Dieses Blog durchsuchen

Helga König im Gespräch mit Andrea Wirsching, VDP- Weingut Hans Wirsching- über die Preisverleihung an die Initiative "Twin Wineries"

Liebe Andrea Wirsching, am Donnerstag, den 19. Oktober 2017 wird die Initiative "Twin Wineries" seitens "Weinfeder e.V." mit dem "Preis der Deutschen Weinkritik" ausgezeichnet. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen:

Helga König: Worum geht es in dieser Initiative konkret? 

 Andrea Wirsching
 Foto: Helga König
Andrea Wirsching: Bei den "Twin Wineries" bringt der Wein Deutsche und Israelis zusammen. Renée Salzmann, eine Israelin, die in Deutschland aufgewachsen ist, hat diese Initiative gegründet. Jeweils ein israelisches und ein deutsches Weingut bilden ein TWIN, ein Zwillingspaar, das sich verspricht, in einen partnerschaftlichen Austausch miteinander zu treten und eine Freundschaft zu pflegen. Alle TWINs präsentieren dann in regelmäßigen Abständen gemeinsam ihre Weine in Israel und in Deutschland, um diese Idee auch in die Begegnung von Weinerzeugern und Weingenießern zu tragen. Die Präsentationen sind immer sehr gefragt, weil es sich bei den Weingütern um renommierte Betriebe handelt.

 Helga König
Helga König: Das Weingut Hans Wirsching gehört zu den 18 deutschen Weingütern der Initiative "Twin Wineries". Können Sie uns darüber berichten, seit wann sich das Haus Wirsching in "Twin Wineries" engagiert und wie es dazu kam?

Andrea Wirsching: 2009 hatte ich Renée Salzmann auf einer Israel-Reise kennengelernt, die sie für #VINISSIMA, ein deutsches Weinfrauen-Netzwerk organisiert hatte. Sie erzählte uns von Ihrer Initiative und die Idee ließ mich nicht mehr los. Als Historikerin hatte ich mich intensiv mit der jüdischen Geschichte auseinandergesetzt und als Christin liegt mir viel an Versöhnung und Begegnung. Nach meiner Rückkehr nach Iphofen konnte ich das Projekt angehen, weil meine Familie und das Führungsteam im Weingut dieses Engagement unterstützen. 2014 setzte ich mich mit Renée in Verbindung, 2015 durfte ich die TWINS bei ihrer Reise durch Israel begleiten und 2016 hatten wir unseren eigenen TWIN. Inzwischen haben wir sogar einen eigenen kosheren Silvaner hergestellt.

Helga König: Mit welchem israelischen Weingut haben Sie eine Partnerschaft und wie gestaltet sich diese?

 Andrea Wisching
Foto: Helga König
Andrea Wirsching: Unser TWIN ist Kishor Winery. Es liegt im Bergland von West-Galiläa und man kann von dort aus in weiter Ferne das Mittelmeer sehen. Kishorit ist ein Kibbuz, in dem geistig Behinderte mitarbeiten, die dort positiv "with special needs but also special abilities" bezeichnet werden. Dort herrscht eine Fröhlichkeit, die mich immer sehr berührt. Für ihren Wein sind sie berühmt, aber sie betreiben auch eine Bäckerei, eine Hundezucht (Riesen-Schnauzer), eine Gärtnerei und einen Reitstall für therapeutisches Reiten. Richard Davis, ein Oenologe, der ursprünglich aus Südafrika kam, führt den Betrieb mit Ruhe und Umsicht und einem großen Gespür für Mensch und Umwelt. Es ist eine große Bereicherung, die Menschen und den Ort zu erleben und ich war inzwischen 2 Mal dort. Richard will 2018 zu uns kommen. Langfristig wollen wir Praktikanten austauschen. 

 Helga König
Helga König: In Romana Echenspergers Buch "Von wegen leicht und lieblich" habe ich in dem Interview, das sie mit Ihnen geführt hat, gelesen, dass Ihr schönstes Erlebnis in der Weinwelt, Ihre Weinreise nach Israel gewesen sei. Was möchten Sie den Lesern von "Buch, Kultur und Lifestyle" darüber berichten? 

Andrea Wirsching: Meine erste Reise 2009 war eine Initialzündung. Da habe ich mich in dieses Land und seine Menschen verliebt. Israel ist so klein, in 1,5 Stunden haben Sie es von West nach Ost durchquert. Mit intelligenter Technik haben die Israelis es geschafft, so viel Wasser zu produzieren, dass das ganze Land grün, fruchtbar und wunderschön ist. Sonnenenergie für die Entsalzung ist ja reichlich vorhanden. Ich habe in Israel viele sehr sympathische Menschen getroffen, die meisten davon sogenannte "säkulare" Juden, die leben wie du und ich. Tel Aviv ist eine pulsierende Stadt mit einem westlichen Lebensstil. Dort fühle ich mich wie in einer mediterranen Variante einer westlichen Metropole. Unter der Oberfläche ist aber immer eine Spannung zu spüren, der Konflikt der fundamentalistischen Gruppen, die es in allen drei Weltreligionen gibt. Das gilt natürlich besonders für Jerusalem, das Juden, Christen und Moslems als religiöses Zentrum beanspruchen. Bei den Begegnungen in den Weingütern spielt das gar keine Rolle. Da ist zwar ein Rabbiner zu sehen, der die Weinproduktion nach den Vorgaben der Oenologen durchführt, damit der Wein kosher ist, aber das ist ein harmonisches Miteinander. Als Frau darf ich ihm nicht die Hand schütteln, aber das ist egal, so lange ich den Wein trinken darf.

Helga König: Was ist das Besondere an den Weinen Ihres Twinpartners und gibt es in der Philosophie des Weinmachens Ihres Twinpartners Ähnlichkeiten mit der Philosophie des Weinmachens im Weingut Hans Wirsching“? 

 Andrea Wirsching
Foto: Helga König
Andrea Wirsching: Ich denke, die Gemeinsamkeit mit unserem TWIN ist die Qualität. Als wir zusammen durch die Weinberge liefen, waren wir uns in vielen Dingen einig. Wir haben sogar festgestellt, dass wir die Barrique-Fässer des gleichen französischen Herstellers kaufen. Die Weine von Kishor sind geprägt durch das Klima des Berglandes. Die Weinberge liegen 500 – 600 m hoch und nachts kühlt feuchte Luft vom Mittelmeer die Reben ab. Dadurch haben die Weine ein sehr feines Aroma. In Verbindung mit der Kraft, die sie durch die hohe Sonneneinstrahlung bekommen, gibt das ganz große Qualität. Auch hier hat man die Tradition von Baron de Rothschild übernommen, der Mitte des 19. Jahrhunderts den israelischen Weinbau mit Rebsorten aus Bordeaux wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc wieder aufbaute. Auch Syrah, Sauvignon Blanc und Riesling gedeihen in dieser Höhe. Mein Lieblingswein von Kishor ist der Viognier. Er hat richtig "Power", eine Aromatik, die an Pfirsich, Orangenblüte und Ingwer erinnert und eine lebendige Säurestruktur. Wir haben diesen Wein mehrmals bei uns in Iphofen ausgeschenkt und alle Kunden haben es sehr bedauert, dass sie ihn nicht kaufen konnten. 

Helga König: Was können die israelischen und deutschen Weinmacher voneinander lernen? 

 Andrea Wirsching (links) mit israelischen Freunden
Foto: Helga König
Andrea Wirsching: Wir Deutsche können Gelassenheit lernen. Das habe ich jedenfalls immer empfunden, wenn ich dort war. Ich glaube, in einem Land, in dem man von Feinden umgeben ist und immer mit einem Raketenangriff rechnen muss, hat man andere Prioritäten. Das Zweite ist die Offenheit für Alles, was der Qualität guttut. Die Oenologen der erfolgreichen israelischen Weingüter haben ihr Wissen von den besten Winzern der Welt. Sie haben im Ausland studiert und sind in ständigem Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus allen wichtigen Weinbauländern. Viele Erkenntnisse wurden neu durchdacht und den Anforderungen des eigenen Weinbergs angepasst. Die Technik der Tröpfchenbewässerung, die in Israel entwickelt wurde, wird im Zuge des Klimawandels für uns immer wichtiger und auch da lernen wir viel. Die israelischen Weingüter ihrerseits sind sehr interessiert am Anbau von Weißweinen und an der Vermarktung. Ihr Haupt-Markt sind neben Israel die USA, aber da immer mehr Wein in Israel produziert wird, müssen sie ihre Vermarktungsaktivitäten ausdehnen. Und sie wollen von uns lernen, wie man einen erfolgreichen Weintourismus aufbaut.

Helga König: Was wäre Ihr Zukunftswunsch für die Initiative "Twin Wineries" und was müsste real geschehen, damit dieser Wirklichkeit werden könnte?

 Andrea Wirsching
Foto: Helga König
Andrea Wirsching: Die "Twin Wineries" sind mit ihrem freundschaftlichen Austausch eine große Bereicherung für die Winzer selbst, aber auch für das deutsch-israelische Verhältnis. Damit das kommuniziert werden kann, brauchen wir eine Politik, die offen und ohne Vorurteile ist. Ich erlebe in der letzten Zeit eine wachsende Zurückhaltung der deutschen Öffentlichkeit. Das liegt zum einen an der Siedlungspolitik in Israel, die durch rechte und orthodoxe Gruppierungen vorangetrieben wird und ein völkerrechtliches Unrecht darstellt. Meine israelischen Freunde und die meisten säkularen Juden lehnen diese Politik übrigens ab. Zum anderen liegt es daran, dass der Holocaust immer weiter zurückliegt und schlummernder Antisemitismus allmählich wieder an die Oberfläche kommt. Leider wird nur wenig darüber gesprochen, dass Israel das einzige Land im Nahen Osten ist, welches die westlichen Werte lebt und verteidigt. Ganz abgesehen davon, dass es über seine Innovations- und Wirtschaftskraft in der Lage wäre, das Leben der Menschen in dieser Region deutlich zu verbessern. Die Twin Wineries leben Normalität und Loyalität und können durch die Begegnungen Vorurteile abbauen. Das müsste noch viel öfter passieren.

Liebe Andrea Wirsching, ich danke Ihnen vielmals für das aufschlussreiche Interview.

Herzlich
Ihre Helga König

Link zum Weingut Hans Wirsching: www.wirsching.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen