Liebe Frau Michellod, lieber Herr Grötecke, lieber Herr Apitz, ich hatte gestern das Vergnügen, Gast auf der "2 urban-Vernissage" sein zu dürfen und möchte heute einige Fragen zur Ausstellung "2urban" an Sie alle richten, die vom 5- 17. April 2013 im Foyer des Rathauses in Wiesbaden gezeigt wird.
Helga König: Wie definieren Sie den Begriff Kunst, lieber Herr Grötecke?
Stefan Grötecke Foto: Helga König |
Stefan Grötecke: Kunst ist, von den Begriffen, die wir „täglich“ nutzen, sicher einer der am schwierigsten zu fassenden. Kunst entspringt für mich aus der jeweiligen Prägung eines sozialen und kulturellen Raumes, in dem sich Kunstschaffende und Kunstinteressierte treffen. Letztendlich ist in diesem „Raum“ alles Kunst, was sowohl Schaffende als auch Interessierte als solches bezeichnen. Sobald dies der Fall ist, entwickelt sich darauf folgend ein Markt, auf dem diese „Werke“ gehandelt werden.
Helga König: Können Sie unseren Lesern ein wenig über „projekt 48 galerie. agentur“ und Ihre Aufgabe bei der Ausstellung „2urban“ berichten?
Stefan Grötecke: projekt48 galerie.agentur entstand im Sommer 2012 aufgrund des Wunsches von Michael Apitz und mir, unsere langjährige projektbezogene Zusammenarbeit als Freunde zu professionalisieren. Wir diskutierten verschiedene Geschäftsmodelle. Schließlich gründete ich projekt48 und Apitz war der erste Künstler, den ich exklusiv vertrete. Es kamen weitere Künstler dazu, so wie auch Jeanette Michellod, die parallel zu Michael Apitz an der Idee „urban“ gearbeitet hat.
projekt48 ist u.a. eine „klassische“ Galerie, nur ohne feste Ausstellungsräume. Wir nutzen gezielt leerstehende Objekte und bespielen diese temporär mit Kunst. Jedem Eigentümer oder Vermieter garantieren wir dabei, dass wir innerhalb von 48 Stunden das Objekt räumen, sofern dies gewünscht sein sollte. Neben der Galerietätigkeit bieten wir einem kleinen Kundenkreis auch Agenturtätigkeiten an.
Meine Rolle bei 2urban war vielgestaltig und im Wesentlichen im Hintergrund. Zunächst ging es darum, mit den Künstlern im Dialog zu stehen und begleitend zu entwickeln, was im Rahmen der Serie „urban“ entstanden ist. Dabei ist es mir wichtig, keinen unmittelbaren Einfluss auf das Schaffen selbst zu nehmen, sondern als Ansprechpartner da zu sein, Sorgen und Nöte zu hören, zu motivieren, zu ermutigen,….
Ansonsten habe ich die Aufgaben wie jeder Galerist, von der Planung von Aktionen und Ausstellungen über das Marketing bis hin zu dem Vertrieb.
Bei einer Ausstellung selbst geht es dann ganz viel um Organisation und das Zusammenspiel von vielen, sehr unterschiedlichen Menschen. Hierbei hilft mir sicher meine langjährige Erfahrung als „Personaler“.
Helga König: Wie definieren Sie den Begriff Kunst, liebe Frau Michellod?
Jeanette Michellod Foto: Helga König |
Jeanette Michellod: Über den Begriff Kunst im Allgemeinen zu urteilen, dürfte ein schwieriges Unterfangen werden. Was Kunst ist, entscheidet der Betrachter. Daher kann ich nur von meinen eigenen Vorstellungen um dem Umgang damit sprechen. Kunst ist für mich schlicht die Freiheit der Gedanken. Die Möglichkeit, auch dem Unangenehmen davon genügend Freiraum zu bieten. Nichts wegdrücken oder verneinen, sondern sich mit allem auseinandersetzten, was eben in einem ist. Die resultierenden Werke sind daher immer auch Teil meiner persönlichen Geschichte.
Helga König: Welche Eindrücke bei Ihren Stadtrundgängen durch Mainz und Wiesbaden waren Ihnen am wichtigsten im Hinblick auf die Werke für die Ausstellung „2 urban“?
Jeanette Michellod: Zur Vorbereitung auf "2urban” unternahm ich
ausgedehnte Streifzüge durch beide Städte, ohne dabei einem klaren Kurs zu folgen. Ziel war es, in einem möglichst neutralen Zustand, einzig die Umgebung auf mich wirken zu lassen. Es gab selten konkret herausragende Situationen, die das Bild einer der Städte maßgeblich geprägt hätten. Eher die Wahrnehmung einer gefühlsmäßigen Großwetterlage. Von Zeit zu Zeit suchte ich mir eine zentralen Ort zum Beobachten und lies das Treiben ungefiltert auf mich wirken.
Helga König: Mit welchen Materialien haben Sie in erster Linie gearbeitet und welche Farben spielten die zentrale Rolle, um ihre Botschaft zu übermitteln und vor allem, was ist Ihre Botschaft?
Jeanette Michellod: Meine Hauptmaterialien sind Stoff und Faden. Farblich habe ich mich diesmal eher zurückgehalten und die Bilder größtenteils nach graphischen Maßstäben arrangiert. So ist flächiges Weiß das dominierende Element, Rot und Blau als anerkannte Identifikation für die beiden Schwesterstädte und die Verarbeitung an der Nähmaschine mein persönliches Element der Visualisierung.
Meine Botschaft – wenn ich eine zum Ausdruck hätte bringen wollen – wäre gewesen, das beide Städte letztlich wunderschön sind. Städte mit herzlichen Menschen, beeindruckender Architektur und großem kulturellen Angebot. Einfach lebens- und liebenswert.
Helga König: Sie sind in Mexiko aufgewachsen und haben in Stuttgart, München und Berlin studiert. Worin unterscheidet sich Ihr künstlerischer Blick auf die Städte Mainz und Wiesbaden von dem des Malers Michael Apitz, der mit der Region seit seiner Kindheit eng verbunden ist?
Jeanette Michellod: Ich denke mein Blick könnte vielleicht ein
wenig touristischer sein. Ich musste erst mal auf Entdeckungstour gehen, um mir meinen eigenen Eindruck zu verschaffen. Es gab keine persönliche Geschichte, die mich mit den Orten hätte verbinden können. So waren es nur die sichtbaren Fassaden und die Menschen, welche auf mich wirkten. Meine Erfahrungen aus vorherigen Lebensphasen tragen sicher dazu bei den Bildern eine persönliche Note zu geben, fernab der hiesigen Realität. Mir geht es weniger um das was ist, als um das was ich dabei empfinde.
Helga König: Wie definieren Sie den Begriff Kunst, lieber Herr Apitz?
Michael Apitz Foto: Helga König |
Michael Apitz: Das ist ja mal gleich die schwerste Frage die man stellen kann!
Eigentlich definiere ich den Begriff gar nicht. Meine Herangehensweise ist eine ganz subjektive:
Kunst ist das, was mich zum Träumen bringt, was mich beeindruckt und bewegt.
Das kann aber für andere wiederum ganz anders sein... War es in der Kunst nicht schon immer so, dass Künstler geliefert haben und andere haben entschieden, ob es Kunst ist oder nicht?
Helga König: Als Mainz- und Wiesbaden-Kenner hatten Sie gewiss bei Ihren Rundgängen im Vorfeld zur künstlerischen Schaffensperiode einen besonderen, nicht touristischen Blickwinkel. Worauf kam es Ihnen an, was haben Sie gesehen, was andere nicht wahrnehmen?
Michael Apitz: Ich glaube gar nicht, dass ich Dinge sehe, die andere nicht sehen.
Ich sehe sie vielleicht nur genauer an und vor allem anders!
Es ist eben die subjektive Sicht eines Künstlers auf die Dinge, die er dann in seinen Werken wiedergibt.
Helga König: Mit welchen Materialien haben Sie in erster Linie gearbeitet und welche Farben spielten primär eine Rolle, um Ihre Botschaft zu übermitteln und vor allem, was ist Ihre Botschaft?
Michael Apitz: Ich male nach wie vor mit Acryl in einer speziellen Mischung aus Spachteltechnik und Lasuren.
Ich habe keine Botschaft. Ich bin Maler und male Bilder, die gemalt werden müssen...
Helga König: Betrachten Sie architektonisch Wiesbaden als eine Fortsetzung von Mainz und stellen die klassizistischen Gebäude Wiesbadens eine größere Herausforderung für Sie als Künstler dar als die mittelalterlichen Fachwerkhäuser der Mainzer Altstadt?
Michael Apitz: Das ist so nicht ganz korrekt... denn beide Städte
sind ungefähr gleich alt und haben sich in über tausend Jahren zu unterschiedlichen Zeiten stärker oder weniger stark entwickelt.
Und Fachwerkhäuser gibt es übrigens in Wiesbaden mehr als in Mainz! Da hat die Kriegsbombardierung ganze Arbeit geleistet.
Wenn ich also bei Mainz Fachwerk male, dann ist das auch der Nachklang einer alten Blütezeit.
Und dass bei Wiesbaden die Kaiserzeit prägend war, ist bis heute unübersehbar!
Ich kenne beide Städte seit meiner Kindheit sehr gut.
Grundsätzlich habe ich aber erst einmal Motive gewählt, die mich persönlich besonders berühren und die sich künstlerisch spannend bearbeiten lassen.
Das ist dann mal der Mainzer Dom und mal eine Rheinbrücke oder ein Zementwerk... und technisch ist jedes Motiv eine Herausforderung - da ist es egal, ob das Motiv klassizistisch oder mittelalterlich daher kommt.
Liebe Frau Michellod, lieber Herr Grötecke, lieber Herr Apitz. Ich danke Ihnen herzlich für das aufschlussreiche Interview und wünsche Ihrer Ausstellung viel Erfolg.
Ihre Helga König
Hier der Link zur Website: www.projekt48.de
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