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Helga König im Gespräch mit Dr. Marion Sonnenmoser

Sehr geehrte Frau Dr. Sonnenmoser, vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Echt schön!" rezensiert, heute möchte ich Ihnen hierzu einige Fragen stellen.

Helga König: Wann ist in Ihren Augen ein Mensch schön und welchen Effekt hat das gute Aussehen auf den ersten Eindruck bei Ihnen spontan, die Sie sich ja intensiv mit dem Einfluss von Körperbildern auf Werturteile befasst haben? 

Dr. Marion Sonnenmoser: Für mich ganz persönlich ist ein Mensch schön, wenn er in sich ruht, zufrieden mit seinem Leben ist und einen Sinn darin gefunden hat. Solche Menschen haben eine ganz besondere Ausstrahlung, die meinen Blick auf sie zieht. Entspricht eine Person den gängigen Schönheitsidealen, geht es mir wie wahrscheinlich jedem: Ich schaue hin und bewundere oder beneide die Person vielleicht ein bisschen. Dann aber versuche ich immer, den Menschen hinter dem attraktiven Äußeren zu sehen – das tue ich übrigens auch bei Personen, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen. 

Helga König: Sie schreiben, dass der ständige Vergleich im Aussehen sich bei Schwestern negativ auf das Körperbild auswirken kann.  Können Sie kurz erläutern, wie Sie das konkret meinen? 

Dr. Marion Sonnenmoser: Viele Frauen wie zum Beispiel Schwestern oder Freundinnen – aber auch immer mehr Männer – beschäftigen sich recht intensiv alleine oder in Gemeinschaft mit ihrem Aussehen. Bei letzterem ist eine positive und eine negative Art und Weise zu unterscheiden. Die positive besteht darin, sich gegenseitig zu bestärken und der Anderen dabei zu helfen, aus sich persönlich das Beste zu machen und die individuellen Stärken hervorzuheben, ohne zu einem Abziehbild des weit verbreiteten Schönheitsideals zu werden. Die negative besteht darin, ständig direkt oder indirekt Kritik zu äußern, die Andere zu verunsichern und sich selbst schlecht zu machen (sich z.B. selbst als „zu dick“ zu bezeichnen, selbst wenn man schlank ist), um auf diese Weise Komplimente zu erhalten (z.B. „Du bist doch gar nicht dick, sondern hast eine tolle Figur“) oder um der Kritik durch andere Personen zuvorzukommen (sog. „Fat talk“). Laut wissenschaftlicher Forschung kommt die negative Art und Weise leider häufiger vor als die positive. Ständig negative Informationen über sich selbst zu erhalten oder zu produzieren führt unweigerlich dazu, dass man sich selbst nicht neutral oder wohlwollend betrachten kann und dass man ein ungünstiges Bild vom eigenen Aussehen entwickelt. Sie schreiben auch, dass bestimmte Persönlichkeitsfaktoren das Bild beeinflussen, das wir uns von unserem Körper machen.

Helga König: Ist es einem psychologisch nicht ausgebildeten Menschen überhaupt möglich, nachhaltigen Einfluss auf die genannten Eigenschaften zu nehmen, ohne sich in eine Therapie zu begeben? 

Dr. Marion Sonnenmoser: Persönlichkeitseigenschaften gelten als weitgehend unveränderbar. Aus diesem Grund kann daran auch nicht direkt angesetzt werden, wenn man Freundschaft mit seinem Körper schließen möchte. Es geht vielmehr darum, sich bewusst zu sein, wie man „tickt“, um negativen Tendenzen, die durch bestimmte Persönlichkeitseigenschaften gefördert werden und dem Körperbild schaden, in einem gewissen Sinne Einhalt zu gebieten. Ist jemand zum Beispiel perfektionistisch, dann kann er daran wenig ändern. Aber er kann sich – wenn er etwa vor dem Spiegel mal wieder kein gutes Haar an sich lässt – bewusst machen, dass er dazu neigt, sein Aussehen übertrieben hart zu beurteilen und sich damit keinen Gefallen tut. Hat er sich dies erst einmal klar gemacht, kann er daran arbeiten, sich selbst mit freundlicheren und weniger strengen Augen zu betrachten. 

Helga König: Wie groß ist der Einfluss von Werbung auf das eigene Körperbild und wie kann man den Einfluss minimieren?

Dr. Marion Sonnenmoser: Werbung ist einer von vielen Faktoren, die Einfluss auf das Körperbild haben. Da Werbung in unserer Umgebung fast überall präsent ist, werden wir unweigerlich und fast ständig mit dem Schönheitsideal, das die Werbung vorgibt, konfrontiert. Werbung lässt die meisten von uns nicht kalt, sondern wir vergleichen uns automatisch mit den auf Werbefotos und in Werbefilmen gezeigten Menschen und schneiden dabei in der Regel schlecht ab, weil wir nicht so aussehen wie sie. Wir wären aber gerne wie sie, weil die Werbung suggeriert, dass es einen Zusammenhang zwischen gutem Aussehen und Erfolg, Beliebtheit, Jugendlichkeit, Wohlbefinden, Vitalität und Genuss gibt, und dass wir nur ein gutes Leben führen können, wenn wir hochgradig attraktiv sind. Also tun wir alles dafür und quälen uns jahrelang mit Diäten und Selbstzweifeln, ohne zu merken, dass der Kampf um ein attraktives Äußeres unsere Lebensqualität erheblich reduziert, und dass wir besser und selbstbestimmter leben könnten, wenn wir aufhören zu kämpfen und uns weniger von der Werbung beeinflussen lassen. Der Einfluss der Werbung auf das eigene Denken lässt sich auf vielfältige Weise reduzieren; hier einige Vorschläge: 

 • Sich informieren, wie Werbung gemacht wird (z.B. sollte man wissen, dass die meisten Fotos nachträglich am Computer verändert werden, dass also kleine Fehler und Makel wegretuschiert werden; die Menschen, die zu sehen sind, gibt es in der Realität nicht – also kann niemand, auch man selbst nicht, jemals so perfekt aussehen; man sollte einfach nicht alles glauben, was man sieht) 

 • Sich informieren, wer Werbung macht und was er damit bezweckt (z.B. sollen mithilfe mancher geschickter Werbung Selbstkritik, Schamgefühle oder Ängste hervorgerufen werden, die dazu verleiten, ein bestimmtes Produkt zu erwerben; den Machern von Werbung geht es nur darum, viel Geld zu verdienen, auch wenn sie etwas anderes behaupten) 

 • Sich überlegen, wie Werbung auf einen wirkt (z.B. wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass Menschen, die Werbung mit Models betrachtet haben, hinterher unzufriedener mit ihrem Aussehen waren, eher abnehmen oder sich operieren lassen wollten und schlechter gelaunt waren – Werbung wirkt also oft negativ, indem sie uns verunsichert, das Selbstwertgefühl schwächt und die Stimmung beeinträchtigt)

• Sich von der Vorstellung befreien, so aussehen zu müssen wie die Menschen in der Werbung

 • Sich von den Schönheitsidealen der Werbung distanzieren (z.B. sich überlegen, ob man persönlich die langen dünnen weiblichen Models oder die stark muskulösen männlichen Models wirklich so attraktiv findet; sich überlegen, was man persönlich attraktiv findet; dazu stehen, dass persönliche Vorstellungen von Schönheit von gängigen Schönheitsidealen abweichen können) 

 • Sich nicht der Werbung hilflos ausgesetzt fühlen, sondern sich mit ihr bewusst auseinandersetzen und sich ihr teilweise entziehen (z.B. indem man weniger Werbung in Modezeitschriften ansieht oder bei Werbeblöcken im TV umschaltet) Können Sie den Lesern kurz schildern, wie sich Unzufriedenheit mit dem Aussehen auf das eigene Leben auswirkt? Unzufriedenheit mit dem Aussehen kann viele Auswirkungen haben. Hier einige Beispiele: 

• Man mag sich selbst nicht gerne im Spiegel anschauen; das eigene Spiegelbild löst viele negative Gefühle aus wie Scham, Wut oder Hass. 

• Man glaubt, nichts wert zu sein. • Man vertraut nicht auf sich selbst, man glaubt nicht an sich. • Man zieht sich zurück und bricht den Kontakt zu anderen Menschen ab aus Angst, von ihnen gehänselt oder abgelehnt zu werden. 

• Man verzichtet auf Dinge, die man gerne tut, aus Angst, dass die anderen schlecht über einen denken könnten (z.B. sich nicht mehr im Badeanzug zeigen, nicht mehr Sport treiben).

 • Man vernachlässigt sich, weil man es sich selbst nicht wert ist, sich zu pflegen und hübsch zu richten. • Man sieht sich nur mit dem Augen anderer, aber nicht mit den eigenen; man erkennt die eigenen Vorzüge und die ganz persönliche Schönheit nicht.

 • Man übersieht, dass Probleme im Leben meistens nicht durch das Aussehen, sondern durch andere Dinge verursacht werden; man glaubt fälschlicherweise, Probleme durch Diäten, Muskelaufbau oder Schönheitsoperationen lösen zu können.

 • Man ist ständig gereizt und aggressiv, traurig und niedergeschlagen oder hat andere negative Gefühle. • Man ist sich selbst und anderen gegenüber ungerecht. 

• Man gefährdet die eigene Gesundheit durch extreme Ernährungspraktiken oder riskante Schönheitsoperationen. 

 • Man hat ein relativ hohes Risiko, eine psychische Störungen zu entwickeln (z.B. Essstörungen, körperdysmorphe Störung). 

Helga König: Wie können junge Mädchen ihr Denken im Hinblick auf die Wertigkeit von Aussehen verändern? 

Dr. Marion Sonnenmoser: Eine Möglichkeit besteht darin, das Aussehen und die körperliche Attraktivität insgesamt nicht so wichtig zu nehmen. Sie haben zwar in unserer Kultur unbestritten einen hohen Stellenwert, aber sie sind längst nicht alles im Leben. Wenn sie es wären, dann könnten weniger attraktive Personen keine glücklichen Partnerschaften führen und keinen Erfolg im Leben haben. Dazu gehört auch, sich selbst nicht ausschließlich über das Aussehen zu definieren. Vielmehr sollte man eine umfassende Sichtweise von sich als Person entwickeln, die ganz verschiedene Facetten hat, von denen das Aussehen nur eine unter vielen ist. Um das zu erreichen, muss man lernen, sich mit eigenen Augen zu sehen, und zwar wirklich mit denen eigenen und nicht mit denen der Eltern, Freunde oder der Modeindustrie. Man sollte sich nicht immer an anderen orientieren, nicht jede Meinung akzeptieren und sich auch nicht immer davon beeinflussen lassen, sondern sollte sich eine eigene Meinung bilden. Nur so schafft man es, sich zu akzeptieren und zu sich zu stehen. 

Helga König: Was ist ein Schönheitsmythos und weshalb ist es wichtig, ihn zu hinterfragen?

Dr. Marion Sonnenmoser: Bei einem Mythos handelt es sich um eine Meinung, die weit verbreitet ist, aber nicht unbedingt stimmen muss. Ein Schönheitsmythos besagt zum Beispiel, dass schöne Menschen im Leben dank ihres Aussehens weiterkommen. Daran ist ein Fünkchen Wahrheit, denn wir glauben automatisch, dass etwas Schönes auch gut sein muss. Daher werden attraktive Menschen oft bevorzugt behandelt und haben es in manchen Bereichen leichter. Sie haben es aber auch schwerer, weil sie beispielsweise Neid erwecken oder unterschätzt werden. Außerdem kommen auch weniger schöne Menschen oft sehr weit im Leben. Ein Mythos ist also keine Wahrheit, sondern nur eine Idee, die oft sogar falsch ist. Da Schönheitsmythen leicht zu Vorurteilen oder Hoffnungslosigkeit führen können, sollten sie stets hinterfragt werden. 

Helga König: Weshalb entscheiden sich immer mehr Frauen zu Schönheitsoperationen?

Dr. Marion Sonnenmoser:  Der Druck zum perfekten Aussehen wird immer größer. Spürten ihn vor wenigen Jahren noch vorwiegend die Älteren, sind heute bereits ganz junge Menschen davon überzeugt, nicht gut genug auszusehen. Schönheitsoperationen werden zudem immer weniger tabuisiert. Sprach man früher nur hinter vorgehaltener Hand davon, stehen heute viele Prominente öffentlich dazu, dass sie „etwas haben machen lassen“. Hinzu kommt, dass mittlerweile allerorts Schönheitsoperationen angeboten werden, dass die medizinischen Techniken besser und die Kosten niedriger geworden sind. Darüber hinaus suggerieren Reality-TV-Shows wie „The swan – endlich schön!“ oder „Extrem schön – endlich ein neues Leben!“, dass sich Schönheitsoperationen unbedingt lohnen und beinahe frei von Risiken sind. 

Helga König:  Wie wirkt sich der sogenannte Jugendwahn auf das Körperbild von älteren Männern aus? 

Dr. Marion Sonnenmoser: Männer sind insgesamt weniger kritisch ihrem Körper gegenüber als Frauen. Aber auch unter ihnen gibt es nicht wenige, die möglichst den gängigen männlichen Schönheitsidealen so lange wie möglich entsprechen wollen. Daher gehen sie zum Bodybuilding, halten Diät, nutzen Kosmetik, bräunen sich unter der Sonnenbank, lassen sich Falten wegspritzen und lassen sich Haare implantieren oder färben. Aufgrund des sog. Jugendwahns fällt es auch Männern zunehmend schwer, den natürlichen Alterungsprozess des Körpers hinzunehmen und gelassen älter zu werden

Helga König: Freundschaft zu schließen mit dem eigenen Körper, heißt ja nicht, ihm gegenüber unkritisch zu sein. Wann ist Kritik angesagt? 

Dr. Marion Sonnenmoser: Kritik ist immer dann angesagt, wenn man sich nicht wohlfühlt und die Gesundheit beeinträchtigt oder gefährdet ist. Jeder sollte auf seinen Körper hören, dann weiß er, was richtig für ihn ist. Das gilt vor allem beim Körpergewicht. Ein hohes Körpergewicht wird von Medizinern generell als krankmachend und schädlich dargestellt. Wissenschaftliche Studien und auch die Erfahrungen vieler Menschen zeigen jedoch, dass ein paar Kilos zu viel das Leben kaum beeinträchtigen – im Gegenteil, Menschen mit etwas höherem Körpergewicht sind oft viel gesünder, ausgeglichener und leistungsfähiger als ihre überschlanken Zeitgenossen. Natürliche Abweichungen im Spektrum des Körpergewichts sollten also toleriert werden, sofern damit Gesundheit und Wohlbefinden einhergehen – es muss nicht jeder Idealgewicht haben, um ein glücklicher Mensch zu sein.

Liebe Frau Dr. Sonnenmoser, für das aufschlussreiche Interview danke ich Ihnen herzlich.
Ihre Helga König
Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Dr. Sonnenmoser. Der Fotograf ist mir nicht bekannt.
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1 Kommentar:

  1. Hallo, gestern habe ich einen jungen Mann gesehen ...für mich genau das Gegen Beispiel für eine gelungene!!! Selbsteinschätzung und Ver-
    änderung.des körperlichen Erscheinungsbildes.

    Er ist 190groß und hat sein Gewicht um 15 kg Muskel....Masse und sieht sehr männlich und im besten Wortsinn attraktiv aus.
    Ich möchte die Frau erst noch sehen ,die einen "FettKLoss oder Hänfling " vorziehen würde...wenn sie denn echt die Wahl hätte
    /saure Trauben Prinzip!

    Von Muskel Dysmorphie keine Spur ;sondern gesundes und bio-logisches Verhalten! mfg emanuel schaub
    P.S. I Ich wünschte ,mir wäre das in seinem Alter auch gelungen !!!

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