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Helga König im Gespräch mit Wolfgang Junglas über sein Buch "Der Wein-Graf- Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau- ein Porträt

Lieber Wolfgang Junglas, vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Der Wein-Graf- Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau- ein Porträt"- auf Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert. Deshalb möchte ich nun an Sie einige Fragen richten.


Helga König: Sie haben sich in Ihrem Buch ausgiebig mit der Geschichte der Familie Greiffenclau, sprich den Vorfahren des "Wein-Grafen" befasst. Was hat Sie diesbezüglich am meisten beeindruckt?

 Wolfgang Junglas
Foto: Torsten Zimmermann
Wolfgang Junglas: Die Geschichte der Familie der Greiffenclaus ist schon sehr bemerkenswert: Die Ursprünge gehen auf die Zeit Kaiser Karl des Großen zurück, es folgten eine lange Ahnenreihe bedeutender Persönlichkeiten: Graf Georg Friedrich von Greiffenclau war Kurfürst von Mainz, Graf Richard von Greiffenclau war von 1511 bis zu seinem Tode 1531 nicht nur Erzbischof von Trier sondern erster Politiker und Diplomat des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Bei der Wahl von Kaiser Karl V. spielte er die Hauptrolle. Er gilt als der letzte Erzbischof, der noch selbst zu Felde zog, als der letzte Ritter. Beklemmend fand ich allerdings das Graf Erwein die Familien-Historie eher als Bürde, denn als privilegierten Freiraum begriffen hat.  

 Helga König
Helga König: Welchen Eindruck haben Sie in den Innenräumen des Schlosses Vollrads gewonnen und was beeindruckt Sie an dem Anwesen des verstorbenen Grafen am nachhaltigsten? 

Wolfgang Junglas: Für mich gehört die Schlichtheit  der Anlage von Schloss Vollrads mit dem markanten Wohnraum zum Schönsten, was Deutschland an adligen Weingütern zu bieten hat. Das Schloss wirkt auch nicht pompös wie manche Herrensitze, sondern hat etwas ländlich-heimeliges. Vom Charakter her ist Vollrads mehr ein schlossartiges Hofgut denn ein Prunkschloss. 

Helga König: Wann haben Sie Graf Erwein persönlich kennengelernt und welchen ersten Eindruck hatten Sie von ihm? 

Wolfgang Junglas: Anfang der 80er Jahre habe ich ihn zum ersten Mal bei einem Interview in der ZDF Sendung "tele-illustrierte" getroffen: Sein elegantes aber gewinnendes und freundliches Wesen waren sehr angenehm. Er präsentierte damals eine Flasche Vollradser Riesling mit japanischem Etikett. So etwas kannte ich bis dahin noch nicht. Später habe ich dann Vorträge von ihm gehört im Marketing Club Mainz-Wiesbaden. Mit seinen klaren Aussagen zum Profil des Deutschen Weines hat er damals für einiges Aufsehen in der Branche gesorgt. 1995 habe ich mit ihm TV-Aufnahmen auf Schloss Vollrads gedreht: Mit kurzen Hosen und Strohhut posierte er auf einem Liegestuhl und warb für seinen Sommerwein. Er hatte durchaus Humor. 

Helga König: Graf Erwein Matuschka-Greiffenclau leitete in der 27. Generation das Familienweingut Schloss Vollrads. Wie würden Sie diesen Mann in wenigen Worten charakterisieren und welche seiner Charaktereigenschaften wurde ihm nach Ihrer Meinung zum Verhängnis? 

 Wolfgang Junglas
     Foto: Torsten Zimmermann
Wolfgang Junglas: Nach meinem Eindruck war er eine starke, in Teilen emotional gesteuerte Persönlichkeit, die andere Menschen führen und begeistern konnte. Zum Verhängnis wurde ihm eine gewisse Gutgläubigkeit und ein übersteigerter Ehrbegriff. 

Helga König: Welche Rolle spielte Elisabeth Schick im Leben Graf Erweins? 

Wolfgang Junglas: Laut ihren eigenen Erzählungen und nach dem Eindruck weiterer Zeitzeugen war sie eine gut organisierte, dynamische Person, die besonders in den ersten Jahren, nachdem Graf Erwein die Geschäftsführung übernommen hatte, dem Grafen eine wichtige Stütze war. 

Helga König: In den 1980er Jahren hat Graf Erwein Matuschka-Greiffenclau gemeinsam mit den Winzern Michael Graf Adelmann, Carl von Schubert und Armin Diel einen Weg gefunden, Deutschen Spitzenweinen einen Platz in der gehobenen Gastronomie zu verschaffen. Was gibt es dazu zu sagen?

Wolfgang Junglas: In den 80er Jahren befand sich der deutsche Wein in einer tiefen Strukturkrise: Die neugezüchteten Rebsorten wurden von den Weintrinkern nicht mehr geschätzt, es wurden Übermengen von zweifelhafter Qualität produziert – zudem verunsicherte der Glykolskandal die Verbraucher. In der gehobenen Gastronomie waren deutsche Weine so gut wie gar nicht vertreten. Die vier genannten Winzer tourten als sogenannte "Vierer-Bande" durch die deutschen Sterne Restaurants und demonstrierten mit ihren Spitzengewächsen das deutsche Weine durchaus mit der "Nouvelle Cuisine" harmonierten. 

 Helga König
Helga König: Welche Rolle spielte Graf Erwein Matuschka-Greiffenclau im VDP? 

Wolfgang Junglas: Von 1978 bis 1990 war Graf Erwein Präsident des VDP. "Er hat uns den Funken des Glaubens an uns gegeben" würdigt ihn sein Nachfolger Michael Prinz zu Salm-Salm. Unerschrocken kämpfte Matuschka-Greiffenclau für eine klare Herkunftsbezeichnung, hohe Qualitätsstandards und die Eigenständigkeit der VDP Betriebe. Ich finde, er hat dem VDP Adler das Fliegen beigebracht. 

Helga König: Das "Graue Haus" im Rheingau gilt als das älteste Steinhaus Deutschlands. Wurden Versuche unternommen, dass dieses Anwesen des Grafen vom Land Hessen gekauft und als Gastronomiebetrieb hätte weitergeführt werden können, anlog zum Brentanohaus? 

 Wolfgang Junglas
Foto: Torsten Zimmermann
Wolfgang Junglas: Nach dem Freitod von Graf Erwein fiel das "Graue Haus" an den Frankfurter Unternehmer Ernst Ludwig Schulz, auf den schon eine Grundschuld eingetragen war. Meines Wissens nach gab es keine Versuche von Seiten des Landes Hessen das historische Gebäude zu kaufen. Es ist übrigens nicht so das, dass Brentanohaus vom Land Hessen und der Stadt Oestrich-Winkel gekauft wurde, um einen Restaurantbetrieb zu führen: Das Brentanohaus wird als Museumsgebäude erhalten, die Pachteinnahmen aus der Gastronomie tragen zum Unterhalt bei.

Helga König: Hatte Graf Erwein Matuschka-Greiffenclau Neider, die ihm gezielt Steine in den Weg legten oder gab es gar Feindschaften? 

Wolfgang Junglas: Darüber gibt es Spekulationen, z.B. im Umfeld des Re-Imports von günstigen Vollrads Weinen in den 90ger Jahren. Bei meinen Recherchen habe ich keine verwertbaren Anhaltspunkte für Feindschaften gefunden. Ich habe den Eindruck, dass er allgemein geschätzt wurde und ihm niemand nachhaltig schaden wollte. Vielleicht wurde er manchmal ausgenutzt. 

Helga König: War der Suizid des Grafen Ihrer Meinung nach eine Kurzschlusshandlung? 

Wolfgang Junglas: Schwer zu sagen. Vieles deutet daraufhin, dass der Suizid für ihn schon länger eine Option war. Manche Zeitzeugen meinten, der Freitod habe sie nicht überrascht. Bemerkungen von ihm wie "Nur über meine Leiche" bekomme man das Schloss gab es ihm Vorfeld – aber viele glaubten nicht, das er sich wirklich umbringen würde. 

Helga König: Was hätte Graf Erwein Matuschka-Greiffenclau retten können, ohne sein Gesicht zu verlieren? 

Wolfgang Junglas: Gemeinsam mit Graf Erwein suchte die Naspa über Jahre hinweg geeignete Investoren oder Käufer. Es gab mehrere seriöse Interessenten, die ihm eine Gesichtswahrung und einen begrenzten Einfluss auf die Geschäftsführung erlaubt hätten. Leider waren diese Angebote keine Option für Matuschka-Greiffenclau. Eine Einschränkung seiner Handlungsfreiheit auf Schloss Vollrads wollte er nicht hinnehmen. 

Helga König: Wer hatte den größten Nutzen am Ableben Graf Erwein Matuschka-Greiffenclaus? 

 Wolfgang Junglas
Foto: Torsten Zimmerman
Wolfgang Junglas:  Die Frage klingt so als ob nach einem Motiv, einem Nutznießer gesucht würde. Die Wahrheit ist: Keiner hatte einen Nutzen am Tod von Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau – es gab nur Verlierer. Niemand wollte seinen Tod, niemand hat davon profitiert. Die Familie, die Mitarbeiter, die Region, die Weinbranche – alle haben einen schrecklichen, unnötigen Verlust erfahren. Die Hinterbliebenen in allen Bereichen sind heute noch damit beschäftigt die Verletzungen aufzuarbeiten. Jetzt, nach 20 Jahren, scheint zumindest Ruhe und eine gewisse Stabilität eingekehrt zu sein.

Lieber Wolfgang Junglas, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König

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