnissen gelangte man? 

 Helga Müller
Galeristin
Helga Müller: Aus meinem "Ersten Leben" – ich war viele Jahre in der Wirtschaft tätig – habe ich auch ein paar Jahre in Essen verbracht. Daher kannte ich das Stadt- und Landesprojekt "Essener Konsens", ein Zusammenschluss verschiedener bedeutender Industrieunternehmen in Essen, aber auch der Stadt Essen selbst und verschiedener ihrer Ämter. Entstanden aus der zwingenden Notwendigkeit, den Industrieraum Essen umstrukturieren zu müssen, da die Schwerindustrie mehr und mehr an Bedeutung verlor. Eingebunden war auch eine Institution, die den vielen Menschen, die ihre Stellung verloren hatten, durch Umschulungsangebote den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern soll – das BfZ – Berufsbildungszentrum Essen. Dessen Leiter, Norbert Meyer, hatte von MARIPOSA gehört und uns eingeladen, ihn einmal zu besuchen. Das Gebäude – ein Bau aus den frühen 60er Jahren mit viel Waschbeton und Glasbausteinen, dunkel und abweisend – aber praktisch – war ein Schock! Aber die Arbeit, die Norbert Meyer und sein Team dort leisteten beeindruckte uns sehr. Er wollte alles über MARIPOSA und unsere Zielsetzungen und Visionen wissen und war begeistert. Wir boten ihm an, seinen Verwaltungstrakt mit an die 60 Fotoarbeiten von MARIPOSA zu verschönern. 

So fing unsere Verbindung Mitte der 90er Jahre an. – Er kaufte dann als Weihnachtsgeschenk für die mit dem BfZ verbundenen Unternehmen unsere Publikationen und verschickte sie. Im 3. Jahr schließlich – 1999 – erfuhr ich (auf Kopie einer Rund-Mail gesetzt), dass er zu einem Mariposion® einlud – angesprochen waren ca. 80 Personen. Mir blieb das Herz stehen. Ich rief ihn sofort an und fragte ihn, was er sich dabei gedacht hatte – denn, wie sollten wir auch nur ein Drittel dieser Menschen auf MARIPOSA unterbringen – unsere Kapazität lag damals bei maximal zehn Personen… Darunter waren auch Vorstände von RWE, VEW, Ruhrkohle und hohe Beamte. Aber er beschwichtigte und sagte, da sagen sowieso nicht mehr zu… 

Schließlich ließ ich alles laufen und dachte, warten wir es ab. – Aber: meine Befürchtungen trafen zu – es waren 30 Zusagen eingegangen… Nun gibt es ja auf Teneriffa Hotels genug – aller Kategorien – aber meiner Meinung nach war der „Sinn der Übung“ ja nicht der, dass unsere Symposion-Teilnehmer außerhalb von MARIPOSA wohnen würden. Es blieb uns aber dann doch nichts anderes übrig als für viele der Gäste Hotelzimmer zu buchen. Es sollte unser 1. Mariposion® werden – sein Thema: Thema: “Macht und Einfluss – Synergien wagen” – und es ging insgesamt über ca. 16 Tage, wobei Anreise- und Abreisedaten und die Aufenthaltszeit unterschiedlich waren. Geleitet wurde es von Frau Dr. Mettler v. Meibom, Professorin an der Universität Essen, und Peter Helbig, einem Unterne hmensberater aus Essen und Freund von uns. 

Das angewandte "Verfahren": Open-Space-Technik. Teilnehmer waren u.a.:  Prof. Dr. Peter Brödner (Institut für Arbeit und Technik, Universität Essen),  Dr. Axel Bürger (Ministerium für Arbeit und Soziales NRW),  Marlis Drevermann (Kulturreferentin der Stadt Wuppertal),  Peter Helbig (Unternehmensberater Essen),  Prof. Dr. Barbara Mettler-v. Meibom (Universität Essen),  Norbert Meyer (Vorstandsvorsitzender des BfZ Essen),  Pfarrer Willi Overbeck (ev. Kirche Essen),  Dr. Wilhelm Potthast (Vorstandsassistent RWE),  Prof. Dr. Werner Springer (Universität Essen),  Dr. Kurt Weiß (SAP AG)  Dr. Irene Wiese-v. Ofen (Bau- und Planungsdezernentin NRW),  Dr. Horst Zierold (Stadtkämmerer Essen) Im Schwerpunkt ging es darum, wie verschieden gelagerte Interessen und Bedingtheiten bei gemeinsamer Zielsetzung aber individuellen Machtansprüchen und Bedürfnissen zu Synergien würden finden können. Wer je versucht hat, vor einem solchen Hintergrund zu positiven Ergebnissen zu kommen, weiß wovon ich spreche. (Beispiel: Klima-, Wirtschafts-Gipfel…) 

Rückblickend kann ich sagen: es war alles in allem ein voller Erfolg. Die ganz „wichtigen“ Verant-wortlichen – ich hatte es geahnt – wollten alle in einem 5-Sterne-Hotel untergebracht sein. Die Tatsache, dass ihnen zugemutet werden sollte, evtl. in Jurten zu nächtigen, trieb ihnen wahr-scheinlich den Schweiß auf die Stirn… Zum Frühstück kamen alle nach MARIPOSA - die vielen ver-schiedenen Plätze im Gelände und die Konferenzräume waren wie gemacht für das Open-Space-Modell, und die gemeinsamen Runden fanden in der mittlerweile leider nicht mehr existenten echten mongolischen Jurte statt, die dem Klima dort nicht Stand gehalten hat. Das abendliche Beisammensein aber – sei es in der Sommerküche oder unter dem uralten Pfefferbaum bei der Casa Dobermann – denke ich, war (wie auch später immer) wohl das wohl stärkste Gemeinschaft-stiftende Elixier… Interessant war, dass es keine drei Tage dauerte, bis die ersten VIP’s heimlich zu mir kamen und etwa folgendes zu mir sagten: …“der Sowieso reist doch am kommenden Montag ab. Meinen Sie, dass ich dann in seiner Jurte wohnen könnte?“… ich lachte mir heimlich eins ins Fäustchen und sorgte dafür, dass letztlich fast alle während ihres Aufenthalts ein paar Tage wenigstens bei uns auf dem Gelände wohnen konnten. 

Die Aufgabe war: für die 20 Millionen, die das Land NRW und die Stadt Essen für ein wegweisen-des Projekt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu geben bereit waren, ein Projekt zu entwickeln. – Das Projekt war dann: ein an das Gelände des BfZ angrenzendes Gebäude zu errichten, in dem jungen Start-Up-Unternehmern Berater aus allen möglichen Bereichen (von Unternehmen des Essener Konsens) kostenlos zur Verfügung gestellt würden. Das Projekt wurde ein paar Jahre später gebaut, und die Investition trägt seither Früchte. 

Helga König: An welche Mariposien® der Vergangenheit erinnern Sie sich besonders gern und weshalb?

Helga Müller:  Nun, natürlich an dieses allererste, das ich gerade versuchte zu beschreiben. - Im Jahr 2005 trat ein Stuttgarter Unternehmer an meinen Mann mit der Frage heran, er wolle ei-nen Musikpreis stiften – und ob meinem Mann dazu etwas Besonderes einfiele… Mein Mann erzählte mir anschließend davon, und ich sagte ihm, ob er eigentlich wisse, wie viele solcher Musikpreise es in Deutschland schon jetzt gebe… Wenn dieser Unternehmer also etwas Besonderes erreichen wolle mit der Auslobung, warum dann nicht auf einem ganz anderen Feld?

In all den Jahren unseres Bemühens, für MARIPOSA Partner zu finden, war uns klar geworden, dass die Gründe, warum dies so schwer geworden ist, vor allem in der mangelnden Vorstellungskraft unserer Zeitgenossen zu suchen ist. Vorstellungskraft und Phantasie sind eine Frage der Bildung. Wenn schon unsere eigene Generation nicht mehr darüber verfügt, dann – so wurde uns klar – was sollte dann aus der nachfolgenden Generation werden bei den Bildungskonzepten, die wir unseren Kindern schon seit Jahrzehnten zumuten? So schlug mein Mann dann vor, das vorgesehene Geld in ein Pilotprojekt zu investieren, in das 1. Jugend-Mariposion®, den 1. Baustein der MARIPOSA –Bildungsinitiative. 

Bei einer der vielen Präsentationen von MARIPOSA, die wir in der Galerie von Dany Keller in München machten, war mir einer der Besucher durch seine große Aufmerksamkeit aufgefallen, und ich sprach ihn an. Es war ein Dr. Joachim Rossbroich – Philosoph und Soziologe -, der für die Hypobank in München die sog. Kempfenhausener Gespräche wissenschaftlich leitete. Vom Prinzip her ein sehr ähnlicher Ansatz wie unserer: nämlich die besten Köpfe der Welt einzuladen, um über Lösungswege gesellschaftlicher Problemstellungen zu arbeiten. Nicht als "Vortragende" vor einem Publikum, sondern bestenfalls mit einigen Hörern aus der Bank selber. Die Ergebnisse wurden dann von Dr. Rossbroich zusammengefasst und als Drucksachen den Kunden der Bank kostenlos zur Verfügung gestellt. Es war "ihr" Beitrag zur Lösung soziopolitischer Aufgabenstellungen und "Dienst am Kunden". Mit der Fusion der Hypobank mit Vereinsbank schied der zuständige Vorstand aus dem Unternehmen aus und die Reihe wurde nicht fortgesetzt. 

Ich wusste also, dass ich ihn vielleicht würde für unsere eigene Bildungsinitiative gewinnen können und rief ihn an. Er erarbeitete ein Konzept zu einem zweiwöchiges Seminar für Oberstufenschüler. Das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Stuttgart wurde eingeladen, 8 – 10 Schüler auszuwählen, die sich um das Stipendium bewerben mussten und im November 2006 flogen alle nach Teneriffa. Dieses 1. Jugend-Mariposion® vergesse ich nie, denn auch wir wussten ja nicht, ob unsere These tragen würde, nämlich, dass die Schönheit dieses Ortes und die Kunst als Fragesteller tatsächlich eine solche Bedeutung hätten, wie wir sie all die Jahre in unserer Vision vorausgesetzt hatten. 

1990/91 geboren, sozialisiert also in diesen letzten 16/17 Jahren und aufgewachsen mit Pop und Computern, in einer rein ökonomisch orientierten Welt, permanenter Reizüberflutung und ohne wirkliche Erfahrung mit schönen Räumen und Kunst, veränderten sich in diesen zwei Wochen so spektakulär, dass wir unseren Förderer davon überzeugen konnten, sich auf fünf Jahre zu verpflichten, jährlich ein solches Mariposion® zu ermöglichen. Seither haben wir die Bildungsinitiative entscheidend weiterentwickelt. 

Die weiteren Bausteine sind seit 2010 die Lehrer-Mariposien® und die Akademischen Bildungs-Mariposien®, die seit 2011 jährlich stattgefunden haben und für 2015 erneut geplant sind. Die Helmut Nanz-, die Bosch- und die Alison + Peter Klein-Stiftung waren bisher Förderer des Projekts. Wir suchen für alle drei Zielgruppen weitere Förderer. Es wäre – vor allem für die Jugend-Mariposien® – wünschenswert, dass zunächst wenigstens einem Gymnasium aus jedem unserer Bundesländer die Möglichkeit geboten würde, an solch einer außergewöhnlichen Bildungsmaßnahme teilzunehmen. 

So ein Mariposion® kostet nicht mehr als eine ganzseitige Anzeige im Spiegel, über deren Werbewirksamkeit nur spekuliert werden kann. Die Wirksamkeit eines der Mariposien® ist nachprüfbar! 

Helga König: Hat die ursprüngliche Idee Zukunft und können Künstler und Querdenker jüngerer Generationen auch für die Idee begeistert werden, dass das Schöne an sich das Denken und kreative Tun beflügelt? 

 Helga Müller
Galeristin
Helga  Müller:  Da fragen Sie mich etwas! Künstler und Querdenker, das steht außer Frage, können nicht nur – sie sind begeistert von der Philosophie und den Zielsetzungen von MARIPOSA. Das Problem sind die Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Es ist für mich unbegreiflich, wieso nicht schon längst die "Vordenker" in den Unternehmen oder in der Politik erkannt haben, dass die Resultate, die man in Strategietagungen normalerweise erzielt, wenig Neues – vor allem Nachhaltiges – aufweisen. 

Die Mehrheit der Führungskräfte weiß nicht mehr um die Bedeutung "schöner Räume und der Kunst" für den Geist und das Entwickeln kreativer Ideen. Die wahrhaft katastrophale, asymptotische Entwicklung in die falsche Richtung seit 1984 haben selbst wir in dieser Dimension nicht vorhergesehen. 

Funktionale Räume schaffen funktionales Denken, das wir sicher für die Lösung praktischer Aufgaben brauchen. Kreative Ideen bringen sie nicht hervor! Sie sind überhaupt nicht geeignet, wenn es darum geht, neue Wege, neue Gedanken, neue Lösungen für welches Problem oder welche Zielsetzung auch immer! 

Einstein hat einmal gesagt, man kann Probleme nicht mit denselben Methoden lösen, die die Probleme verursacht haben! Alfred Herrhausen, dem ich 1985 im Frühjahr gemeinsam mit meinem Mann als erstem Mann aus der Wirtschaft unsere Vision vorgestellt habe und der uns ermutigte, dieses Projekt anzugehen und ihn auf dem laufenden zu halten, rief mich im Sommer 1989 an und bestellte mich nach Frankfurt in die Deutsche Bank, um mir mitzuteilen, dass er ATLANTIS-MARIPOSA zur Vorstandssache der Deutschen Bank machen werde! – Aus seinem Versprechen konnte nichts werden, man hat ihn ein paar Monate später ermordet. Bis heute weiß man übrigens nicht, wer diese grausame Tat verübte. – Er konnte so ein Projekt denken, und er sagte mir, dass sein Engagement dafür nicht rein philanthropischer Natur sei, denn so – Originalton: "Wissen Sie, warum ich mich zu diesem Schritt entschieden habe? Ich verkaufe etwas, das verkauft die Chase Manhattan ebenso wie die benachbarte Commerzbank, nämlich Geld! Wenn ich meine Klientel erweitern möchte, muss ich als Vorstand dieser Bank etwas für die Gesellschaft tun. Und ich halte Ihr Projekt für eines der chancenreichsten, für diese Gesellschaft und für ihr Wertesystem, das einer schleichenden Inflation unterworfen ist. Denn Schönheit und Kunst sind unschätzbare Stimulatoren für das individuelle Wertesystem. Ohne solche Werte wird diese Gesellschaft keine echte Zukunft haben!."

Ob die MARIPOSA–Idee Zukunft haben wird, liegt nicht an der Idee an sich – sie steht und fällt mit der Fähigkeit, die Bedeutung dieser Idee auch zu erkennen und den Ort zu nutzen. Neue Ideen brauchen Menschen, die sich auf Experimente einlassen – manchmal auch, sie finanzieren zu helfen. Die Finanzkrise im Jahr 2008 hat gezeigt, dass unsere Führungskräfte in Politik und Wirtschaft SEHR experimentierfreudig sind – wie ich meine aber bei irrigen Ideen… Wir werden alle dafür bezahlen müssen. Sie werden uns nicht weiterführen…

Liebe Frau Müller, ich danke Ihnen sehr für dieses aufschlussreiche Interview
Ihre Helga König