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Helga König im Gespräch mit Andrea Engen

Sehr geehrte Frau Engen, vor geraumer Zeit habe ich Ihren wundervollen Gedichtsband  rezensiert. Zu diesem Buch möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Ihr Gedichtsband trägt den Titel "Nur nicht fühlen jetzt". Was ist, wenn man nicht fühlt, in welchem Zustand befindet man sich dann?

Andrea Engen
Andrea Engen: Ich glaube nicht, das ich nicht gefühlt habe oder man sein Fühlen steuern kann. Es ist schwer. Das ist auch gut so. Aber man kann noch ein wenig aufschieben, hinauszögern - mogeln. Man kann sich ohne Ende etwas vormachen. Wenn man meint nicht zu fühlen, fühlt sich alles leerer an. Hohl.  Hallig.


Helga König: Sie lassen Ihren Gedichtsband mit einer fragenden, nein, letztlich mit einer feststellenden Sentenz von Tucholsky beginnen: "Muss denn immer gleich von Liebe die Rede sein?- Ja." Teilen Sie Tucholskys Ansicht und wenn ja, weshalb?

Andrea Engen: Ich teile diesen Satz schon so lange ... Mich berührt diese Leichtfertigkeit mit der er das Leben bejaht, mit der er Ja zur Liebe sagt. Zum Leben. Zum Genuss. Sich nicht viel denken, lieben.


Helga König: Ändert sich die Gefühlsintensität ab einem bestimmten Alter, wenn man neu verliebt ist und wenn ja weshalb?

Andrea Engen: Ich habe es so empfunden. Man ist entspannter, geduldiger. Interessiert sich für den anderen und hat mehr Kraft. Ist frecher. Mutiger. Es ist freier!


Helga König: Ist es dann, wenn man nicht mehr ganz so jung ist, einfacher oder eher schwerer ein Liebesgedicht zu schreiben?

Andrea Engen: Keine Ahnung, das ist unterschiedlich. Ja, nein. Das Schöne im jungen Alter: die Spontanität. Im älteren Alter: die Gelassenheit, die Neugierde.


Helga König
Helga König: Ihr Gedicht "Schade" gefällt mir besonders gut und zwar, weil es durch seine Akzeptanz im Hinblick auf die "zerlebte" Beziehung besticht. Setzt ein solches Gedicht voraus, dass man mit seinem Herzen schon ganz weit weg von dieser vormals guten Beziehung ist?

Andrea Engen: Weit weg ist nicht notwendig, man muss es klar haben für sich, sich nichts vorspielen. Dieser Moment der eigenen Klarheit ist schwer. Wenn man ihn zu fassen kriegt, ist es fantastisch. Es ist so hilfreich, weil es einen wieder in die Bewegung führt. Eine Trennung ist immer schmerzhaft, kann aber auch so gut tun. Meistens dauert es, eine klare Sicht zu wagen. Nein. wenn man "rund" mit sich selbst ist, kann man sich das trauen.

Helga König: In meiner Rezension verweise ich auf mein Lieblingsgedicht von Ihnen:
Lächeln
Als ich den Hörer auflegte
Als ich dann allein war
Als ich mich erinnerte
Als ich dem Mond zugelächelt habe
Als ich nachfühlte
Als ich mich dann sehnte
Als ich also vermisste
Habe ich gelächelt.

Haben Sie gelächelt, weil Sie sich freuten, noch wie ein junges Mädchen fühlen zu können?

Andrea Engen: Da war ich ganz jung ... mein Lächeln war Glück und Antwort gegen Sehnsucht.


Helga König: Geradezu umwerfend finde ich Ihr Gedicht, das mit den Zeilen beginnt:

Du warst auf der Durchreise
Ich in den Wechseljahren
Als wir uns das erste Mal trafen
.....
Ich frage nicht von Ungefähr. Viele Frauen haben ein Problem damit, offen zu ihrer Menophase zu stehen. War es ein Akt der Selbstüberwindung dieses Gedicht zu veröffentlichen?

Andrea Engen: Nein nicht. Ich bin von Anfang an sehr offensiv mit dem Thema umgegangen. Da ich keinerlei Mittel nehmen wollte, trotzdem Schwitze, schlecht schlief, "Launen" hatte, wollte ich mich nicht auch noch von aussen verunsichern lassen, und da bleibt nur das Offensive.  (Ausserdem kapiere ich eh nicht, warum das immer noch ein so schlechtes Image hat. Es ist eine weitere Phase und auch Chance, sein Leben zu gestalten.)


Helga König: Bedingt das Verliebtsein in einen jungen Mann mehr Schmetterlinge und mehr Muse zur Poesie?

Andrea Engen: Ich würde sagen, es beflügelt.


Helga König: Wie muss ein Mann sein, den Sie in einem Gedicht verewigen?

Andrea Engen: Einschneidend. Besonders. Auslösend. Bewegend.


Helga König:  Ist eine Liebe dann vorbei, wenn man sich nicht mehr sehnt?

Andrea Engen
Andrea Engen: Ich kann es immer noch nicht sagen. Ich habe das Gefühl, schon viele Varianten erlebt zu haben. Auf jeden Fall ist, keine Sehnsucht mehr zu haben ein Zeichen der Veränderung und könnte bedeuten, das man sich sich lange nicht um ein "Wir" gekümmert hat.






Liebe Frau Engen, ich danke Ihnen für dieses aufschlussreiche Interview.

Ihnen alles Gute.


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