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Peter J. König im Gespräch mit Prof. Dr. Harald Welzer

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Welzer, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Selbst Denken"  rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen. 

Peter J. König: Warum, Herr Prof. Dr. Welzer befassen Sie sich mit Zukunftsforschung und kann man die Zukunft überhaupt wissenschaftlich erforschen, bei so vielen Unwägbarkeiten? 

 Prof. Dr. Harald Welzer
Prof.  Dr. Harald Welzer: Ich glaube nicht, dass ich Zukunftsforschung betreibe. Ich befasse mich mit der Geschichte und der Gegenwart und versuche, daraus Rückschlüsse auf künftige Entwicklungen zu ziehen. Und vor allem, aber das ist dann nicht mehr Wissenschaft, aus all dem auch politische Schlussfolgerungen zu ziehen: Wie können wir unsere Gesellschaft so transformieren, dass sie auch noch für diejenigen Zukunft hat, die heute Kinder und junge Erwachsene sind. 

Peter J. König: Sehen Sie Ihr Buch „Selbst Denken“ als einen wissenschaftlichen Beitrag oder eher als einen ethisch-philosophischen Anstoss?

Prof. Dr. Harald Welzer: Das Buch ist ein Hybride: aus Autobiographie, Wissenschaft, Essay, Science fiction, Theorie und Bildern. 

Peter J. König: Sie sagen Utopien sind nötig, nicht damit sie umgesetzt werden sondern als Denkmodelle zur Weiterentwicklung. Betrachten Sie Ihre Zukunftsvisionen dementsprechend nicht als utopisch und was macht Sie diesbezüglich optimistisch? 

Prof. Dr. Harald Welzer: Meine Zukunftsvorstellungen sind nicht utopisch. Ich spreche über gegebene Möglichkeiten und die Chancen, sie umzusetzen. Aber ich spreche auch darüber, dass man immer auch andere Optionen wählen kann – zum Beispiel einfach weiterzumachen wie jetzt – und was dabei vermutlich herauskommt. Nichts Gutes. 

Peter J. König: Wann erwarten Sie die Ideologie des sich immerfort steigernden Konsums als überholt und was kommt danach? 

Prof.  Dr. Harald Welzer: Der Hyperkonsum erfordert immer mehr Material und Energie, weshalb er eine natürliche Grenze hat. Die wird global nicht zum selben Zeitpunkt erreicht. Manche können länger so weiter machen, viele schon heute nicht. Was danach kommt?   Eine lebensdienlichere Form der Bedürfnisbefriedigung mit viel weniger als jetzt, damit für alle genug da ist. Oder weniger Weltbevölkerung, im schlechten Fall, weil nicht für alle genug da ist. 

Peter J. König:  Ist es nicht eher wahrscheinlich, dass sich die Menschheit durch Gewaltexzesse enorm reduziert hat, bevor sie den Gedanken eines vernunftsorientierten Miteinander praktisch lebt und führt dieser Umstand nicht dazu, dass Selbstbeschränkung als nicht notwendig erachtet wird? 

Prof.  Dr. Harald Welzer: Die Frage finde ich irrelevant. Es ist ausschließlich die eigene Entscheidung, ob man vernünftig handeln will. Niemand wird einem einen Garantieschein geben, dass das dann die Welt rettet.

Peter J. König: Sehen Sie heute schon Anzeichen, abgesehen von Einzelbeispielen, dass Menschen sich in Ihrem Sinn verändern wollen, gibt es entsprechende, erkennbare Bewegungen?

Prof. Dr. Harald Welzer: Ja, jede Menge. Es gibt eine Renaissance der Genossenschaften, eine erhebliche Skepsis gegenüber der etablierten Politik, jede Menge Menschen, die sich einsetzen für eine andere Moderne. 

Peter J. König: Wie reagieren jüngere Leser auf Ihr Buch und wie die älteren, sind da eindeutige Unterschiede fest zu stellen? 

Prof. Dr. Harald Welzer: Nein. Aber zu meiner großen Freude sind viele junge Leute bei den Veranstaltungen zum Buch. Die Veranstaltungen sind oft sogar total überfüllt, das ist toll. 

Peter J. König: Sie trauten den Menschen so viel Lernfähigkeit zu und Vernunft natürlich auch, dass sie ihre angeborenen Egoismen überwinden können? 

Prof. Dr. Harald Welzer: Egoismus ist nicht angeboren. Menschen sind eine kooperative Lebensform, deshalb sind Egoismen nicht überlebensdienlich. Man darf kurzfristige Wirkungen historischer Phasen nicht mit dem „Wesen der Menschen“ verwechseln. Deshalb hat das absurde Menschenbild der Ökonomen, der homo oeconomicus, ja mittlerweile auch ausgedient. Wäre ja auch furchtbar, wenn wir alle Hans Werner Sinn wären.

Peter J. König: Wie verhalten sich Politik und Wirtschaft gegenüber Ihren Zukunftsideen, eindeutig ablehnend oder vielleicht doch mit einem gewissen Interesse?

Prof. Dr. Harald Welzer: Die Welt ist bunt, auch in Politik und Wirtschaft. Einige interessiert es, die meisten nicht. Das ist aber egal, weil es auf die Wenigen ankommt. 

Peter J. König: Sind Sie der einsame Rufer in der Wüste oder sehen wissenschaftliche Kollegen ein ähnliches Schicksal auf die Menschheit zu rollen, wenn nicht grundsätzlich umgesteuert wird? 

Prof. Dr. Harald Welzer: Seit den „Grenzen des Wachstums“ von 1972 gibt es eine weit verbreitete Skepsis gegenüber der Tragfähigkeit unseres Wirtschaftsmodells. Leider hat Wissenschaft keinen sonderlichen Einfluss auf den Rest der Welt.

Lieber Herr Prof. Dr. Welzer, besten Dank für das aufschlussreiche Interview.

Peter J. König

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2 Kommentare:

  1. So lange wir das Wachstum der Weltbevölkerung nicht in den Griff bekommen sind alle Zukunftspläne, alle
    Utopien, alle politische und gesellschaftliche Vorhaben nichts wert. Angesichts kapitalistischer
    und religiöser Forderungen nach immer mehr Kindern, kann ich keinen Grund zum Optimismus finden. Nachhaltiges Denken und Handeln muß mit
    weltweiter Geburtenkontrolle beginnen. Alle anderen Wege führen zwangsweise in die Apokalypse. Wer Anderes verbreitet ist ein Betrüger!

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  2. So lange wir das Wachstum der Weltbevölkerung nicht in den Griff bekommen sind alle Zukunftspläne, alle
    Utopien, alle politische und gesellschaftliche Vorhaben nichts wert. Angesichts kapitalistischer
    und religiöser Forderungen nach immer mehr Kindern, kann ich keinen Grund zum Optimismus finden. Nachhaltiges Denken und Handeln muß mit
    weltweiter Geburtenkontrolle beginnen. Alle anderen Wege führen zwangsweise in die Apokalypse. Wer Anderes verbreitet ist ein Betrüger!

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