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Helga König im Gespräch mit Christine Bauer-Jelinek

Liebe Frau Bauer-Jelinek,  vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Der falsche Feind" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.
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Helga König:  Dass die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau wünschenswert ist, dürfte von keinem vernünftig denkenden Menschen in Frage gestellt werden. Die Emanzipationsbewegungen im letzten Jahrhundert hat diesbezüglich Hervorragendes geleistet. Was hat sich seitdem geändert in dieser Bewegung, wieso konnte es zu den vielen Schieflagen kommen?

Christine Bauer -Jelinel
Foto: Andreas Kolarik
Christine Bauer-Jelinek:  GleichbeRECHTigung ist in der westlichen Welt erreicht. Frauen wie Männer können alles werden. Das heißt noch nicht, dass sie es auch MÜSSEN! Gegen den Zwang der heute üblichen Frauenpolitik (die ich im Buch Allmachts-Feminismus nenne), wehre ich mich. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alle Menschen 40 Stunden arbeiten müssen (und dann oft von ihrem Gehalt nicht leben können, und es ja auch gar nicht genügend Arbeitsplätze für alle gibt) und alle Kinder und Alte in Institutionen müssen, die sich keiner leisten kann und die persönliche Zuwendung nicht ersetzen können. Und NEIN, das heißt nicht, dass Frauen wieder an den Herd sollen und die unbezahlte Arbeit machen - aber irgendjemand muss dafür Zeit haben, ohne in Existenznot zu geraten - das können Dank der Errungenschaften nun auch die Männer sein. Gleichberechtigung heißt auch "Gleichverpflichtung". Zum zweiten Teil denke ich mir, dass uns die Frauenbewegung zu Beginn schon voran gebracht hat (sonst säßen wir wohl alle noch in den Küchen), aber dieser derzeitige unsägliche Zwang, dass alle nun dasselbe machen MÜSSEN, bringt uns nicht weiter, sondern beraubt uns unserer Freiheit, spaltet und schwächt die Kräfte, die eigentliche eine menschlichere Gesellschaft anstreben.... Ich finde GleichbeRECHTigung wichtig, weil es Frauen wie Männern ermöglicht, alles zu tun und zu werden, was sie wollen. Diese Errungenschaft der Frauenbewegung hat einen Grundstein gelegt. Gleichwertigkeit sehe ich eher als ideelle Kategorie - und daran zweifelt wohl heute niemand mehr. Das typische am heutigen Allmachts-Feminismus ist mE. die Gleichschaltung, der Zwang: alle MÜSSEN dasselbe machen. Statistisch muss es gleich sein - und wer etwas anderes möchte, wird als rückständig oder unwissend oder sogar dumm bezeichnet (wie auch hier in manchen Kommentaren). Damit geht die eben gewonnene Freiheit wieder verloren... Ich finde, dass jeder Mensch (Frau wie Mann) finanziell abgesichert gehört, (am besten mit einem bedingungslosen Grundeinkommen und Arbeitszeitverkürzung), damit nicht alle in die Erwerbsarbeit gezwungen werden und auch Zeit für Zuwendung, soziales und politisches Engagement, Kunst etc. bleibt.

Helga König:  Was verstehen Sie unter dem Begriff  "Allmacht-Feminismus " und wer ist dessen geistige Mutter?

Christine  Bauer-Jelinek:  Dieses Kunstwort habe ich geprägt, um in dem Begriffchaos der sogenannten Feminismen Ordnung zu schaffen. Der Allmachts-Feminismus besteht aus den einander widersprechenden Strömungen des Gleichheitsfeminismus und des Differenzfeminismus - seine Botschaften sagen den Frauen, dass sie einerseits stark und gleich sind wie die Männer (soziales Geschlecht, Gender) aber andererseits doch weiblich, sanft, sexy - also anders sind (biologisches Geschlecht). Dadurch bekommen alle "einen Knopf" im Kopf. Es gibt keine Protagonistin. Es ist vielmehr eine Machtstrategie des herrschenden Systems, dass den Geschlechterkampf als Stellvertreterkrieg nutzt.

Helga König:   Sie sind nicht "nur" Psychotherapeutin und erfolgreiche Buchautorin, sondern auch ein renommierter Wirtschaftscoach. Dadurch wissen Sie wie im Hier und Heute weibliche Führungspersonen ticken. Wieso haben nicht wenige besagter Frauen Probleme, Vorgaben und Ziele exakt einzuhalten und wie erklären Sie sich, dass Männer in gleicher Position "pflegeleichter" sind? Wie erklären Sie sich weiter, dass Frauen so große Schwierigkeiten haben, sich in Hierarchien einzufinden?

Christine Bauer-Jelinek:  Die traditionelle Erziehung hat Männer und Frauen auf unterschiedliche "Welten" vorbereitet: Frauen für die Familie (heiratet sowieso, braucht daher keine Ausbildung). Männer für die Berufswelt und die damit verbundenen Machtpositionen (muss früh in Vereine, abgehärtet werden etc). Damit waren beide gut vorbereitet. Nun haben wir die Rollen in Wirklichkeit erst seit 40 Jahren verändert - da ist verständlich, dass das Verständnis noch nicht so ausgeprägt ist. Frauen lehnen die Strukturen von Großorganisitationen instinktiv als "männlich = unmenschlich" ab. 

Helga König: Wie reagieren potentielle weibliche Führungskräfte, die von Ihnen gecoacht werden, sobald Sie erkennen, dass unsere Wirtschaftsgesellschaft ihnen Verhaltensmuster abverlangt, die nicht ihren bisherigen Zielen und Werten entsprechen?

Christine Bauer-Jelinek:  Meist sind sie zuerst überrascht, dann kurz ablehnend und wenn sie eine Entscheidung getroffen haben, lernen sie überraschend schnell - darüber war ich selbst verblüfft. Das größte Hindernis ist der emotionale Widerstand.

Helga König: Gibt es statistische Erhebungen, wonach Frauen weniger geschickt mit struktureller Macht umgehen können und weniger Konkurrenz- und kampfbereit sind als Männer?

Christine Bauer-Jelinek:  Dazu gibt es jede Menge Literatur, deren Ergebnisse jedoch meist "allmacht-feministisch" interpretiert werden: die Frauen würden dadurch die Welt besser machen, menschlicher sozialer. Das dass offensichtlich ihrem Gehaltsniveau und ihren Karrieren schadet, kann man nur im Umkehrschluss erkennen.

Helga König:  Scheitern Frauen auf dem Weg durch die "gläserne Decke", weil sie weniger gut mit Demütigungen und Ungerechtigkeiten umgehen können als Männer, genauer besitzen Frauen eine geringere Frustrationstoleranz?

Christine Bauer Jelinek:  Das ist aus meiner Beobachtung heraus sicher zu bejahen. Frauen sind fast unendlich belastbar, wenn es um Sacharbeit geht, um Improvisation, um Kreativität und um menschliche Aspekte der Führung. Wenn es jedoch um Konkurrenz geht, und sie sich selbst verkaufen müssen, Angriffe parieren etc, dann ziehen sie sich oft beleidigt zurück.

Helga König: Vermuten Sie, dass Frauen aufgrund der in unserer Gesellschaft seit einigen Jahren um sich greifenden Egomanie diese allmachtsfeministischen Ideen entwickelt haben und nun ausleben?

Christine Bauer-Jelinek:  Das vielleicht auch - aber vor allem wird ihnen ja seit etwa 10 Jahren über Medien, Ansprachen, politische Programme vermittelt, dass sie besser seien und ein Recht auf Wiedergutmachung haben - man kann es ihnen nicht verdenken, dass sie die Realität falsch einschätzen.

Helga König: Frauen sind häufiger in sozialen Berufen tätig, die weniger gut bezahlt werden als andere eher männertypische Berufe. Aus welchen Quellen sollte nach Ihrer Meinung eine angemessenere Entlohnung der sozialen Berufe erfolgen?

Christine Bauer- Jelinek: Dazu muss sich das gesamte Wirtschaftssystem ändern - in diesem Sparzwang mit den ständigen Angriffen der Finanzmärkte im Rücken kann es nicht funktionieren. Ich kenne die Gehaltsargumente (Schere, Studien, Klagen etc.) sehr genau und ich bezweifle ja natürlich auch gar nicht, dass die Frauen weniger verdienen - ich habe nur meine Bedenken zur Begründung: Das liegt nicht daran, weil sie Frauen sind, sondern weil der herrschende "finanzgetriebene Neoliberalismus" so funktioniert - auch für Männer Dass Sozialberufe schlechter bezahlt werden als technische Berufe, ist ja bekannt - jedoch auch für Männer. Und was würde sich bessern, wenn mehr Frauen in der Technik und mehr Männer in schlecht bezahlten Berufen arbeiten würden? Vielleicht wäre dann die Ungerechtigkeit gegendert. Eine Verbesserung der Situation sehe ich darin, dass man aufhört, jeden Nachteil, den das neoliberale System erzeugt, dadurch beheben zu wollen, dass der/die Einzelne eben mehr arbeiten soll - noch dazu, wo die Vollzeit- Arbeitsplätze ja nicht mehr werden, sondern weniger. Sozial denkende Frauen (und Männer) könnten doch zum Ausgleich auch Mindestpensionen fordern - unabhängig von der Länge der Berufstätigkeit - oder noch besser, ein bedingungsloses Grundeinkommen, dann könnten Frauen wie Männer ihr Bedürfnis nach Familie und Freunden ausleben, ohne in existenzielle Nöte zu kommen und ohne, dass sie vom Arbeitsmarkt erpresst werden können.

Helga König:  Sollten Frauen mehr in die Verantwortung gezogen werden, wenn sie gegen den erklärten Willen des Mannes schwanger werden oder konkreter, hat eine wirklich emanzipierte Frau die Pflicht, dafür zu sorgen, dass eine Schwangerschaft nach vollzogenem Beischlaf nur dann zustande kommt, wenn beide Beteiligten es wollen?

Christine Bauer- Jelinek:  Ich sehe einerseits die Verpflichtung zur Verhütung auch noch viel stärker beim Mann. Wenn er keine Kinder will, dann hat er sich auch mehr darum zu kümmern. Nur sind seine Möglichkeiten begrenzt. Daher sind die Frauen im Sinne der Rücksicht auf den "schwächeren" Partner hier noch mehr in der Verantwortung. Aber ich sehe auch ein Problem darin, dass die Männer (aber inzwischen auch viele Frauen) eher daran arbeiten, das Thema Reproduktion in die Technik zu verlagern, damit beide (so meinen sie) wirklich gleiche Voraussetzungen und Freiheiten haben. Der Erfinder der Antibabypille meinte dazu: In Zukunft werden Kinder aus den Keimzellen entstehen, ohne direkte Beteiligung der Eltern.... Naja, und wenn wir das nicht wollen, dann müssten wir uns dringend um bessere Bedingungen für Frauen (und genauso für Männer) einsetzen, die Betreuung und Zuwendung für Kinder( und Alte) erbringen wollen und ihnen die Freiheiten zur Gestaltung lassen.

Helga König:  Wie erklären Sie sich, dass immer mehr Frauen sich scheiden lassen. Ist die neue Frauengeneration nicht mehr beziehungsfähig?

Christine Bauer- Jelinek:  Die Bereitschaft für Beziehungen zu kämpfen, hat auf beiden Seiten abgenommen, wobei auch da die Männer der Entwicklung nachhinken: Frauen müssen sich nicht mehr alles gefallen lassen, sie können in unserer Gesellschaft auch allein (über)leben, daher gehen sie auch viel leichter als früher aus unangenehmen Beziehungen. Männer trifft das oft noch völlig überraschend, weil sie nicht damit rechnen.

Helga König:  Was raten Sie der Feminismus- Bewegung in unseren Tagen, vor allem, was raten Sie jungen Mädchen im Hinblick auf deren beruflichen und privaten Werdegang?

Christine Bauer- Jelinek:  Jungen Menschen rate ich, die Kinder früh zu bekommen, dann sind sie bereits in der Schule, wenn der berufliche Erfolg möglich wird. Dem Feminismus rate ich dringend, sich selbst aufzulösen, denn er hat alles erreicht, wofür er angetreten ist, und die soziale Frage betrifft beide Geschlechter gleichermaßen. Frauen und Männer müssen gemeinsam gegen das System antreten - ein Geschlecht allein schafft das nicht.

Liebe  Frau Bauer-Jelinek, für Ihr aufschlussreiches Interview  bedanke ich mich herzlich.

Ihre Helga König

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