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Helga König im Gespräch mit der Schauspielerin und Lyrikerin Angélique Duvier über Lyrik im Allgemeinen und über ihren Gedichtband "Dramaturgie des Lebens" im Besonderen.

Liebe Angélique Duvier, dieser Tage habe ich Ihren Gedichtband "Dramaturgie des Lebens"  auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert. Deshalb möchte ich heute einige Fragen an Sie richten.

Anbei der Link zur Rezension: Dramaturgie des Lebens - Gedichte

Helga König: Gibt es Lyriker, deren Gedichte für Sie bereits in Ihrer Schulzeit von Bedeutung waren und wenn ja, weshalb? 

 Angélique Duvier
Foto: privat
Angélique Duvier: Während meiner Kindheit mochte ich besonders die Gedichte Joseph von Eichendorffs, sie hatten für mich immer etwas mit Heimweh, Sehnsucht und Melancholie zu tun, ich liebte und liebe seine Art von Romantik. Ich konnte mich schon als Kind in seine Werke hineinversetzen und verlieren. In der Folge rezitierte ich sie häufig, zuletzt in Nysa (Neisse), Polen, der letzten Ruhestätte Eichendorffs. Auch die Werke Theodor Storms lagen mir sehr, durch seine Gedichte erfuhr ich sehr viel über den Menschen Storm. Später las ich, er sei ein großer Verehrer Eichendorffs gewesen und fühlte sich durch dessen Lyrik inspiriert. Sie trafen sich sogar zufällig in Berlin, und es entwickelte sich eine langjährige Freundschaft zwischen ihnen. 

 Helga König
Helga König: Sie standen mit großen Rollen als Theaterschauspielerin im Laufe Ihres Lebens auf der Bühne. Welche Bedeutung haben Shakespeare und Brecht für Sie seither beim Verfassen von Gedichten? 

Angélique Duvier: Shakespeares Sonette heben sich deutlich von anderen ab, er arbeitet häufig mit lyrischen Motiven und Bildern, um gewisse Stimmungen und Szene zu vertiefen, zudem verwendete er "blank verse", das heißt, es liegt kein Reimschema vor und das Metrum ist der "íambic pentameter" ("Jambischer Pentameter"), auch sein Wortwitz und seine Kunstsprache regen mich sehr zum Nachdenken an und inspirieren mich stark. 

Bertolt Brecht hat sich in all seinen Werken stets mit den gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart auseinandergesetzt, die Charakterisierungen der einzelnen Rollen wurden von Bert Brecht stets direkt greifbar dargestellt. Brecht ging es um die Aufdeckung gesellschaftlicher Missstände, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Bei ihm mussten die Schauspieler eine Art Konversation mit dem Publikum erzeugen. So versuche ich mit meinen Gedichten, dem Leser oder Zuhörer einen Einblick in Dinge meines Erlebten oder Erfühlten zu gewähren, ich möchte ihnen kleine Geschichten erzählen, sie teilhaben lassen. Der Leser oder Zuhörer sollte sich aus der subjektiven Meinung des Charakters seine eigene bilden, vielleicht sogar sich selbst darin entdecken, oder selbst Erlebtes.

Helga König: In welcher Stimmung schreiben Sie die besten Gedichte? 

Angelique Duvier: Das ist schwer zu sagen, manchmal genügt eine Melodie, ein schönes Wort oder ein Satz, den ich höre, ein Bild, oder die Natur, und natürlich meine Gedanken über Dinge, die mich erfreuen, verletzen oder belasten. Es hilft mir etwas, es einfach herauslassen zu können, als würde ich es mir von der Seele reden/schreiben. Dabei achte ich nicht unbedingt auf die Form. Ich lasse das Gedicht einige Tage liegen, dann tausche ich evtl. ein Wort gegen ein anderes aus, damit es frei klingt und fließt. 

Helga König: Verändern Sie Ihre lyrischen Texte mehrfach oder sind Ihre Gedichte gewissermaßen Werke aus einem Guss? 

 Angélique Duvier
Foto: privat
Angelique Duvier: Mehr oder weniger sind sie aus einem Guss, wenn das Thema steht, läuft es einfach heraus und, wie schon gesagt, ich tausche höchstens ein Wort aus oder drehe einen Satz so, dass sich evtl. eine Reimform ergibt. Wenn es beim Schreiben anfängt zu stocken und es einfach nicht fließen will, breche ich meistens ab und zerreiße es. 

Helga König: Sollte Natur in der Lyrik als Gleichnis genutzt werden oder genügt es, deren Facetten einfach nur wortreich zu bestaunen? 

Angélique Duvier: Es ist zwar schön, die Natur wortreich zu bestaunen, aber ich muss sie fühlen, spüren, riechen, schmecken. Ich schreibe nur dann darüber, wenn sie mich berührt und inspiriert. Wenn sie etwas in mir auslöst. Nun bin ich ein Mensch, der sehr genau beobachtet und wahrnimmt, die Natur ebenso wie auch die Menschen. 

 Helga König
Helga König: Muss man verliebt sein, um ein wirklich gutes Liebesgedicht schreiben zu können oder reicht es aus, sich an eine längst vergangene Liebe zu erinnern oder könnte man auch, ohne je verliebt gewesen zu sein, ein zu Herzen gehendes, dabei sogar noch unsentimentales Liebesgedicht schreiben? 

Angélique Duvier: Ich denke, man muss dieses Gefühl kennen, wissen, wie es sich anfühlt. Ich muss etwas selbst erlebt haben, um es beschreiben zu können. Ob eine Liebe lange zurückliegt, oder ob sie ganz frisch ist, ob sie erwidert wird - oder unglücklich ist. Um darüber ehrlich schreiben zu können, sollte man ehrlich lieben können. 

Helga König: Wie wirkt sich Melancholie auf das Schreiben von Gedichten aus? 

Angélique Duvier: Ich war schon immer ein melancholischer Mensch, irgendwie wirkt es sich wohl auch auf meine Gedichte aus. Depressionen hingegen kenne ich zum Glück nicht. 

Helga König: Gibt es Gedanken, die sich weigern, in einen Reim Ausdruck zu finden? 

Angélique Duvier: Ja, die gibt es, dann passiert es eben, dass man beim Schreiben stockt und es nicht "fließen" will. Für mich ist es dann ein Zeichen, es nicht weiterzuführen. Es soll ergo einfach nicht sein - und es erzwingen zu wollen, dies geht meistens schief! 

Helga König: Sie lassen in Ihre Lyrik auch Konflikte einfließen. Hilft das Schreiben von Gedichten, Konflikte und Trauer zu verarbeiten? 

Angélique Duvier: Ja, es hilft mir, es ändert zwar nichts an der Situation, in der ich mich gerade befinde, aber es befreit etwas. Ich setzte mich bei jeder Katastrophe vehement damit auseinander, denn Verdrängung ist für mich keine Lösung. Mein Leben war und ist leider nicht leicht, immer wenn ich denke, jetzt kehrt endlich Ruhe ein, schlägt das Schicksal erneut zu.  

Helga König: Das unbedachte Nutzen von leeren Worthülsen oder Phrasen ist eine große Gefahr beim Schreiben von Gedichten. Wie entgeht man dieser am besten? 

  Angélique Duvier
Foto: privat
Angélique Duvier: Ich weiß nicht, ob es immer unbedacht ist. Viele Autoren lieben es, Worte zu "erfinden",  weil sie vielleicht schön klingen. Oder unnütze Worte einzubauen, aber wie das Wort "Worthülsen" schon sagt, es handelt sich um leere Hüllen. Ich schreibe über Dinge, die ich erlebt habe, beschreibe Gefühle, die mich bewegen, Dinge, die mich innerlich erreicht haben. Ich möchte es gerne erreichen, meine Gedanken und Gefühle zu transportieren, so dass sich der eine oder andere vielleicht darin wiederfindet, oder sieht, dass es anderen Menschen auch so, bzw. ähnlich ergeht, dass er nicht allein ist, nicht der Einzige ist, der so empfindet. 

Helga König: Sie haben mit Ihrem Mann, dem Pianisten Vladyslav Sendecki das Lyrik & Jazz Ensemble gegründet. Können Sie uns kurz etwas über diese Symbiose aus Wort und Klang berichten?  
Angélique Duvier: Ja, 2009 gründeten wir gemeinsam das "Lyrik&Jazz Ensemble" Wenn Sprache und Musik sich begegnen, sie sich berühren, ist es beinahe, als würden sich Lachen und Weinen als Freunde treffen, dann verdichtet sich Musik mit Sprache, samt Tiefen, Höhen und Rhythmus. So ist ein Gedicht nicht bloß Gedicht - aber eben auch kein Lied, sondern irgendetwas dazwischen, etwas, was es einzigartig macht. Umgekehrt verhält es sich ebenso. Mein Mann, Vladyslav Sendecki, hört den Gedichten zu und lässt sich durch das Gehörte inspirieren, dann beginnt er, das Gedicht noch einmal in seiner Sprache, durch den Klang seiner Musik zu erzählen. Es entsteht eine wundervolle Harmonie, wobei uns das Publikum begleitet. Es fühlt sich persönlich angesprochen und angenommen. 

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Ich würde gern noch etwas hinzufügen!

Seit 2015 bin ich Mitglied der "Künstlergruppe 14 Zoll". Dies inspiriert und motiviert mich zusätzlich zum Schreiben. So entstand im Jahre 2016 mein erstes Buch "Dramaturgie des Lebens". Ohne Heide Nöchel, ("noé"), ebenfalls Autorin der Künstlerguppe, hätte ich das Buch nie geschrieben, sie regte mich dazu an, es zu wagen, sie übernahm eigentlich die gesamte Erstellung des Buches. Das schöne Cover erhielt ich von Alf Glocker, Dichter und begnadeter Maler. Beteiligt war zudem Axel C. Englert, auch ein wundervoller Autor, der jeden Fehler findet und beseitigt. An dieser Stelle möchte ich mich gerne von ganzem Herzen bei den dreien bedanken!

Liebe Angélique Duvier, ich danke Ihnen vielmals für das aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König

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