Liebe Cassandra Negra, dieser Tage habe ich Ihren Thriller "Todesbotschafter" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heue einige Fragen stellen.
Helga König: Cassandra Negra ist Ihr Künstlername. Können Sie unseren Lesern mitteilen, welche Bewandtnis es damit hat?
Cassandra Negra |
Cassandra Negra: Der Künstlername Cassandra Negra
hat vor allem etwas mit den brisanten Themen zu tun, die ich in meinen
Büchern behandele. Mit meiner Arbeit will ich, ähnlich wie die mythologische
Cassandra, aufrütteln und die Leser sensibilisieren – insbesondere für die
menschlichen Abgründe und das Böse, das in jedem von uns latent vorhanden ist.
Oft genügt schon ein kleiner Anstoß, um dieses Böse freizusetzen – manchmal mit
katastrophalen Folgen. Als Cassandra Negra greife ich Themen auf, die die
Urängste der Menschen berühren, wie etwa Gewalt, Tod, Besessenheit, Wahnsinn
und - im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus - blinder
Gehorsam.
Helga König: Was
hat Sie bewogen auf dem Krimi-Sektor eine Trilogie zu verfassen, deren zweiter
Band „Todesbotschafter“ jetzt veröffentlicht worden ist?
Cassandra Negra: Geplant war eine Trilogie
keineswegs. Vielmehr hat sich die Geschichte während des Schreibens immer
weiterentwickelt. Es gibt ein tibetisches Sprichwort, das sagt: "Der
morgige Tag oder das nächste Leben – was zuerst kommt, wissen wir nie." So geht
es mir auch mit dem Schreiben: Es gibt nichts
Geplantes, nichts Vorhersehbares, und schon gar keinen vorgefertigten
Handlungsablauf. Meist ist es ein Thema, das mich interessiert, das ich als
Aufhänger für eine Geschichte wähle. Das können aktuelle politische
Geschehnisse oder Entwicklungen sein, aber auch historische Ereignisse.
Natürlich recherchiere ich die Hintergründe dann sehr genau, verbringe viel
Zeit in Bibliotheken, führe Interviews mit Experten, Zeitzeugen und Betroffenen
oder setze mich in eine Vorlesung zum Thema Rechtsmedizin, oft verwende ich
auch Mindmaps oder Zeichnungen am Flipchart, um meine Gedanken zu strukturieren.
Aber dann, wenn ich erst einmal begonnen habe, zu schreiben, lasse ich mich
treiben, lasse die Geschichte entstehen und bin selbst ganz gespannt und oft
auch überrascht, wohin sie mich führt. Aber genau das ist es, was Schreiben
ausmacht, nämlich dass man Raum für Kreativität hat und diesen auch nutzt. Dass
es immer wieder neue unerwartete Wendungen gibt, spannende Charaktere geboren
werden, die begeistern, aber manchmal auch solche, die einem Angst machen und
schockieren, weil sie so abgrundtief böse oder grausam sind, dass man sie
schnell wieder loswerden möchte. Andere Charaktere hingegen hat man während des
Schreibens liebgewonnen, ja, sie sind
einem ans Herz gewachsen, und doch kommt der Zeitpunkt, in dem man auch sie
loslassen muss. Hier möchte ich den Philosophen Seneca zitieren, der sagte:"„Leben
muss man ein Leben lang lernen, doch ein Leben lang muss man auch sterben
lernen." In diesem Zitat steckt sehr viel Wahrheit.
Helga König: Warum
haben Sie aktuelle politische
Hintergründe gewählt, um sie mit besonders perfiden Verbrechen zu verbinden?
Cassandra Negra: Die Anschläge
in New York, Washington, Madrid und London haben gezeigt, dass international
agierende Terroristen eine Gefahr für die gesamte westliche Welt darstellen. In meinem zweiten Buch "Todesbotschafter" habe ich dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt, weil es
auch für Deutschland eine ernstzunehmende Bedrohung darstellt. Erst Anfang
diesen Jahres bezeichnete Bundesinnenminister de Maizière der internationalen Terrorismus als
"eine Gefahr, die mich besorgt".
Aber es gibt noch ein anderes
Thema, das bereits im ersten Teil eine Rolle gespielt hat, und sich nun auch im
zweiten Roman fortsetzt: Das Dritte Reich. Der Thriller "Todesbotschafter" geht
der Frage nach, ob es zwischen Tätern und Opfern neben Schuld und Verantwortung
und dem Bedürfnis der Opfer nach Rache und Vergeltung auch Vergebung oder gar
Mitgefühl geben kann und was religiöser und politischer Fanatismus aus ganz
normalen Menschen macht.
Helga König: Nach
welchen Kriterien wählen Sie die Schauplätze Ihrer Handlungen aus?
Cassandra Negra: Hier gibt es keine festgelegten
Kriterien wie vielleicht bei einem Film, in dem das Drehbuch vorliegt und
Scouts unterwegs sind, um die passenden Locations zu finden. Wenn man ein Buch
schreibt, hat man natürlich sehr viel mehr Freiraum und den nutze ich gern.
Meist wähle ich Plätze aus, die etwas Besonderes haben, Orte, deren Atmosphäre
mich inspiriert, weil sie etwas Magisches, Spirituelles und manchmal auch etwas
Schauriges haben. Es können aber auch schlicht und ergreifend Gebäude und
Plätze mit historischen Background oder Bezug zum aktuellen politischen
Zeitgeschehen sein, die in die Geschichte passen. Die Palette ist breit.
Helga König: Gibt
es ein Feedback durch Ihre Leser, die sich angesprochen fühlen, gerade
aufgrund der politischen Zusammenhänge, denn immerhin sind diese
Problematiken hochaktuell?
Cassandra Negra: Ja, diese Feedbacks von Lesern
bekomme ich oft. Einige finden es toll, dass die Thematik des
Nationalsozialismus, die ja auch im ersten Teil schon einen großen Raum
eingenommen hat, mal außerhalb des Geschichtsunterrichts aufgegriffen wird,
andere berichten mir, dass sie viel über unsere jüngere Geschichte gelernt
haben und wieder andere wollen sich mit dieser Thematik nicht auch noch in der
Belletristik auseinandersetzen, weil ihre Familie sowohl auf der Opfer- als
auch auf der Täterseite mit diesem Teil der deutschen Geschichte untrennbar und
schicksalhaft verknüpft war.
Helga König: Warum
ermittelt die Profilerin und Kommissarin Lea Lands in Berlin und nicht z.B. in
Zürich, Rom oder Wien? Hat man es dort mit weniger krimineller
Niedertracht zu tun?
Cassandra Negra: Berlin ist eine Stadt, die mich
fasziniert. Fast meine gesamte Studienzeit habe ich in dieser wundervollen,
weltoffenen Metropole verbracht und auch heute zieht es mich oft hierher. Es
ist wohl das pulsierende Leben, die Veränderung, das stetige Wachsen, das man
hier so sehr wie in keiner anderen europäischen Metropole spürt. War man eine
Zeit lang nicht mehr hier, erkennt man manche Straßenzüge
oder Stadtteile fast nicht mehr wieder, weil sich alles so schnell verändert
hat. Und so spiegelt Berlin den Puls der Zeit – die Veränderung - wider, die
wir Menschen so wenig mögen, sind wir doch immer bestrebt, Dinge so lange wie
möglich festzuhalten. Doch wie viel Leid und Schmerz entsteht dadurch, dass wir
zu lange krampfhaft an Liebgewonnem festhalten, es umklammern, greifen, immer
fester, weil wir Angst haben, loszulassen? Berlin ist eine Stadt, die zeigt,
wie viel Kraft in der Veränderung liegt.
Was liegt also näher, als Berlin auch zum Schauplatz für meine Bücher zu
machen?
Helga König: Die
exakten Beschreibungen der psychologischen Zustände Ihrer Protagonisten
setzen eine gewisse fachliche Kompetenz voraus. Wie machen Sie sich diese zu
eigen?
Cassandra Negra: Ja, ich verfüge über eine gewisse
fachliche Kompetenz im Bereich Psychologie. Erst kürzlich habe ich nach
fünf Jahren gemeinsamer Arbeit mit einer Diplom-Psychologin zwei Lehrbücher
über Psychopathologie, klinische Psychologie und Psychotherapie herausgebracht.
Auch diese Arbeit macht mir sehr viel Freude. Und natürlich gibt es hier eine schier
unendliche Fundgrube für jede Art von Thriller.
Helga König: Der
Leser fragt sich natürlich, wie muss ich mir die Autorin Cassandra Negra
vorstellen, etwa als eine Person mit kaltem Genuss am Verbrechen oder als
phantasievolle Schriftstellerin mit einem großen politischen Background?
Cassandra Negra: Ich glaube, ich war wohl schon
als kleines Mädchen das, was man als Träumerin bezeichnet. Ich lebte gern und
oft in meiner eigenen Welt. Als Kind wurde ich häufig für meine Tagträume
gerügt. Doch heute bin ich stolz darauf, eine Träumerin zu sein. Denn Träume
und Phantasie zeichnen jeden erfolgreichen Künstler aus.
Nein, eine Lust am Verbrechen
kann ich bei mir so gar nicht feststellen. Ganz im Gegenteil. Wenn ich mir
manchmal – und das kommt wirklich selten vor – einen Thriller im Kino ansehe,
dann kann es passieren, dass ich bei einigen Szenen einfach nicht hinsehen
kann, weil ich ein zartfühlender, sensibler und sehr empfindsamer Mensch bin,
dem Kaltblütigkeit und rohe Gewalt zuwider sind. Politik hingegen war lange Zeit meine zweite
Heimat, in die ich immer wieder gern
zurückkehre.
Helga König: Hatten
Sie eigentlich auch schon einmal die Gelegenheit, mit Leuten aus der Branche zu
sprechen, deren Aufgabe es ist, sich beruflich mit dem Thema Terrorismus zu
befassen, und gibt es vielleicht daher besondere Detailkenntnisse?
Cassandra Negra: Ja, ich habe mit einigen Menschen
über dieses Thema gesprochen. Aber in erster Linie waren es Sachbücher, die ich
über Terrorismus und Selbstmordattentäter gelesen habe, die mir das nötige
Hintergrundwissen vermittelt haben. Und natürlich half mir auch hier mein
psychologischer Background, um mich in die Psyche von Attentätern
hineinzuversetzen. Immer wieder stellte ich mir die Frage, wie ein Mensch
soweit kommen kann, ein Selbstmordattentat zu verüben. Ich glaube, dass
derart grausame Taten nicht allein mit individuellen Eigenschaften erklärbar
sind. Um Menschen zu so etwas fähig zu machen, bedarf es einer Gruppe, eines
starken Zusammengehörigkeitsgefühls, eines Gruppendrucks und einer ebenso
starken Ideologie. Meist ist es wohl ein Gemisch aus politischen und religiösen
Überzeugungen. Oder es bedarf Methoden der Bewusstseinskontrolle um Menschen zu
manipulieren – eine dieser Manipulationsmöglichkeiten wird in dem Buch
thematisiert.
Bei den
meisten Selbstmordattentätern ist es wohl eine tödliche Mischung aus
Nationalismus, Fanatismus und Erniedrigung, die Menschen in den Tod schickt.
Doch letztlich sind alle unsere
Erklärungen nicht viel mehr als Versuche, etwas zu verstehen, das zumindest für
unsere westliche Welt so ganz und gar
unverständlich ist. Warum ein einzelner Mensch Dutzende oder Hunderte
Menschenleben auslöscht, indem er sich selbst opfert und zur Tötungsmaschine
gedrillt wird, bleibt trotz der unermüdlichen Suche nach dem Warum ein Rätsel,
das wohl nie ganz gelöst wird.
Helga König: Zum Schluss ein
Blick in die Zukunft: Wann kann der Fan von Lea Lands mit einem neuen
spektakulären Fall rechnen und weiß ihre Autorin jetzt schon mehr darüber?
Liebe Cassandra Negra, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.
Ihre Helga König
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