Liebe Beate Frenkel, liebe Astrid Randerath dieser Tage habe ich Ihr Buch "Die Kinderkrankmacher" rezensiert. Dazu möchte ich heute einige Fragen an Sie richten.
Hier der Link zur Rezension: http://helga-koenig-phil.blogspot.de/2015/06/rezension-die-kinderkrankmacher-beate.html
Helga König: Können Sie - zum besseren Verständnis - kurz erläutern, was man unter ADS und ADHS versteht?
Beate Frenkel |
Bei Diabetes misst man beispielsweise den Blutzucker- dann hat man die Diagnose. Bei ADHS ist es oft Auslegungsfrage, hat der renommierte Schweizer Kinderarzt Remo Largo in einem Interview mit uns erläutert. Er sagt: " Ja, ADHS gibt es, aber nur ein Prozent der Diagnosen ist berechtigt." Die ganz große Mehrzahl der Kinder bekommt also Tabletten, die sehr schwere Nebenwirkungen haben, obwohl sie sie gar nicht brauchen.
Helga König: Wo liegen die wahren Ursachen dafür, dass immer mehr Kinder unter Konzentrationsmangel, Hyperaktivität, Schwermut und Aggression leiden?
Astrid Randerath |
Helga König |
Beate Frenkel: Der Wirkstoff Methylphenidad ist in Medikamenten wie Ritalin enthalten und fällt unter das Betäubungsmittelgesetz. Normalerweise wirkt er anregend, bei unruhigen Kindern aber eher dämpfend. Deshalb werden aktive Kinder unter der Wirkung ruhiger, so genannte "Schreikinder" verstummen. Nur: Kinder, die das Medikament über lange Zeit regelmäßig einnehmen, können nicht lernen, besser mit ihrer Tagesbelastung umzugehen. Die Kinderhirne entwickeln sich ja nutzungsabhängig, hat der Hirnforscher G. Hüther in einem Interview mit uns erklärt. Wenn die Kinder im Kindesalter nicht lernen, auch mal einen Impuls zu unterdrücken, sich nicht sofort ablenken zu lassen oder gar wütend, aufbrausend zu reagieren, können sie es auch als Erwachsene nicht.
Die Gefahr ist daher: Die Entwicklung der Kinder wird nachhaltig gehemmt. Durch die verbreitete Behandlung mit Methylphenidad gibt es immer mehr Menschen, die die Symptomatik nicht im jugendlichen Alter verlieren. Wir steuern also auf eine Generation von jungen Erwachsenen zu, die ohne die Tabletten nicht leben und arbeiten können.
Dazu kommen teils schwere Nebenwirkungen: Unruhe, Psychosen, Appetitlosigkeit, Verfolgungswahn, Herzrhythmusstörungen. Sogar schlaganfallähnliche Symptome können auftreten. Da fragen wir uns: Was tun wir da eigentlich unseren Kindern an, die doch unser höchstes Gut sind.
Helga König: Was verstehen Sie unter dem Begriff "Helikopter-Eltern" und wo liegt deren Erziehungsfehlverhalten?
Astrid Renerath: Was wir erschreckend fanden: Die Hälfte der deutschen Kinder bis 14 Jahren hat noch nie auf einem Baum gesessen. Das hat eine Umfrage unter Eltern ergeben. Als Grund nannten die Eltern, dass sie zu viel Angst hätten, dass die Kinder sich verletzen könnten. Unsere Kinder werden heute von Eltern, die wie „Helikopter“ ständig um sie herumschwirren, oftmals überbehütet. Diese Eltern meinen es sicher gut. Sie haben große Sorgen um das Wohl der Kinder, aber sie nehmen ihnen gleichzeitig die Chancen eigene Erfahrungen zu sammeln und dabei zu lernen.
Helga König: Wie reagieren Lehrer auf verhaltensauffällige Kinder, welche Erwartungshaltung haben sie Eltern gegenüber?
Beate Frenkel |
Helga König: Wie wirkt sich Ritalin auf die Kreativität von Menschen aus?
Astrid Randerath |
Immer mehr Kinder bekommen beispielsweise Neuroleptika verordnet, die auch als Gehirnweichmacher bezeichnet werden. Bei erwachsenen Patienten hat man festgestellt, dass die Hirnmasse schrumpft. Und diese Medikamente bekommen jetzt immer mehr verhaltensauffällige Kinder. Die Nebenwirkungen sind wirklich erheblich. Wir beschreiben in unserem Buch zum Beispiel die Geschichte von Josh, dem Brüste wuchsen. Er hatte mit 14 Jahren Körbchengröße C, hat furchtbar gelitten darunter und musste die Brüste amputiert bekommen. Seine Eltern klagen deshalb gegen den Hersteller sowie über tausend andere Eltern auch. Das hat das Pharmaunternehmen schon viele Millionen gekostet. Aber das Geschäft auf dem Rücken der Kinder geht weiter. Es lohnt sich offenbar trotzdem.
Helga König: Sie schreiben in dem Buch noch von vielen anderen Medikamenten, die Kindern verabreicht werden, um größer, besser, ruhiger und schöner zu werden. Woher kommt dieser Wunsch nach Perfektion, ist es ein Ergebnis der Werbung?
Beate Frenkel: Daran hat die Pharmaindustrie maßgeblich mitgewirkt. Der Pharmamanager einer großen Firma hat uns vor Jahren gesagt, "Jetzt knöpfen wir uns die Kinder vor. Die machen wir zu Kranken.“ Das hat offensichtlich funktioniert. Da wird ein Milliardengeschäft mit unseren Kindern gemacht. Es gibt immer mehr neue Krankheiten. So haben Kinder, die öfter mal wütend sind, neuerdings eine sogenannte "Launenderegulationsstörung" und dagegen gibt es auch schon die passenden Medikamente. Das hat Methode. Für all diese Diagnosen gibt es ein amerikanisches Handbuch für Psychiater – an dem orientieren sich auch deutsche Ärzte. Jetzt ist rausgekommen: Die meisten Ärzte, die an diesem Handbuch schreiben, kriegen Geld von der Pharmaindustrie. Das heißt: mit neuen Krankheiten wird ein neuer Markt geschaffen, auf dem sich viel Geld verdienen lässt – auf Kosten unserer Kinder.
Helga König: Welche Möglichkeiten haben Eltern, um ihre lebhaften Kinder vor Ritalingeschützen zu bewahren?
Astrid Randerath: Wir raten Eltern, sich auf gar keinen Fall zu Medikamenten drängen zu lassen, sondern sich eine zweite ärztliche Meinung einholen. Bei der Arztwahl ist darauf zu achten, dass der Arzt pharmakritisch ist, zum Beispiel der Gruppe "Mein Essen zahl ich selbst" (MEZIS e.V.) angehört. Viele Eltern schämen sich, doch damit sie Hilfe bekommen, sollten sie das Tabu brechen. Nur so können wir unseren Kindern helfen, die doch das Wichtigste sind, was wir haben.
Liebe Beate Frenkel, liebe Astrid Randerath, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Interview
Ihre Helga König
Fotos: Privat
PS: Das Buch hat die Glücksforscherin Simone Langendörfer und mich dazu veranlasst, eine Spezialinterviewseite auf "Buch, Kultur und Lifestyle" einzurichten. Sie trägt den Titel "Wann ist eine Kindheit kindgerecht?" . Dort schließen wir uns Ihrem Engagement seit dem 15.6.2015 an. Erste Resonanz hat es bereits gegeben.
Fotos: Privat
PS: Das Buch hat die Glücksforscherin Simone Langendörfer und mich dazu veranlasst, eine Spezialinterviewseite auf "Buch, Kultur und Lifestyle" einzurichten. Sie trägt den Titel "Wann ist eine Kindheit kindgerecht?" . Dort schließen wir uns Ihrem Engagement seit dem 15.6.2015 an. Erste Resonanz hat es bereits gegeben.
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