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Helga König im Gespräch mit Kai Diekmann

Sehr geehrter Herr Diekmann, vor geraumer Zeit habe ich das von Ihnen herausgegebene Buch  „Die Mauer – Fakten. Bilder. Schicksale“ rezensiert. Hierzu möchte ich Ihnen einige Fragen stellen.

Helga König: Wie beurteilen Sie den Volksaufstand von 1953 in der ehemaligen DDR?

 Kai Diekmann
Kai Diekmann: Der Volksaufstand des Jahres 1953 war letztendlich das Aufbegehren weiter Bevölkerungsteile gegen den forcierten Repressionsapparat des Regimes. Hinzukam die schlechte Versorgungslage in der DDR, während sich die Verhältnisse in der Bundesrepublik zunehmend verbesserten.

Helga König:  Sind Sie der Meinung, dass der konjunkturelle Aufschwung in Westdeutschland tatsächlich der Hauptgrund dafür war, dass 2 Millionen Menschen das Land verlassen haben, so wie der SED-Chef Ulbricht es einst dem sowjetischen Generalsekretär Nikita Chruschtschow verkaufen wollte, oder vermuten Sie eher, dass viele dieser Menschen die ideologische Gängelung nicht länger ausgehalten haben?

Kai Diekmann: Sicherlich spielte die bessere wirtschaftliche Situation im Westen auch eine Rolle. Ich denke aber, dass die Masse derer, die die DDR verließen, der Diktatur entkommen und ihre Leben in Freiheit und in einem Rechtsstaat selbst in die Hand nehmen wollten.

Helga König: Wie konnte es sein, dass der Westen ahnungslos war, was im Sommer 1961 in der so genannten DDR vor sich ging, wie kam es, dass man von den Geschehnissen des 13.8.1961 geradezu überrascht wurde?

Kai Diekmann: Das würde ich auch gerne wissen!

Helga König: In Ihrem Buch wird deutlich, dass die Bevölkerung nach dem Mauerbau in einem großen Kerker lebte, eine Meinung, die ich teile. Weshalb wurde im Westen jahrzehntelang diese Tatsache relativiert?

Kai Diekmann: Ich denke nicht, dass das Jahrzehnte lang ignoriert worden ist. Axel Springer hat sich Zeit seines Lebens für die deutsche Wiedervereinigung eingesetzt. Die DDR wurde in seinen Zeitungen beispielsweise nur in Anführungsstrichen genannt. Erst im Zuge der sozial-liberalen Entspannungspolitik wurde manches von der westdeutschen Linken schöngeredet beziehungsweise relativiert, was die DDR betraf.

Helga König:Wie werten Sie die Repressionen, die die Menschen in Ostdeutschland über Jahre auszuhalten hatten?

Kai Diekmann: Die DDR war kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat, in dem sogar die Menschenrechte mit Füßen getreten wurden. Denken Sie doch nur einmal an das barbarische Grenzregime samt Schießbefehl.

Helga König: Kann man guten Gewissens den untergegangenen SED-Staat als „Deutsche Demokratische Republik“ bezeichnen oder sollte man als bekennender Demokrat nicht doch besser von der „Ostzone“ sprechen, wenn es beispielsweise um die schriftliche Darstellung der Aufarbeitung des begangenen Unrechtes geht?

Kai Diekmann: Der zweite deutsche Staat hieß nun einmal Deutsche Demokratische Republik oder kurz DDR. Ostzone wäre sachlich falsch, denn mit der Gründung beider deutscher Staaten im Jahr 1949 gab es keine Zonen mehr in Deutschland. Richtig war es, DDR in Anführungszeichen zu setzen, denn die DDR war ja alles andere als eine demokratische Republik, wie wir das bei Axel Springer das über Jahrzehnte getan haben.

Helga König: Wäre es nicht sinnvoll, ein Buch herauszugeben, in dem die politischen Gefangenen des SED- Regimes zu Wort kommen?

Kai Diekmann: Natürlich wäre es sinnvoll auch für eine breitere Öffentlichkeit ein Buch herauszugeben, in dem ehemalige politische Häftlinge aus der DDR zu Wort kommen. Ich danke Ihnen für die Anregung!

Helga König: Wurde in Bautzen gefoltert?

Kai Diekmann: Offiziell natürlich nicht. Aber es ist von zahlreichen Übergriffen gegenüber politischen Häftlingen berichtet worden.

Helga König: Wurden Fluchthelfer von Springer in ihrem Tun unterstützt?

Kai Diekmann: Ja! Es ist sogar ein Tunnel quasi vom Verlagsgelände in den Ostsektor gegraben worden! Unterlagen über die Unterstützung von Fluchten durch den Verleger gibt es allerdings nicht. Anders ist dies beim Freikauf von politischen Häftlingen. Unlängst tauchten Papiere auf, denen zufolge Axel-Springer diesen auf den Weg gebracht hat.


Helga König:  Haben Sie persönlich mit höheren Stasileuten nach der Wende gesprochen und wenn ja, haben Sie den Eindruck, dass im Laufe der letzten 20 Jahre löbliche Erkenntnisprozesse bei diesen Leuten abliefen?

Kai Diekmann: Ja, ich habe gleich nach der Wende mit einigen höheren Stasi-Dienstgraden gesprochen. Und manchmal denke ich heute – mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR -, diese Leute haben nichts dazugelernt. Letztendlich wird man jedoch keine pauschalen Aussagen dazu machen können.

Helga König: Sollten Parteien, die sich als Nachfolgeparteien der SED bezeichnen in unserem Land per se verboten werden?

Kai Diekmann: Ich halte nichts von Partei-Verboten. Es führt nicht weiter, wenn man diese Leute in den Untergrund drängt. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass die argumentative Auseinandersetzung mit der Linken erforderlich ist.

Lieber Herr Diekmann, ich danke Ihnen für das erhellende Interview.
Ihre Helga König
Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Kai Diekmann- Der Fotograf ist mir nicht bekannt.
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