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Helga König im Gespräch mit Michael Weber, Künstler

Lieber Michael Weber, Sie sind ein Künstler mit bemerkenswertem intellektuellen Anspruch.  Weil ich Ihre Werke sehr beeindruckend finde, möchte ich Sie und Ihr künstlerisches Schaffen gerne den Lesern von "Buch, Kultur und Lifestyle" vorstellen und aus diesem Grunde einige Fragen an Sie richten.

Helga König: Wie definieren Sie den Begriff Kunst?

 Michael Weber
Michael Weber: Ungern....höchst ungern definiere ich Kunst. Führt die Auseinandersetzung über den Kunstbegriff doch nicht selten zu heftigsten Streitigkeiten. Wenn es dann schon sein muss, so möchte ich aus den „10 Thesen zur Kunst“ meines Künstlerfreundes Cornelius P. Rinne / Bielefeld (mit dessen freundlicher Erlaubnis) zitieren. „Kunst ist nicht käuflich, da Kunst nur ein Prozess ist an dessen Ende Spuren hinterlassen werden. Nur die Spuren des Prozesses sind käuflich erwerbbar. Kunst ist der gesamte Schaffensprozess, angefangen von der Initialzündung -der Idee, über den deutenden Teil,hin zur Ausführung der Dokumentation / Spur des Prozesses. Dies gilt für alle Kunstsparten von der bildenden Kunst, über Musik, bis hin zu rein rezitierenden Künsten, wie der Schauspielerei. Die Spuren stellen hinterher das Werk in der Öffentlichkeit dar. „

Helga König: In den 70er Jahren haben Sie eine Sonderbegabtenprüfung an der Essener Folkwang Schule erfolgreich bestanden und dort dann Visuelle Kommunikation studiert. Was haben Sie damals für Ihr späteres künstlerisches Schaffen speziell erlernt?

Michael Weber:  Bis heute bin ich noch ein wenig stolz, dass die Prüfungskommission mich bereits nach Mappenvorlage zugelassen hat und mir eine zusätzliche "Pfrüfung vor Ort" erspart geblieben ist. Gelernt habe ich dort das grundsätzliche Handwerkszeug, wie Zeichnen, Schrift etc. und dies bei hochqualifizierten Lehrern, deren Ansprüche an uns Lernenden bisweilen zur Verzweiflung getrieben haben. Vielleicht wichtiger aber war die Erfahrung, dass es notwendig ist,  an den künstlerischen Prozess planmäßig heranzugehen, auch wenn das jetzt arg konservativ klingt, sich an eine bestimmte Ordnung zu halten. Viele meiner Künstlerfreunde haben im Designbereich gelernt und jedem merkt man das an :).Wenn ich ehrlich bin, arbeite ich mit diesem Künstlertypus weit lieber zusammen als mit den oftmals chaotischen Kollegen von den Akademien.

Helga König: Seit den 80er Jahren arbeiten Sie als freischaffender Künstler.Wo liegen die Schwerpunkte in Ihrem Schaffen und haben Sie diese Schwerpunkte im Laufe der Jahre oft verändert?

Michael Weber:  Das meine große Liebe dem Informell gehörte, ist mir erst im Laufe der Jahre klar geworden. Verwundert hat es mich allerdings nicht. Bereits als 10 jähriger hatte ich die wohl entscheidende Begegnung mit dem bekannten (leider verstorbenen) Künstler Kuno Gonschior. Dieser, ein K.O. Götz Schüler und ausgewiesener Meister des Informell, wurde für zwei Jahre mein Lehrer am Gymnasium und hat mein Kunstverständnis wesentlich geprägt. 

Natürlich habe ich mich, über die Lehrjahre, durch die verschiedensten Kunststile hindurch gearbeitet, selbst die so (angeblich) konträr zum Informell stehende Popart hab ich nicht ausgelassen, aber spätestens zum Beginn der 90er Jahre war die Entscheidung für das Informell gefallen. Das hält mich bis heute nicht davon ab, künstlerische Ausflüge ins Konkrete zu unternehmen. Ich halte das für wichtig. Schließlich bin ich nicht den langen Weg zum "freien Künstler" gegangen , um mir dann selbst Ketten anzulegen.

Helga König: Von welchen Künstlern wurden Sie besonders inspiriert?

 Michael Weber
Michael Weber:  Die Liste könnte lang werden …... aber ich versuche sie mal auf die wichtigsten einzugrenzen. Ganz weit oben stehen ganz sicher zwei große niederländische Maler. Zum einen ist dies Frans Hals und zum anderen Piet Mondrian. Beim ersten ist es die großartige, fast schon moderne Pinselführung und schonungslose Darstellungsweise seiner Personen, bei Mondrian ist es der Weg und Wille zur konsequenten Reduktion. Übertroffen wurde er wohl nur durch Malewitsch und sein "Schwarzes Quadrat", ein für meine Entwicklung nicht wegzudenkendes Werk . 
Über allen aber thront der „große Meister“ und Übermaler Picasso. Mit keinem anderen habe ich mich derart intensiv auseinander gesetzt, an keinem anderen mich so abgearbeitet. Originell ist das nicht …aber noch heute stecke ich meine Nase in Bildbände mit Werken des Spaniers, wenn es Problem zu lösen oder Neues zu lernen gibt.

Helga König: Sie stellen Ihre Werke in Deutschland und in den Niederlanden aus, sprechen auch niederländisch. Haben Sie viele niederländische Künstlerfreunde und eventuell einen besonderen Zugang zur Kunstszene dort?

Michael Weber: Leider haben sich meine Kontakte in den Niederlanden in den letzten Jahren, auch aus persönlichen Gründen, stark verringert. Eine Rolle spielt daneben sicherlich die Veränderung in der holländischen Gesellschaft. Eine Veränderung die alles andere als positiv ist. So war z.B. meine letzte Ausstellung im Museum Zandvoort, 2010, nicht nur hoch umstritten, sondern sie wurde von Teilen schlichtweg ignoriert und boykottiert. Die „Bahnhofstrasse“ (eine Auseinadersetzung mit dem Holocaust) sorgte bei vielen Menschen für Unmut und Widerstand. Die Zeit der deutschen Besetzung ist nun wahrlich kein Ruhmesblatt niederländischer Geschichte und scheinbar nur unzulänglich aufgearbeitet. Den einen schien es "noch zu früh" um das Thema (und dann auch noch durch einen Deutschen) aufzugreifen, den anderen war es schon zu lang her, um noch davon berührt zu sein. Dennoch stehe ich in Kontakt zur Museumsleiterin Frau Sabine Hulst, einer engagierten und kämpferischen jungen Frau, um in 2014/15 ein weiteres gemeinsames Projekt, eine Fortsetzung, bzw, Erweiterung der „Bahnhofstrasse“ in das Museum zu bringen.

Helga König: Welche Techniken und Farben bevorzugen Sie?

Michael Weber: Es ist weniger eine Bevorzugung, denn eine kontinuierliche Weiterentwicklung eigener Technik. Ich liebe die Arbeit mit dem Spachtel auf der Leinwand mehr als die mit dem Pinsel. Ich gebe der Ölfarbe den Vorzug vor dem Acryl usw. … 

Zwischen meinen großen Arbeiten, quasi zur Entspannung, widme ich mich mit Begeisterung dem Ölpastellsgrafitto, der Collage und der informellen Arbeit auf Papier. Das alles macht mir sehr viel Freude und wird Jahr um Jahr vertieft und verbessert. Oft höre ich den Satz "Das kann ich doch auch !" und ich antworte stets : "Sicher, aber du musst es 24 Stunden täglich tun." Einzig die Routine birgt die Gefahr der Überperfektion und der Langeweile. Und Langeweile in der Kunst ist die Höchststrafe für Rezipient und Künstler! Bei den Farben bevorzuge ich eindeutig die Grundfarben in Verbindung mit Schwarz und Weiß, sofern es um die Ölmalerei geht. Doch auch dort arbeite ich neuerdings sehr reinfarbig mit Zinnoberrot, Echtgelb etc. ….und auch für mich überraschend, mit Emeralgrün ...eine wunderbare Farbe :)! Wenn ich mit Acrylfarben arbeite, so beschränke ich mich bewusst auf Rot,Schwarz und Weiß. Auch dies her eine Entwicklung der Jahre, denn eine bewusste Entscheidung.

Helga König: Was können Sie den Lesern zu Ihrem Album "Strange Landscapes" Näheres berichten?

Michael Weber: Die Landscapes sind, wie so vieles in meiner Arbeiten, ein Zufallsprodukt. Sie entstehen aus Acrylfarben auf Zeichenpapier (ich bevorzuge Ökopapier der Firma Fabriano) und aufgesprühtem Wasser. Verteilt wird die Farbe, i.d.R. Schwarz, mit einem handelsüblichen, breiten Japanspachtel. Sehr simpel,sehr nachvollziehbar, aber eben auch sehr expressi und herausfordernd. Kunst wie ich sie verstehe und von Herzen liebe. Die Blätter sind zudem recht klein, Din A4. Sehr gut verkäuflich, weil vergleichweise preiswert, unaufwendig in der Rahmung und einfach zu platzieren. Das klingt banal und so gar nicht "künstlerisch", ist mir jedoch, in meinem Selbstverständnis wichtig. Ich möchte meine Kunst überall hin bringen, auch zu Menschen, die nicht zur typischen Klientel gehören. Kunst sollte verständlich sein und wo es sich ergibt, Freude machen. Ich halte nichts von Elfenbeitürmen, vor denen mit Ehrfurcht aufgeblickt wird. Nichts desto trotz ist die Qualität der Werke hoch und ich widme mich ihnen mit gleicher Intention wie jeder anderen Arbeit auch. So "überlebt" zum Beispiel maximal ein Drittel der tatsächlich entstandenen Blätter, der Rest wandert, vor dem eigen kritischen Auge, in den Papierkorb.

Helga Koenig: Was möchten Sie mit dem Album "PostcARTS“ zum Ausdruck bringen?

Michael Weber: Die PostcARTs sind schon beinahe so etwas wie ein kleiner Protest :). Wie oft bekomme ich Lob und ernte Begeisterung für meine Arbeiten, die dann aber schlagartig verstummen, wenn ich die Preise dafür aufrufe. Mit den PostcARTs versuche ich aufzuzeigen, dass Originale in der Kunst nicht teuer sein müssen und dennoch allerhöchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden können. Nicht einmal der Versand ist kostspielig. Auf Wunsch kommt eine Briefmarke hinten drauf, Adresse und ab dafür. Allerdings wird zumeist der Versand im Briefumschlag bevorzugt.

Helga König: Welche Bedeutung hat die rote Farbe auf Ihren Bildern des Albums „Informell“.?

Michael Weber: Wie so vieles bei mir, ist auch diese Frage höchst einfach zu beantworten. Rot ist seit der Kindheit meine Lieblingsfarbe. So sind beispielsweise meine Auto stets rot . Natürlich setzt Rot immer deutliche Akzente und vermittelt bestimmte psychologische Effekte, doch geht es mir darum nicht vorrangig. Manche Arbeiten brauchen Rot aus kompositorischen Gründen, manche haben das nicht nötig, folglich bleibt das Rot weg. Ich mache mir da nicht annähernd so viele Gedanken, wie vielleicht vermutet wird. Rot gehört schlichtweg zu meinem handwerklichen und künstlerischen Repertoire. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich doch tatsächlich erwogen einmal die Farbe Blau in den Mittelpunkt einer Werkreihe zu stellen. Habe es aber wieder verworfen. Zu! artificial“ einerseits, zu uninteressant andererseits......Verstehe einer diese Künstler......

Helga König: Können Sie unseren Lesern etwas über die Bilder und Ihre Ausstellung „Bahnhofsstraße“ berichten?

Michael Weber: Zur „Bahnhofstrasse“ gäbe und gibt es sehr, sehr viel zu sagen. Ich fürchte aber, dass dies hier den Rahmen sprengen und mich überfordern würde. Vielleicht aber soviel. Ursprünglich sollte die Arbeit an diesem Zyklus vorrangig dazu dienen mich an meine neue Heimatstadt Witten heranzuführen,eine Anbindung zu schaffen. Just in diesem Moment jedoch bin ich dabei meinem Umzug,weg aus Witten und zurück in meine Heimatstadt Bochum, vorzubereiten.Unser Wittener Haus ist verkauft und in wenigen Tagen unterzeichnen wir den Vertrag für das neue Haus. Sicher werde ich auch in Bochum eine Bahnhofstrasse finden......

Michael Weber 06.08.2013 Witten

Lieber Michael Weber, ich danke Ihnen herzlich für dieses aufschlussreiche Interview.
Helga König

Fotos: Copyright Michael Weber



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