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Helga König im Gespräch mit Joseph Kennedy über das Buch "Nie wieder Horrordiktate!"

Lieber Joseph Kennedy, dieser Tage habe ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" Ihr Buch "Nie wieder Horrordiktate" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.


Helga König: Sie betreiben seit über zwei Jahrzehnten die Kennedy-Schule. Können Sie unseren Lesern diesbezüglich Näheres berichten?

 Joseph Kennedy
Joseph Kennedy:  Unser Leitsatz bei der KS lautet: "Durch Professionalität, Flexibilität und Kooperationsfähigkeit unseres gesamten Teams, steht das Kind und seine Familie im Mittelpunkt unserer pädagogischen Arbeit." D.h.: Wir gehen möglichst bei jedem Kind immer individuell vor. Unsere Arbeit kommt in der Regel nicht nur bei den Schülern und Eltern gut an. In den letzen Jahren bekamen wir Besuch von Schulen und Schulbehörden, die sich für unsere innovative Arbeit bei Lern- und Konzentrationsschwächen interessierten.

Helga König: Was hat Sie dazu veranlasst, neue Methoden der Nachhilfe zu erarbeiten?

 Helga König
Joseph Kennedy:  Weil die gängigen Methoden versagten. 

Deutsch: Wir stellten fest, dass keine der Kinder bei der Rechtschreibung in Deutsch Fortschritte erzielen konnten. Damals galt ein Diktat, nicht nur in der Grundschule, als eine vollwertige Klassenarbeit. Wir haben deshalb viele verschiedene Methoden im Unterricht angewendet z. B.:
- die Silbenmethode mit Schwungübungen
- Laufdiktate - kreative Arbeitsblätter
- individualisiertes Grammatiktraining
- Leseübungen
-die Gruppen auf nur drei Teilnehmer reduziert

Gleichzeitig stellten wir fest, dass beinah alle Kinder nie freiwillig ein Buch in die Hand genommen hatten. Um die Kinder anzuspornen, öfters zu lesen, haben wir, in Absprache mit den Eltern, einen Wettbewerb mit schönen Preisen veranstaltet. Ergebnis: nach einem Jahr (durchschnittlich 2 x 90 Minuten Deutschunterricht wöchentlich) von circa 20 Kindern hat sich keiner im Lesen und Schreiben verbessert, einige hatten sich sogar verschlechtert! 

Mathematik: Bei den Grundschülern wurde es schnell deutlich, dass sie alle Schwierigkeiten bei den vier Grundrechenarten hatten. Wir konnten mit ihnen diese sooft üben! Und trotzdem: nach wenigen Tagen vergaßen sie, wie diese "gingen". Also: wie in allen Nachhilfeinstituten haben wir den Stoff mit den Schülern gepaukt und noch mal gepaukt! Primitiv aber effektiv: Dadurch konnten sie recht gute Ergebnisse erzielen und die Eltern waren zufrieden. Das Problem dabei: hörte das Kind mit der Paukerei auf, gingen seine Mathenoten sofort wieder in den Keller… 

Konzentration: Allgemein beobachteten wir, dass viele dieser Kinder leicht ablenkbar wirkten, häufig verträumt und/oder sehr unruhig und zappelig waren. Um diesem Zustand entgegenzuwirken führten wir Entspannungsübungen zum Unterrichtsbeginn ein und als separater Kurs nach dem Unterrichtsbetrieb. Die Resonanz war gut und diese Techniken haben den Kindern wirklich geholfen, entspannter zu werden. Leider wurden die Noten in Deutsch nicht besser und in Mathematik (ohne Pauken), genauso wenig. Neue Wege gehen. 

Durch die damalige Zusammenarbeit mit Dr. Held, Neurologe und Kinderpsychiater, haben wir gelernt, sehr hirnspezifisch differenziert mit den Kindern zu arbeiten. Seine These: Diese Lernschwächen sind auf Reifungsverzögerungen des jeweiligen Hirnareals zurückzuführen. Beim Lesen und Schreiben ist das Lese-Schreibzentrum betroffen, dieses Areal hat die Aufgabe, eingeprägte Buchstaben automatisch zu kombinieren. Ist es unreif, ist es funktionsschwach und es kommt deshalb zu Fehlern bei der Ausführung. Dieser Zustand widerspiegelt das Ausmaß der Lese-Rechtschreibschwäche (LRS). 

Ist das Rechenzentrum unreif, kann es, je nach Ausprägung der Unreife, Mengen und Zahlen nur unzureichend automatisch kombinieren. Deshalb kommt es zu den vielen Rechenfehlern. Die (biologische) Voraussetzung fürs Rechnen ist, wie bei einer LRS, nicht vorhanden. Eine Konzentrationsschwäche erscheint häufig neben diesen Lernschwächen, trotz guter Intelligenz. Diese Schwäche ist meistens darauf zurückzuführen, dass das vordere Areal im Gehirn, welches zuständig ist für die Steuerung der Aufmerksamkeit, auch unreif ist. Unaufmerksamkeit, Ablenkbarkeit und innere und äußere Unruhe sind die Folgen. Verschiedene Stimulationstherapien haben erwiesen, dass durch zielgerichtete Stimulation dieses Areals zur Reife und Funktionstüchtigkeit gebracht werden kann. Somit ist eine weitere Stimulationsbehandlung überflüssig. Fazit: Der sehr große Nachhilfemarkt besteht aus Kindern mit Lern- und Konzentrationsschwächen. 

Helga König: Kommen Lese-Rechtschreib-Schwächen in bildungsfernen Schichten Ihrer Erfahrung nach häufiger vor und falls ja, weshalb? 

 Joseph Kennedy
Joseph Kennedy:  Es besteht die Gefahr, hier Ursache und Wirkung zu verwechseln. Die Antwort auf diese Frage heißt eindeutig: Ja! weil die LRS und Rechenschwäche meistens vererbt werden. Wie soll sich ein Mensch weiterbilden, wenn er nur mit großer Mühe lesen, schreiben und rechnen kann? Dazu gesellt sich oft eine vererbte Konzentrationsschwäche. Ich meine, somit ist für die Mehrzahl der Betroffenen der soziale Abstieg vorprogrammiert bzw. wird weiter befestigt. Deshalb gibt es Müllmänner mit einem nonverbalen IQ von 140. 

 Helga König
Helga König: Wie erklären Sie sich, dass 45% der 14- 19-Jährigen als Kind nie ein Buch geschenkt bekamen? 

Joseph Kennedy:  Wahrscheinlich ist ihnen ein neues Handy oder ein neues Computerspiel viel lieber. Ich vermute, dass Lesen und Schreiben in der Schule weniger trainiert wird im Vergleich zu früher. Außerdem gibt es immer natürliche Schwankungen bei solchen Phänomenen.

Helga König: Wenn Eltern große Lese- und Rechtschreibschwächen aufweisen, müssen deren Kinder dann zwingend auch LRS haben und falls ja, was kann unternommen werden, dass die gesamte Familie von dem vorliegenden Buch profitiert? 

Joseph Kennedy:  Müssen nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass die Kinder die LRS vererbt bekommen. Wenn solche betroffene Familien gemeinsam Buchstabenspiele spielen - am besten täglich, werden alle ihre LRS überwinden. Das dauert etwa ein Jahr lang bis das Lese-Schreibzentrum nachreift. 

Weitere Auslöser einer LRS sind: 
 • Sauerstoffmangel bei der Geburt 
• Frühgeburt 
• Schwere Krankheiten im Kleinkindalter können auch als eine Reifungsbremse wirken 


Helga König:  Was können Eltern tun, um zu verhindern, dass sich Kinder nach fehlerhaften, ungeübten Diktaten frustriert weigern, zu üben bis es klappt? 

Joseph Kennedy:  Dem Kind Mut machen und die Methodik ändern! Sie stellen ein positives Szenario vor: Beispiele bringen, die deutlich zeigen, wo das Kind gut ist! Egal, ob es gut im Fußball ist, oder sich liebevoll um das Häschen kümmert. Dann solche Erfolge bzw. schöne Erlebnisse aufzeigen und vergleichen, wenn das Kind sich im Diktat verbessert hätte, fühlt es sich auch so wohl! „… Und das Schöne daran ist, die Lösungen haben wir in der Hand! Wir brauchen nur immer wieder Buchstabenspiele zu spielen! Bzw. wenn wir nicht spielen können, kannst du Texte vom Buch am PC abtippen.

Vorteilsargumentation:… "Aufgepasst: dann täglich 20 Minuten. Dafür hast du mit der Zeit bessere Noten und mehr Spaß und weniger Ärger. Nicht zu vergessen: du hast dann auch mehr Freizeit, weil du keine stumpfsinnigen Grammatikübungen tagein tagaus erledigen musst“. 

Helga König: Woran können Laien LRS problemlos erkennen? 

 Joseph Kennedy
Joseph Kennedy: Macht das Kind durchschnittlich 10 Fehler bei den ungeübten Diktaten, muss von einer Rechtschreibschwäche ausgegangen werden. 

Erkennung einer Leseschwäche 

•Das Kind meidet Bücher und flüchtet zum Bild z.B. Comics, Fernsehen 
• Buchstaben werden verwechselt oder weggelassen
• Das Kind liest stockend 
• Es überliest Wortendungen und ganze Wörter
• Liest Wörter, die nicht im Text sind 
• Versteht nicht, was es gelesen hat 

Helga König: Können Sie in wenigen Worten mehr zu Ihrer Methode des Tipptrainings sagen? 

Joseph Kennedy:  Das Ziel des Trainings ist, die einzelnen Buchstaben über die Sinne Sehen, Hören und Tasten im Lese-Schreibzentrum des Gehirns einzuprägen bis dies nachreift und korrekt funktioniert. Dieser Vorgang verursacht in diesem unterentwickelten Hirnareal Zellenwachstum, das Areal hat eine Aufgabe: Buchstaben automatisch zu erkennen und zu kombinieren. Dies geschieht, wenn das Kind einen Text vom Buch mit dem Schreibfinger abtippt und dabei während der ersten fünf Minuten die Buchstaben phonetisch ausspricht z. B. b und nicht be, t und nicht te Nach 20 Minuten wird der abgetippte Text gemeinsam auf Fehler geprüft. Falsch abgetippte Wörter müssen buchstabenweise korrekt neu eingegeben werden, sonst kommen diese unweigerlich falsch beim nächsten Diktat vor. Vor dem Einschlafen liest das Kind dann den Text vom Buch vor. 

 Helga König
Helga König: Warum sind kreative ABC-Spiele notwendig, um Kinder von ihrer LRS zu befreien?

Joseph Kennedy:  Das Tippen kann nach 20 Wochen langwierig werden! Die vielen kreativen ABC-Spiele machen Spaß und erzielen dieselbe Wirkung, nämlich: die Nachreifung des Lese-Schreibzentrums (LSZ). Eltern müssen mindestens ein Jahr mit dem Training dran bleiben bis das LSZ nachreift. 

Helga König: Gibt es einen Zusammenhang zwischen LRS und Konzentrations-schwäche? 

Joseph Kennedy:  Ja und nein.. Ein Kind, dessen LSZ reif ist, kann in der Regel gut lesen und schreiben, auch wenn es unter einer Konzentrationsschwäche leidet. Der Zusammenhang besteht darin, dass alle drei, also das Lesen, Schreiben und die Konzentration angeborene Hirntätigkeiten sind. Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu lenken, entwickelt sich schon in den ersten Monaten bei neugeborenen Kindern. Die Fähigkeit, eine Reihe von Buchstaben automatisch zu erkennen, oder korrekt in der richtigen Reihenfolge wiederzugeben, reift erst im fünften bzw. sechsten Lebensjahr. Die Kindesentwicklung widerspiegelt unsere Evolution. 

Zuerst kann sich das Kind bewegen, danach sprechen, sich als Individuum wahrnehmen, in Gruppen interagieren und dann lesen, schreiben und rechnen erlernen. Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der jeweiligen Entwicklungsstufe ist die Reife der zuständigen Hirnareale für: 
• Die Aufmerksamkeitssteuerung
• Die Motorik 
• Die Sprache 
• Selbstwahrnehmung 
• Die soziale Interaktion & Kompetenz
• Lesen Schreiben und Rechnen 

Ein weiterer Zusammenhang besteht darin, dass viele Kinder von Reifungsverzögerungen in mehreren Entwicklungsstufen betroffen sind z.B. in den Bereichen der:
• Sprache
• Lesen, Schreiben 
• Rechnen 
• Steuerung der Aufmerksamkeit 

In der Kennedy-Schule Tuttlingen haben wir die Möglichkeit, Lernschwächen zu erkennen und zu beheben. Beim Verdacht einer Konzentrationsschwäche bieten wir eine sehr gründliche Beratung an (gratis) und arbeiten vernetzt mit Spezialisten auf diesem Gebiet.

Lieber Joseph Kennedy,  ich danke Ihnen für  das aufschlussreiche Gespräch

Ihre Helga König

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Website: Kennedyschule  


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