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Helga König im Gespräch mit Dr. Eva C. Schweitzer

Sehr geehrte Frau Dr. Schweitzer, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Tea Party- Die weiße Wut" rezensiert und möchte Ihnen hierzu einige Fragen stellen.

Helga König: Können Sie den Lesern kurz Ihre Vita schildern und erklären, weshalb Sie an der amerikanischen Politik so interessiert sind?

Dr. Eva C. Schweitzer: Ich habe in München und Berlin Amerikanistik und Germanistik studiert, und habe nach dem Studium angefangen, in Berlin als Journalistin zu arbeiten, erst frei und bei der taz, dann beim Tagesspiegel als Lokalredakteurin. Kurz darauf — 1996 — habe ich auch mein erstes Buch geschrieben; Großbaustelle Berlin. Nach zwölf Jahren als Lokalreporte bin ich 1998 nach New York gegangen, um eine Doktorarbeit über den Times Square zu schreiben, und bin dann mehr oder weniger dageblieben (ich habe auch noch eine Wohnung in Berlin). Für Politik habe ich mich eigentlich immer interessiert, ich schreibe aber auch über Wirtschaft und Kultur, derzeit meistenteils für ZEIT Online.

Helga König: Ist es möglich, dass Sie uns kurz darstellen, wie das politische System in den USA funktioniert? Wie unterscheidet sich das deutsche Wahlsystem von dem amerikanischen?

Dr. Eva C. Schweitzer: Das amerikanische System ist im Prinzip eine Kopie des englischen, mit dem Senat, der dem Oberhaus ähnelt; das Repräsentantenhaus ist analog zum Unterhaus, und der Präsident ist der König; außer, natürlich, dass er alle vier Jahre gewählt wird. Jeder Bundesstaat, egal wie groß er ist, schickt zwei Senatoren nach Washington; hingegen sind die Mitglieder des Repräsentenhauses proportional zur Bevölkerung des Bundesstaates vertreten; beide Kammern bilden zusammen den Kongress, also das gesetzgebende Organ. Die USA sind aber, anders als wir, eine Republik und keine repräsentative Demokratie. Der Präsident hat sehr weitgehende Vollmachten, er kann z. b. einen Krieg erklären, und er kann sich per Veto über viele Kongressbeschlüsse hinwegsetzen. Er kann auch nicht von einer parlamentarischen Mehrheit abgewählt werden, es sei denn, er verstößt gegen ein Gesetz. Allerdings hat der Kongress die Haushaltshoheit und kann dem Präsidenten im Zweifel den Geldhahn zudrehen. Gewählt wird der Präsident vom Electoral College, ein Wahlmännergremium, in das ebenfalls alle Staaten Vertreter schicken; im Prinzip analog zur Bevölkerungszahl, allerdings sind kleine Staaten ein wenig bevorzugt. Die USA hat, anders als Deutschland, ein Mehrheitswahlrecht und kein Verhältniswahlrecht. Das heißt, um zu gewinnen, muss man 50 Prozent der Stimmen in einem Bundesstaat auf sich vereinen, alles, was darunter liegt, fällt komplett unter den Tisch. Deshalb gibt es in den USA de fakto ein zwei-Parteien-System, wenngleich sehr viel mehr Parteien existieren, die aber keine Vertreter in Washington haben. Für einen unabhängigen Kandidaten ist es deshalb praktisch unmöglich, Präsident zu werden. Der letzte, der es versucht hat, war Ross Perot; der bekam 20 Prozent der Stimmen, aber trotzdem Null Wahlmänner.

Helga König: Wo liegen die Stärken und jeweils die Schwächen der verschiedenen Systeme?

Dr. Eva C. Schweitzer: Das amerikanische System gibt den Bundestaaten mehr Rechte als unsere Bundesländer haben; auf der anderen Seite ist Deutschland ja nicht wirklich ein Staatenbund, sondern ein Land. In Amerika gibt es auch mehr Elemente direkter Demokratie. In Deutschland spielt wiederum das Geld nicht so eine große Rolle, hier kann man Kanzler werden, ohne Millionär zu sein. Das amerikanische Zwei-Parteien-System ist relativ starr, andererseits können sich einzelne Parteimitglieder eher erlauben, über die Stränge zu schlagen.

Helga König: In Ihrem Buch haben Sie sehr informativ die Republikanische Partei, ihre Akteure für die bevorstehende Präsidentenwahl und die TEA Party Bewegung dargestellt. Wie sieht es dagegen mit den Demokraten im Lande aus?

Dr. Eva C. Schweitzer: Die Demokraten sind, neben den Republikanern, die zweite große Partei in Amerika; sie gehen auf Thomas Jefferson und Andrew Jackson zurück. Im Lauf ihrer Geschichte haben die Demokraten einige Wandlungen durchgemacht; ursprünglich waren sie die Partei der irischen und schottischen Einwanderer: während des Bürgerkriegs und danach vertraten sie die Weißen in den Südstaaten als die so genannten “Dixicrats”. Seit der Bürgerrechtsbewegung unter Kennedy und Johnson kommen ihre Wähler eher aus dem Nordosten, Schwarze und Hispanic wählen eher demokratisch, aber auch Großstädter Menschen, die auf dem College waren, und Frauen. Da beide Parteien recht groß sind — jede repräsentiert de fakto 150 Millionen Amerikaner — sind sie auch sehr vielfältig. Die Demokraten sind linker als die Republikaner, aber verglichen mit Deutschland, immer noch recht konservativ, etwa auf der Linie der CSU. Derzeit stellen die Demokraten mit Barack Obama den Präsidenten, der auch unumstritten wieder kandidiert.

Helga König: Welche Bedeutung haben die Unternehmen für die beiden Parteien in den Vereinigten Staaten und welche ist in größerer Abhängigkeit?

Dr. Eva C. Schweitzer: Eine recht große. Der ganze Wahlkampf wird mehr oder weniger von Unternehmen gesponsert. Dabei haben die Republikaner mehr Unternehmensspenden als die Demokraten, insbesondere aus dem Bereichen Ölindustrie, Pharma/Chemie, Rüstungsfirmen und Schwerindustrie. Spender für die Demokraten kommen eher aus Hollywood und Silicon Valley, die großen Anwaltsfirmen zählen dazu, und auch die Gewerkschaften. Bei der Wall Street verteilt es sich gleichmäßig, wenngleich hier die Demokraten ein bisschen besser abschneiden. Es gibt aber auch Unternehmen, die an beide Parteien spenden, um sich alle warmzuhalten. z. b. Microsoft.

Helga König: Welchen Einfluss haben die Einwanderer generell und speziell die Latinos für die Präsidentenwahl?

Dr. Eva C. Schweitzer: Es gibt in den USA rund 50 Millionen Hispanics (oder Latinos), davon sind aber nur zehn Millionen Wähler, weil viele keinen US-Pass haben oder aber minderjährig sind. Trotzdem sind sie wichtig, weil es nur eine Frage der Zeit ist, bis alle wählen dürfen. Es gibt allerdings keine ethnische Gruppe, die “hispanic” ist, das sind einfach Menschen mit europäischen und/oder Indio-Vorfahren, die spanisch sprechen. Die meisten Hispanics kommen heute aus Mexiko und wählen demokratisch, nach Umfragen sind es zwischen 60 und 80 Prozent. Die beiden führenden Republikaner, Romney und Santorum, haben viele Hispanics mit ihrer Anti-Immigrationsrhetorik verärgert, denn die meisten Immigranten kommen heute über den Familiennachzug und sie fürchten, das das unterbunden wird. Da es in den USA keine Direktwahl gibt, sondern eben die Electoral Colleges der Bundesstaaten den Präsidenten wählen, könnte ein Staat auf längere Sicht demokratisch werden, sobald er eine hispanische Mehrheit hat. Das ist in Kalifornien bereits der Fall, es könnte noch in Texas passieren. Allerdings sind nicht alle Hispanics Demokraten. Die Exilkubaner, die in Florida leben, sind eher Republikaner. Viele Hispanics kommen aus Puerto Rico, das ist ein de-facto-Bundesstaat, die dürfen wählen. Das sind auch meist Demokraten. Die meisten Puerto Ricaner leben in New York.

Helga König: Die amerikanische Wirtschaft scheint die Rezession überwunden zu haben. Welche Partei profitiert am meisten davon?
Dr. Eva C. Schweitzer: Die Demokraten, weil Barack Obama Demokrat ist, und Präsident. Von einer gut laufenden Wirtschaft profitiert immer der Amtsinhaber.

Helga König: Barack Obama ist der erste farbige Präsident der USA, Fluch oder Segen?

Dr. Eva C. Schweitzer: Kommt drauf an, für wen. Für die Schwarzen ist das gut, denn eine schwarze First Family im Weißen Haus hat eine wichtige Vorbildfunktion. Und es ist generell gut für Integration in einem Land, das vor wenigen Jahrzehnten noch legale Rassentrennung hatte. Es gibt aber manche Weiße, die das nicht so gut verknusen können und die Angst haben, ihnen werden nachträglich Reparationen für die Sklaverei abverlangt oder sie werden nun benachteiligt, wenn es um Jobs geht.

Helga König: Sie haben in Ihrem Buch die offiziellen Denkmuster der orthodoxen Republikaner skizziert. Handelt es sich hierbei um hinterlistige Parolen oder sind die Protagonisten tatsächlich von den Inhalten überzeugt?

Dr. Eva C. Schweitzer: Teils, teils, Ron Paul glaubt wirklich, was er sagt. Santorum glaubt zumindest an den Teil mit der christlichen Rhetorik, aber was seine Beteuerungen zur Sparpolitik angehen, bin ich mir nicht so sicher. Romney würde auch bei den Demokraten eintreten, wenn die ihn zum Präsidenten machen, und Gingrich will nur Bücher verkaufen.

Liebe Frau Dr. Schweitzer für das erhellende  Interview danke ich Ihnen herzlich.

Ihre Helga König

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