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Helga König im Gespräch mit Prof. Dr. Gertrud Höhler

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Höhler, vor einigen Tagen habe ich Ihr Buch „Götzendämmerung- Die Geldreligion frisst ihre Kinder“ rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Können Sie bitte mal erklären, weshalb Sie sich überhaupt mit der Thematik des Buches befasst haben?

Gertrud Höhler bild: Udo Grimberg Chester100
Prof. Dr. Gertrud Höhler: Weil ich weder im Lager der Zocker noch im Ghetto der Politik unterwegs bin: Ich wusste, dass ich beide Seiten entlarven kann - die Geldverbrenner und ihre gierigen Mitspieler - Täter und Opfer, die blitzschnell die Seiten wechseln.

Helga König: Die Menschen, die sich nicht täglich mit Finanzwirtschaft beschäftigen, erleben letztendlich nur die Auswirkungen dieser alles verschlingenden Gier. Warum hat es keine Überwachungsmechanismen gegeben, um diese monströse Geldsucht zu bändigen?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Weil die Politik in den achtziger Jahren eine große Befreiungsaktion für die Finanzwirtschaft durchgezogen hat- mit dem Motto, dass man die Geldschöpfer und Geldvermehrer von der Leine lassen müsste, um vom Bündnis zu profitieren.

Helga König: Das Verhalten dieser lebensunerfahrenen blutjungen Investmentbanker erinnert an die Kindersoldaten der „Roten Khmer“ oder aber an die Säuberungen der Kulturrevolution im China des Mao Tse-Tung und die damit verbundenen Auswirkungen. Wie viel Verantwortung besitzen eigentlich die Vorstände der großen Banken, die solche Investmentabteilungen sich selbst überlassen?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Die gesamte Finanzkrise war eine Massenflucht aus der Verantwortung. Motto: Geh nicht in den Maschinenraum, wo Geld gemacht wird, damit Du später sagen kannst: ich kenne diesen Händler gar nicht, der ein paar Milliarden verzockt hat. Genau so geschah es!

Helga König: Kann man in westlichen Staaten noch von politischer Führung sprechen, wenn solche monetären Auswüchse sich ungehindert entfalten können?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Die politische Führung hat vor allem ein Kompetenzproblem. Sie sollte sich pausenlos von Fachleuten beraten lassen, die den Maschinenraum verlassen haben und über das geheime Wissen verfügen, das man zum Umgang mit den Gegnern braucht.

Helga König: Mich interessiert wie oft Sie bei der Recherche Ihres Buches nur kopfschüttelnd diesen Entwicklungen ausgesetzt waren?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Jeden Tag! Aber zum Kopfschütteln kommt ja das Finderglück: Jeden Tag sehen, dass man auf der richtigen Spur ist! Übrigens kann man das Jagdfieber dann gar nicht so schnell runterfahren…

Helga König: Wie weit sind Sie Repressalien seitens der Finanzunternehmen ausgesetzt, wenn bekannt wird, dass Sie deren Machenschaften öffentlich darstellen wollen?

 Gertrud Höhler bild: Udo Grimberg Chester100
  
Prof. Dr. Gertrud Höhler: Sie werden es nicht glauben: Niemand hat mit Drohungen reagiert. Alle Insider, die ja einsame Leute sind, haben bereitwillig von geheimen Details berichtet. Alle suchen Sympathie, alle leiden an Isolation. Auch die Chefs.

Helga König: Weshalb vergleichen Sie die Handlungen dieser Finanzjongleure mit kirchlichem Verhaltensmuster, wobei die Ergebnisse so wenig mitmenschlich sind?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Weil ein Heilsversprechen mitläuft. Geld wird als das höchste Gut dargestellt, kostbarer als Liebe, Treue, Freundschaft. Wer mitspielt, muss sich abkoppeln aus der realen Wirklichkeit, ein hoher Preis, den sonst nur religiöse Führer verlangen: Verlass Deine Freunde, folge mir nach.

Helga König: Glauben Sie, dass exorbitante Gewinne, wie sie in dieser Branche erzielt werden, auch ohne Betrug zustande kommen?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Ja, durchaus. Es ist Spielerglück, das mit Intelligenz, Schnelligkeit, ruheloser Aufmerksamkeit und mathematischer Fitness eingefahren wird. Wer Tag und Nacht am Bildschirm hängt, braucht schließlich Drogen. Es ist der Rausch, den ich suche, sagt ein Händler in meinem Buch „nicht mehr das Geld“.

Helga König: Geld machen, um des Geldes wegen, kann derartiges überhaupt gut gehen?

Prof. Dr. Gertrud Höhler: Dem gilt mein Buch: Wenn es eine weltweite Verabredung gibt, Geldprodukte über alle Ziele zu stellen, die für Lebensglück stehen, dann geht es nur eine Weile gut. Wir sind in der Phase, wo es nicht mehr gut geht. Die community der Süchtigen bringt sich und andere um Lebensglück.

Helga König: Die Leser wird bestimmt interessieren, welchen Eindruck Sie persönlich gewonnen haben, wo Sie sich doch so lange auf der Politik- und Wirtschaftsbühne bewegen und ob sie nur einen Funken Hoffnung haben, dass man der immerwährenden Gier der Menschen die Zügel der Vernunft anlegen kann?


 Gertrud Höhler bild: Udo Grimberg Chester100

 Prof. Dr. Gertrud Höhler: Die Geschichte verläuft in Wellen. Immer wenn wir uns richtig verrannt haben, erwacht die Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit. Die Gegenwelt, das große Risiko, das Abenteuer, verliert an Reiz. Wenn wir dann noch der Versuchung widerstehen, alle Neugier in Fesseln zu legen, dann geht es uns für eine Weile besser.

Liebe Frau Prof  Dr. Höhler, für das aufschlussreiche Interview möchte ich mich herzlich bedanken.
Ihre Helga König

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