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Helga König im Gespräch mit Paul Grote.

Sehr geehrter Herr Grote, vor geraumer Zeit habe ich Ihren neuen Kriminalroman "Ein Riesling zum Abschied" rezensiert. Hierzu möchte ich Ihnen einige Fragen stellen:

Helga König: Sie erklären im Anhang zu Ihrem Kriminalroman "Ein Riesling zum Abschied" in der Danksagung, wie Sie bei der Recherche zu Ihren Büchern jeweils vorgehen, doch erklären Sie bitte einmal, weshalb Sie die Thematik um den Wein und das jeweilige Herkunftsgebiet ausgesucht haben?

Paul Grote: Bild thomas räse
Paul Grote: Jedes Weinbaugebiet hat bestimmte Charakteristika, sowohl geographisch wie historisch, soziologisch und weinbautechnisch. In Rioja beispielsweis stehen sich 240 Kellereien und 18.000 Weinbauern gegenüber. In diesem Spannungsfeld bewegt sich „Rioja für den Matador“. Der Rheingau ist die deutsche Wiege des Riesling – und dort liegt auch die wichtigste Hochschule zur Ausbildung deutscher Önologen, deshalb spielt „Ein Riesling zum Abschied“ dort.

Helga König:  Sie haben die Fachhochschule Geisenheim und die von Ihnen besuchten Winzer reagiert, als sie mit der Idee kamen, alle in einen Kriminalroman einzubinden?

Paul Grote: Der Dekan der FH Geisenheim ist Fan meiner Romane, und wenn meine Bücher bekannt sind, stehen alle Türen offen. Sind sie unbekannt, hat man Angst, mit Verbrechen und Mord in Verbindung gebracht zu werden. Der Toskanische Weinbauverband sagte zu Beginn meiner Recherche: „Wir wollen nicht ermordet werden – und wir wollen auch nicht die Bösen sein.“

Den Rheingau habe ich mehrmals besucht, die konkrete Recherche zum Roman dauerte einen Monat. Vormittags habe ich die Hörsäle aufgesucht, nachmittags und abends die Winzer.

Helga König: Der Rheingau eignet sich ja vorzüglich als Aufenthaltsort für ausgiebige Recherchen. Wie lange haben Sie Ihren Aufenthalt in diesem gesegneten Landstrich gestaltet?

Paul Grote: Mein Quartier war eine ziemlich schreckliche Ferienwohnung, die auch an kurzzeitig studierende vermietet wird und keinesfalls zu empfehlen ist. Es ist besser, Sie kennen die Adresse nicht. Dafür war das Quartier in diesem Jahr im Kaiserstuhl die perfekte Entschädigung.

Helga König:  Wein ist bestimmt ein Sie sehr einnehmendes Thema, erzählen Sie doch bitte einmal, seit wann und wie Sie solche profunden Kenntnisse von diesem edlen Stoff gewonnen haben?

Paul Grote: Von 1983 bis 1998 war ich in Südamerika als freier Journalist tätig. 1994 lebte ich in Brasilien und wurde zu einer Weinreise nach Argentinien eingeladen, um darüber zu schreiben. Meine Reisebegleiter waren Weinfachleute, die mein Interesse für den „Stoff“ geweckt und mich fit gemacht haben, es war sozusagen ein Crashkurs vor Ort. Wein trinke ich seit dem Studium, und als Koch der WG war ich immer für die Getränke zuständig. Ende der Neunziger Jahre habe ich für eine Firma Weine in den Mittelmeerländern ausgesucht und so Kontakte, Wissen und Geschmack gewonnen. Ich besuche Kongresse, internat. Messen, Winzer, Verkostungen und Fortbildungen.

 Helga König: Überleitend auf Ihre Kriminalromane kommen wir zur Frage, wieso schreiben Sie eigentlich Kriminalromane und nicht etwa Weinbücher?

Paul Grote: Es gibt viele schöne Weinbücher mit wunderbaren Fotos. Die werden verschenkt, von hinten nach vorne mit dem Daumen durchgezogen und dann ins Regal gestellt. Meine Weinromane werden gekauft, auch verschenkt, von vorne bis hinten gelesen - Menschen lieben nun mal Geschichten – und dann ausgeliehen.

Helga König: Ihre bereits erschienen Kriminalromane stehen, was die Protagonisten anbelangt in einem fortlaufenden Zusammenhang. Was hat Sie bewogen ein solches Konzept zu entwickeln?

Paul Grote: Die Menschen, die uns umgeben, stehen mit uns und anderen in Zusammenhang. Ich lerne Menschen durch andere kennen und die wieder andere durch mich. In der Weinwelt ist dieser Prozess sehr ausgeprägt. Mehrere Protagonisten sind interessanter für den Autor, verlangen mehr von ihm an Vorstellung und Beobachtung, bieten aber auch mehr Möglichkeiten, als es ein Serienheld täte. With a little help from your friends kommt man im Leben weiter. Ohne meine Freunde wäre ich nichts, die Familie hingegen ist ein zweischneidiges Schwert. Und der Polizei wie auch den Staaten gegenüber empfinde ich ein tiefes Misstrauen.

Helga König: Gibt es eigentlich auch Situationen, in denen Personen in Ihren Büchern nicht erwähnt werden wollten und aus welchen Gründen vielleicht?

Paul Grote: Selbstverständlich gibt es Informanten, die nicht genannt sein wollen. Der Roman gibt mir die Möglichkeit die Wahrheit zu sagen und es als Fiktion hinzustellen. Da es in der Weinwelt auch um viel Geld geht, ist es sinnvoll, sich starke Gegner/Unternehmen (und deren Anwälte) vom Leib zu halten.


Helga König: Sie konzipieren Ihre Stoffe immer sehr realitätsbezogen, sei es im Hinblick auf Landschaften, Orte, Weingüter oder Winzer. Dies engt Ihre Fantasie diesbezüglich naturgemäß sehr stark ein, fällt es dadurch schwerer die Kriminalgeschichte auf diese realen Vorgaben aufzupfropfen?

Paul Grote: Hätte ich den Eindruck, etwas aufzupropfen, täte ich es nicht. Es muss „passen“, sich fügen, es muss sich schreiben lassen. Zuerst ist da ein Thema (z.B. Fondsbetrug, Maddof und Konsorten), die Landschaft muss passen (Geld und Champagner prickelt schön), die Menschen muss man allerdings entdecken. Das alles macht es leichter und auch schwerer. Autoren, die vom Journalismus kommen, orientieren sich an der Wirklichkeit. Autoren, die von der Literaturwissenschaft herkommen, orientieren sich an ihren Vorstellungen und der Literatur – ganz allgemein gesagt.

Helga König: Zuletzt eine ganz konkrete Frage: Wird es einen Krimi geben, der im argentinischen Mendoza angesiedelt ist?

Paul Grote: Den Roman über Mendoza/Argentinien hat der Spanier Manuel Vázques Montalban geschrieben und mir damit sozusagen mein Thema weggenommen (Quintett in Buenos Aires, Piper), und er hat es hervorragend gemacht - Chapeau.

Lieber Herr Grote, ich danke Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König

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