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Helga König im Gespräch mit Iris Caren Herzogin von Württemberg zum Thema Humanität und humanitäre Hilfe.

Liebe Iris Caren von Württemberg,  die Leser  von "Buch, Kultur und Lifestyle" kennen Sie als freischaffende Künstlerin, Kuratorin und Lyrikerin.  Heute allerdings wollen wir nicht über Ihre Bilder und Texte sprechen, sondern über Ihr Engagement in Sachen Humanität sowie humanitäre Hilfe und hier speziell über Ihr Engagement im Hinblick auf  junge Flüchtlinge aus Syrien.   

Helga König: Was bedeutet für Sie Humanität und humanitäre Hilfe? 

 Iris Caren  von Württemberg
Iris Caren von Württemberg: Humanität sollte eine Lebensquelle sein. Eine Geisteshaltung, die eine Grundlage für ein friedliches Miteinander bildet, das stets vom Guten ausgeht, oder auch dorthin führt. Menschen in Not- oder Elendsituationen zu helfen, ist für mich eine der entscheidenden menschlichen Aufgaben in dieser Welt, die uns alle angeht, solange wir in ihr leben. Auch Zivilcourage gehört dazu. 

Helga König: Fühlen Sie sich aus Ihrer gesellschaftlichen Position heraus verpflichtet, Vorbild in puncto Mitmenschlichkeit zu sein? 

Iris Caren von Württemberg: Mein Interesse am anderen rührt in erster Linie von meiner Erziehung her. Meine Eltern haben andere Menschen immer unterstützt, wenn es jenen schlecht ging. Meine Mutter ist ein äußerst großzügiger Mensch, sie kommt aus der Kriegsgeneration und weiß, was es bedeutet, wenn einem geholfen wird. Eine gesellschaftliche Position allein sollte nicht der Grund sein; die Überzeugung vorbildlich aufzutreten, sollte von innen kommen. Wenn man bekannt ist oder einen bekannten Namen trägt, hat man natürlich mehr Möglichkeiten, auf etwas aufmerksam zu machen und sollte sie für gute Zwecke auch nutzen. 

Helga König: Seit wann befassen Sie sich mit dem Elend der Syrer und was ging Ihnen durch den Kopf als Sie Bilder von Fassbombeneinschlägen in Wohngebiete syrischer Städte im Fernsehen sahen? 

Iris Caren von Württemberg: Syrien hatte ich ehrlich gesagt erst durch die Flüchtlingsströme im Blick. Wie viele konnte ich das erst gar nicht fassen und fühlte Mitleid, Empathie mit diesen Menschen. Das Thema Krieg war plötzlich ganz nah, die Bilder der Zerstörung machten fassungslos und signalisierten mir, da musst du helfen, wenn sie bei uns ankommen. 

Helga König
Helga König: Wann und wo haben Sie erstmals syrische Flüchtlinge kennengelernt?

Iris Caren von Württemberg: Nach unserem Sommer-Urlaub 2015 hörte ich von den belegten Turnhallen im Raum Stuttgart und sah in unsrer Gegend plötzlich so viele fremdländisch aussehende Männer herumspazieren. Sie bräuchten Kleidung, hieß es in den Zeitungen. Also räumte ich zuhause aus, was ging, fragte Nachbarn und brachte alles zu einer Kleiderkammer in einer der Hallen. Dort warteten einige der Flüchtlinge vor der Tür und bedankten sich bei mir so freundlich in Englisch, dass ich sie fragte, woher sie kamen. Außer Syrer waren auch Gambianer darunter. Ich versprach wieder zu kommen und schaute mir beim nächsten Mal zusammen mit einem der Helfer dort die Halle genauer an. Schnell waren wir umringt und man wollte uns zum Tee einladen. Von da an kam ich regelmäßig zu Besuch in die kleinen Containerzimmer, wurde von Shisha umnebelt und lauschte ihren persönlichen Lebensgeschichten. 

Einige traf ich auch zufällig unterwegs und immer grüßten sie freudig, unaufdringlich. Da ich den Impuls hatte, mehr für sie zu tun, schloss ich mich einem Helferkreis der evangelischen Kirche an, der ein wöchentliches Kulturcafé für Flüchtlinge betreibt. Dort beeindruckten mich die engagierten älteren Menschen, aber auch ein paar Studentinnen, die Exkursionen, Aktionen planten, oder über wichtige Dinge informierten. Meine Aktion war,  z.B. Fahrräder zu organisieren, was ich mithilfe eines Facebook-Kontaktes dann durchziehen konnte. 

Helga König: Welches Bild entstand bei Ihnen durch das direkte Gespräch mit jungen Syrern? 

 Iris Caren von Württemberg
Iris Caren von Württemberg:  Mein erster Eindruck war total positiv. Ich spürte Respekt und Dankbarkeit. Vielleicht lag das daran, dass ich sehr offen auf sie zuging, wie es meine Art sonst auch ist. Für viele wurde ich bald "Friend", und das nicht, weil ich stets Pflaumen, Nüsse oder Kleidung mitbrachte

Helga König: Was ist die Hauptsorge der syrischen Flüchtlinge, die Sie kennen gelernt haben? 

Iris Caren von Württemberg: Hauptsorge ist mittlerweile,  eine eigene Wohnung zu finden. Seit einem halben Jahr suche ich nun für meine beiden jungen Syrer-Freunde etwas und wir erfahren nur Ablehnung! Eine weitere Sorge ist das Geld, aber darüber reden Syrer nicht gerne, nur ist die Betreuung durch die Jobcenter mit viel Papierkrieg verbunden, den sie ohne Hilfe nicht verstehen. Wie es weitergehen wird hier, das beunruhigt ebenso, wie die Sorge um die Familie und Freunde im Ausland oder in Syrien. Entspannt ist ihr Leben hier wahrlich nicht, trotz Frieden.

Helga König
Helga König: Sie sind Vormund eines 17 jährigen Syrers. Worin besteht Ihre Aufgabe als Vormund und was möchten Sie für Omar konkret tun? 

Iris Caren von Württemberg: Die Vormundschaft übernahm ich, da sein Asylantrag verschleppt wurde und er als Minderjähriger keinen stellen konnte. Meine Aufgabe ist es,  gerade solche Formalitäten für ihn zu regeln, oder mit ihm zum Arzt oder Optiker zu gehen. Auch kann ich bestimmen, wo er wohnt und in welche Schule er gehen soll. Geldangelegenheiten oder Haftungsfragen sind ausgeschlossen. Uns macht man es aber nicht leicht, denn wir mussten zweimal nach Ellwangen zum BAMF fahren, damit sein Asylantrag ins Rollen kam. Und nun, nachdem man ihm nur subsidiären Schutz bewilligt hatte, statt die Flüchtlingsanerkennung, ziehen wir vor Gericht. Denn sein älterer Bruder bekam letztere bereits im Herbst, nachdem beide zusammen in Ellwangen ankamen. Ein Anliegen für Omar ist mir auch eine gute Schulausbildung hier, damit er die verlorenen Jahre wieder wettgemacht bekommt. Er hätte es verdient. Mittlerweile ist er mir schon ans Herz gewachsen, auch sein Bruder, und ich hoffe, dass beide lange hier bleiben können und wollen. 

Helga König: Könnte nach Ihrer Beobachtung der Sprachunterricht für Flüchtlinge hierzulande verbessert werden?

Iris Caren von Württemberg 
Iris Caren von Württemberg: Sicher, ja. Es mangelt zuweilen an guten Deutschlehrern. Viele Freiwillige engagieren sich zum Glück, doch es reicht nicht aus.

Helga König: Halten Sie es für notwendig, dass die Flüchtlinge mehr über die deutsche Mentalität erfahren, um diese besser zu verstehen?

Iris Caren von Württemberg: Ja, es wäre hilfreich und sie wollen das auch. Doch am besten erfahren sie das in der direkten Begegnung und nicht nur über Kurse. Die Integrationskurse sind wichtig, aber reichen meines Erachtens nicht aus. Die Cafés und kulturellen Aktionen, die es ja gibt, sind da sehr sinnvoll. Am schlechtesten wäre es, wenn man sie sich selbst überlässt und in eigene Wohnsiedlungen verfrachtet, dann hätten wir erneut eine Parallelgesellschaft. 

Helga König: Wie könnte man den jungen Flüchtlingen mehr mentale Sicherheit geben, was ihre Zukunft anbelangt?

 Iris Caren von Württemberg
Iris Caren von Württemberg: Da wird schon recht viel getan, insbesondere die deutsche Wirtschaftsindustrie interessiert sich für jene, sie müssen es nur wissen und begleitet werden. Es gibt Angebote von großen Firmen, Konzerne, die eine Ausbildung anbieten oder ein duales Hochschulstudium fördern. Baden-Württemberg ist da sehr engagiert, ziemlich vorne der Raum Stuttgart. Auch über Minijobs können sie Kontakte schließen, sich bewähren, und es gibt Stipendien für Studenten. Bei all dem muss man sie aber bestärken und auch mal vermittelnd tätig sein. Je mehr Menschen das tun, desto besser wird auch eine Integration funktionieren.

Liebe Iris Caren von Württemberg, ich danke Ihnen vielmals für das aufschlussreiche Interview und wünsche Ihnen  für Ihr Engagement Kraft und viele hilfreiche Hände.

Ihre Helga König 


Fotos: Aus dem Bestand von Iris Caren von Württemberg

Website:http://www.icvw.de/

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