Lieber Herr Dr. Erhardt, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Erfolgreich streiten" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.
Helga König: Sie leiten die erste und einzige mentale Führungsakademie in Deutschland. Können Sie unseren Lesern berichten, was Ihre Klienten dort von Ihnen konkret erlernen können?
Dr. Werner Ehrhard Foto: Privat |
Dr. Werner Ehrhardt: Führungstechniken sind das Eine. Der steuerungsfähige Zustand, in dem man sein muss, um sie anzuwenden, etwas ganz anderes. Wenn ich emotional werde, und ich weiß, das passt jetzt nicht, wenn ich wütend werde und möchte nur noch explodieren, dann kann ich mich kaum noch bewusst steuern. Entweder ich brauche alle meine Kraft um meine Gefühle zu unterdrücken oder irgendeine "giftige Kröte" verlässt doch meinen Mund.
Interessanterweise gibt es fast einhundert Super-Führungsakademien in unserem Land, aber nur eine "Mentale Führungsakademie".
Dort lernen die Manager, Führungskräfte und Unternehmer und die von ihnen geschickten Ehefrauen, Chefsekretärinnen. Mitarbeiter und Spezialisten zu allererst Entspannungstechniken und Stress-Bewältigungsstrategien.
Nur durch die Einheit von angewendeten Entspannungstechniken & Stress-Bewältigungsstrategien schafft man es auch unter Stress (und Konflikte bedeuten emotional immer Stress) handlungsfähig bzw. im bewusst steuerungsfähigen Zustand zu bleiben.
Das ist ehrlich gesagt sowohl eine Elementare als auch eine Super-Kompetenz.
Dazu kommen Techniken wie man mit seinem Unterbewusstsein kommuniziert und wie man es sogar für sich arbeiten lässt. (Techniken aus dem Sportlercoaching).
Erst wenn die Teilnehmer das alles können, erlernen sie das, was in allen anderen Führungsakademien auch gelehrt wird, denn dann können sie es auch anwenden.
Helga König: In Ihrem neuen Buch, das Sie mit Dr. Schneider gemeinsam auf den Weg gebracht haben, geht es um eine erfolgreichere Streitkultur. Gehört das Streiten zum Leben und ist Leben ohne Streit nicht denkbar?
Dr. Werner Ehrhardt: Leider versuchen über 70% der Deutschen Streit zu vermeiden. Die Folgen sind grausam, weil ja irgendwann doch alles wieder aus einem heraus bricht. Und die Verletzungen, Kränkungen, Enttäuschungen, die dann wirken, ziehen noch schlimmere Beziehungsstörungen nach sich. Das im Buch aufgeführte Beispiel der Trennung von Elisabeth und Konstantin, ermöglicht die Dinge wieder zu erkennen, die fast alle machen und die man selber immer und wieder macht. Was da rauskommt ist eine ganz furchtbare, schlechte, peinliche und desaströse Streitkultur. Die wollen wir ändern, wir die Autoren und die kann fast jeder ändern. Denn erst wer sich streiten kann, der ist auch beziehungsfähig und der kann wirkliche Harmonie leben. Das ist unsere persönliche Mission. Dazu möchten wir beitragen. Qualifiziert beitragen.
Helga König: Streiten Männer anders als Frauen?
Dr. Werner Ehrhardt: Nicht wirklich. Es gibt auch unter
Männern Zickenkriege und unter Frauen Hahnenkämpfe.
Helga König: Der klassische Konflikt, wie ihn der Wiener Konfliktforscher Glasl beschreibt, zeigt sehr deutlich, dass Streiten im herkömmlichen Sinne nicht ergiebig ist. Nun kann man ja leider nicht immer, sofern Ihre Methode nicht funktioniert, Menschen aus dem Weg gehen. Wie artikuliert man in diesem Fall eine klar definierte Grenze?
Dr. Werner Ehrhardt: Dann gilt nicht die Regeln von Tit for Tat, sondern 4 der 6 Grundhaltungen eines friedvollen Streiters. Akzeptieren, Tolerieren, in Kauf nehmen oder erleiden und erdulden. Im Zweifelsfalle gilt natürlich früher oder später "verändern", kämpfen und gewinnen oder die Situation verlassen.
Helga König: Woran erkennt man einen gewollten Kampf und eine Verdrängungssituation?
Dr. Werner Ehrhardt: Wenn es nur ein Du oder ein Ich gibt, wenn der andere vernichtet werden soll, wenn es KEINE Chance auf eine gemeinsame Lösung oder eine Vereinbarung in der beide "gewinnen" können haben.
Helga König: Sie raten, man möge Ihre 10 Streitregeln auswendig lernen, um sie im Streitfall abzurufen. Was könnte dies bewirken, wenn der andere uns gerade mit Vorwürfen oder Bösartigkeiten überhäuft und sich als jähzornig erweist?
Dr. Werner Ehrhardt: Dann habe ich die 10 Regeln zwar im Kopf, stehe aber meistens vor einer ganz anderen Herausforderung. Ich werde nämlich auch ärgerlich und wütend. Der Vulkan will ausbrechen und ich muss ihn zügeln. Das sind Gefühlsregulationstechniken gefragt. Ausatmen. Länger ausatmen als einatmen. Jetzt werden die im Buch ausführlich beschriebenen Gefühl-Regulations-Prophylaxe-Techniken wichtig.
Dazu muss man einschätzen, ob der andere seine Aggressivität nur vortäuscht, bereits so wütend, dass er ihm Schädigungen anderer egal sind oder ob darauf ist, zu zerstören. Da sollte man dann die entsprechenden Gegenmaßnahmen kenne und bewusst einsetzen. Weil es hier oft ums Rechthaben, Einschüchtern oder dem anderen Weh-tun geht.
Hat man den anderen wieder im steuerungsfähigen Zustand sind die 10 Tit for Tat Regeln sinnvoll.
Helga König: Sie schreiben, dass über 80% aller Konflikte aus Fahrlässigkeit entstehen. Sind sie demnach bei größerer Achtsamkeit vermeidbar?
Dr. Werner Ehrhardt: Das sind Konflikte, die der andere nicht gewollt, aber weil er selber unter Stress unter Strom, unter Adrenalin stand, verursacht hat. Demzufolge muss er auch die Verantwortung übernehmen und das ist ja auch der erste Teil von Regel 4: Ich teile ihm/ihr mit, dass ich "es gemerkt habe" und eine Erklärung verlange. Das ist die erste Gelbe Karte Wenn er darauf nicht eingeht, bekommt er die 2. Gelbe Karte. Ich teile ihm meine Gefühle mit (Ärger, Wut, Enttäuschung usw.) und verlange zwei Erklärungen: Warum ist das passiert und eine Unterlassungserklärung. Wenn er die Vereinbarung das 3. Mal bricht, gibt es Gelb/Rot, ich drohe ihm etwas an, was ihm genauso weh tut, wie mir, ihm genauso viel Schaden zufügen wird, wie er mir zugeführt und gebe ihm das 3. Mal die Chance seine Verhalten zu korrigieren. Beim 4. Bruch der Vereinbarung setze ich meine Drohung um. Immer alles mit Ansage und Freiraum. Das alles hat wenig mit Achtsamkeit zu tun, dass ist bewusstes, angemessenes Eskalieren mit dem Ziel der Deeskalation.
Wenn ich das 1., 2. oder 3. Mal mit ihm/ihr hinter mir habe, wird er achtsam, vorsichtig und verantwortungsvoll mit all den Möglichkeiten, wo ein Konflikt entstehen kann, umgehen.
Helga König: Was tun, wenn der andere auf ehrliche Freundlichkeit weiterhin bösartig reagiert?
Dr. Werner Ehrhardt: Nach zwei gelben und der roten Karte, das Feld räumen oder den anderen mit gesetzlichen Mitteln, der Hilfe Dritter usw. an seinem Tun hindern. Wir leben in einer Welt, in der die Demokratie viel erlaubt, aber es auch Grenzen, Normen und Strafgesetze gibt.
Helga König: Tit-for-Tat wird heute an den Universitäten München und Münster im Rahmen des BWL-Studiums gelehrt. Sie zeigen in Ihrem Buch erstmals, wie jedermann diese Strategie für ein erfolgreicheres Miteinander anwenden kann. Klappt diese Strategie auch im Rahmen von Internetkommunikation?
Dr. Werner Ehrhardt: Ja klar. Da sogar noch etwas leichter, weil die Gefühle oft (nicht immer) schon verraucht sind bevor man etwas schreibt. Es gibt natürlich seit es Emails und Whatsapp, SMS, Twitter und Facebook gibt auch die eine völlige neue Konfliktfalle. Das zu schnelle unbedachte Reagieren. Da werden aber munter noch mal 30 % zusätzliche Konflikte erzeugt. Die man, wenn man das was man da geschrieben hat, nur noch mal durchgelesen hätte voll hätte vermeiden können. Wohl dem, der dann die Regeln sich entschuldigen und wieder gut machen drauf hat.
An den Universitäten München und Münster, sowie in vielen anderen Vorlesungen und Veröffentlichungen wird nur das gelehrt, was von Axelrod als Tit for Tat bekannt gemacht wurde.
Beginne freundlich und ehrlich.
Es sollen beide Gewinner sein.
Schlage bei Verrat sofort und angemessen zurück.
Entschuldige dich und leiste Wiedergutmachung.
Das sind nur 4 Regeln und die allein reichen nicht. Ich musste die Regeln auf 10 erweitern, damit es ein funktionierendes Konfliktlösesystem wird. Das habe ich über 25 Jahre in der Praxis angewendet immer weiter optimiert, so dass es jetzt von jedermann verstehbar und anwendbar ist. Was dazu gekommen ist, sind im Wesentlichen elementare Gesprächsführungsstrategien.
Helga König: Der Begriff „Streithammel“ kommt ja nicht von Ungefähr. Wie geht man mit solch einem notorisch streitsüchtigen Menschen um? Funktioniert Ihre Strategie dann auch?
Dr. Werner Ehrhardt: Ja. Und zwar die Regel 10. Schluss, aus und vorbei. Sich trennen solange es noch einfach ist.
Bei manchen hat die Strategie 4 allerdings auch schon Wunder bewirkt. Und aus einem Saulus einen Paulus gemacht. Je nachdem wie wichtig der andere einem ist, lohnt es sich da schon mal 2, 3 Monate oder 1, 2 Jahre zu investieren. Dann aber ab zur Entsorgung. Eine Trennung mit Begründung ist übrigens viel humaner als eine Trennung ohne Begründung.
Lieber Dr. Erhardt, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Interview.
Ihre Helga König
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