Sehr geehrter herr Achill Moser, sehr geehrter Herr Aaron Moser, vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Über die Alpen nach Italien" rezensiert. Hierzu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen:
@ Achill Moser
Helga König: Haben die gemeinsamen Wochen mit ihrem Sohn Ihr Verhältnis zu ihm intensiviert, war die Tour eine vertrauenfördernde Maßnahme?
Achill Moser: Natürlich sind wir durch unsere gemeinsame Reise sehr viel enger »zusammen gerückt«. Wir haben fast zweieinhalb Monate miteinander verbracht, haben ebenso Schönes wie auch Beschwerliches erlebt, haben gemeinsam gelacht und geflucht. Das gemeinsame Erleben einer so langen Reise prägt doch die Tiefe menschlicher Beziehungen. So haben sich beim wochenlangen Unterwegssein auch bei uns Vertrauen, Zusammenhalt und Respekt verdichtet. Wir haben gemeinsame Erinnerungen geschaffen, die uns auch in der Zukunft verbinden werden.
@ Aaron Moser
Helga König: Haben Sie durch die Tour eine neue Sicht im Hinblick zu Ihrem Vater erhalten. Ist Ihr Vater noch mehr zu Ihrem Freund geworden?
Aaron Moser: Das Besondere an dieser Reise war ja, dass ich gleich nach dem Abitur mit meinem Vater aufgebrochen bin. Für mich also ein wichtiger Lebens-Zeitpunkt, als ich noch nicht wusste, wie es nach der Schule nun weitergeht. Ich musste also keine eilige Entscheidung treffen, sondern hatte während unserer 75tägigen Wanderung viel Zeit zum nachdenken, und auch eine Menge Zeit für Gespräche mit meinem Vater. Diese Gespräche, die Stück für Stück aufeinander aufbauten, haben meinen Vater und mich irgendwie näher gebracht. Wir haben uns noch besser kennen gelernt. Auch ist mir beim ständigen Unterwegssein klar geworden, was mein Vater beim Reisen – wenn er jedes Jahr von Neuem unterwegs ist – eigentlich empfindet. Ich kann seine Lust am Reisen jetzt sehr viel besser verstehen.
@ Achill Moser
Helga König: Welchen Stellenwert hat Heinrich Heine in Ihrem Leben?
Achill Moser: Heinrich Heine ist einer meiner Lieblingsautoren. Er ist für mich weit mehr als nur Dichter oder Schriftsteller. Heine ist für mich ein streitbarer Aufklärer, der mit seinen lyrischen und polemischen Texten vor allem gegen die festgefahrene Gedankenwelt des Spießbürgertums kämpfte. Er engagierte sich für gesellschaftlichen Wandel und Menschenverbrüderung im Sinne der Französischen Revolution. Eine wunderbare, vielfältige Persönlichkeit!
@ Aaron Moser
Helga König: Hatten Sie den Eindruck, dass Ihr Vater während der Tour andere Dinge für wichtig erachtet als Sie und wenn ja, welche Dinge waren es?
Aaron Moser: Vor allem hat mir mein Vater unterwegs immer wieder eine Menge Infos über Land und Leute gegeben. Er hat viel von Flüssen, Städten, Kirchen und Berühmtheiten erzählt. Ich habe von Dingen erfahren, die ich eigentlich gar nicht so wichtig finde. Er dagegen war da ganz anderer Meinung. Manchmal gingen mir diese vielen Infos ganz schön auf den Zeiger.
@ Achill Moser
Helga König: Was bedeutet für Sie das »Zu-Fuß-Gehen« auf langen Strecken?
Achill Moser: Das »Gehen« ist doch für uns Menschen die »normalste« Fortbewegungsform. Es ist für mich eine Art Rückkehr zur Langsamkeit, ein Gegenentwurf zur Schnelllebigkeit unserer Lebenswelt, die ja oft mit Computer, Handy, Internet und anderen technischen Geräten total überlastet ist. Wenn man zu Fuß unterwegs ist, erlebt man seine Umwelt völlig neu; hautnah ist man dann mit der Natur in Kontakt und lernt vor allem die »kleinen Dinge des Lebens« wieder mehr schätzen: das Ziehen der Wolken, das Rauschen eines Flusses, das Singen des Windes oder ein gemeinsames Abendessen nach anstrengendem Tagesmarsch. – Manchmal, wenn ich zu Fuß längere Zeit in den Wüsten der Welt unterwegs bin, empfinde ich sogar wie die Krieger der Turkana, ein afrikanisches Nomadenvolk im Norden Kenias, bei dem ich vor Jahren mehrere Monate lang lebte. Dort erfuhr ich, dass die Männer, wenn sie längere Strecken zu Fuß hinter sich gebracht haben, kurz vor ihrem Ziel noch einmal halt machen und einen Moment warten, damit ihre Seele sie einholt. Denn: Nur zu Fuß hält die Seele Schritt.
@ Aaron Moser
Helga König: Was waren Ihre wichtigsten Eindrücke in Verona?
Aaron Moser: In der großen Arena von Verona haben wir an einem Abend die Oper »Aida« gehört und gesehen. Ich war zum erstenmal in einer Opernveranstaltung und ich war begeistert von dem traumhaften Bühnenbild unter glitzerndem Sternenhimmel. Ein tolles Erlebnis! Gestaunt habe ich auch am »Haus der Julia«, wo sich der Balkon zu Shakespeares Drama »Romeo und Julia« befindet. An den Wänden eines Torbogens hängen hier Tausende von Liebesbriefen, die Menschen aus aller Welt angebracht haben; alles Wünsche nach Glück und ewiger Liebe. So etwas habe ich noch nie gesehen!
@ Achill Moser
Helga König: Haben Sie sich mit Ihrem Sohn während der Tour mitunter auch mal gestritten und wenn ja, was waren die Ursachen?
Achill Moser:Große Streitereien gab es nicht. Doch hin und wieder erwischt jeder mal einen schlechten Tag, an dem man »mit dem falschen Bein« aufsteht. An solchen Tagen haben wir uns meist getrennt, nachdem wir für den Abend einen Treffpunkt ausgemacht haben. Jeder ist dann stundenlang allein gewandert. So sind wir möglichen Auseinandersetzungen aus dem Weg gegangen. Und wenn wir am Abend wieder beieinander saßen, waren alle Unstimmigkeiten vom Morgen meist vergessen, und alle Nervereien haben wir tagsüber regelrecht »weggewandert«.
@ Aaron Moser
Helga König: Haben Ihnen die 1500 Kilometer zu Fuß Ihre Grenzen aufgezeigt oder Ihnen verdeutlicht, das weitaus mehr erreichbar ist, als man sich zunächst zutraut?
Aaron Moser: Zu Beginn unserer Wanderung erschien mir die 1500 Kilometer lange Wegstrecke riesig. Und während der ersten Tage waren meine Füße ganz schön »angeschlagen«. Ich hatte am Anfang ein viel zu schnelles Tempo beim Gehen. Erst mit der Zeit habe ich dann meinen eigen Rhythmus gefunden, und alles war gut, selbst als die Sohlen meiner Sportschuhe durchgelatscht waren. Als wir Florenz erreichten, hätte ich sogar noch weiterlaufen können. Denn auf einer so langen Wegstrecke – von München nach Florenz – habe ich gemerkt, was alles in mir steckt, man muss nur Vertrauen und Mut zu sich selbst haben, dann kann man viel mehr schaffen, als man manchmal denkt.
@ Achill Moser
Helga König: Welche Bedeutung hat die Bergwelt für Sie?
Achill Moser: Ich bin hin und wieder gern mal in den Bergen zum Wandern unterwegs, mag vor allem die unberührten, wilden Landschaften der Dolomiten. Doch sehr viel mehr liebe ich die Wüsten der Welt, von denen ich ja bislang 25 Stück durchwandert habe. Ich liebe die Schönheit der Wüste, die Vielfältigkeit der Landschaften, die Abgeschiedenheit, die Stille, und natürlich die Menschen dort, die ihr Leben meist auf das Wesentliche reduziert haben – und ich liebe die Weite der Wüste, sie ist magisch verlockend, wie stürzende Tiefen.
@ Aaron Moser
Helga König: Könnten Sie sich vorstellen mit einer guten Freundin eine Tour wie jene zu machen, die Sie mit Ihrem Vater unternommen haben, und was glauben Sie, was Ihnen beiden das bringen würde?
Aaron Moser: Natürlich kann ich mir eine Wanderung mit einer Freundin vorstellen, allerdings muss dass Interesse fürs Wandern da sein. Auch die Lust am Unterwegssein wäre eine wichtige Voraussetzung, um gemeinsam eine Menge zu erleben und viele Erfahrungen zusammen zu machen, die einen näher bringen.
Lieber Herr Achill Moser, lieber Herr Aaron Moser, ich danke Ihnen beiden für das aufschlussreiche Gespräch.
Ihre Helga König
Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Achill und Aaron Moser- Der Fotograf ist mir nicht bekannt
Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Achill und Aaron Moser- Der Fotograf ist mir nicht bekannt
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