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Helga König im Gespräch mit Uwe A. Oster

Sehr geehrter Herr Oster, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Sein Leben war das traurigste der Welt- Friedrich II. und der Kampf mit seinem Vater" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Wie konnte sich nach Ihrer Meinung bei Friedrich II. von Preußen ein solch starkes intellektuelles, schöngeistiges Interesse herausbilden, wo dieses doch seitens seines Vaters alles andere als gefördert wurde?

 Uwe A. Oster
Foto  privat
Uwe A. Oster: Da ist zuerst sein Lehrer Duhan de Jandun zu nennen, der bei Friedrich das Interesse an Literatur weckte. Zum zweiten ist für die frühen Jahre Friedrichs seine Schwester Wilhelmine prägend gewesen. Nicht vergessen werden darf Friedrichs Mutter. Sophie Dorothea reichte zwar in der Intellektualität nicht an ihre Vorgängerin Sophie Charlotte heran, aber Musik, Theater etc. waren für sie ein unverzichtbarer Teil des höfischen Lebens. Insofern war sie sehr daran interessiert, dass die schöngeistigen Neigungen ihrer Kinder gefördert wurden. Und drittens war selbst dem „Soldatenkönig“ klar, dass beispielsweise ein musikalisches Grundgerüst notwendig war – nur eben nicht in der Weise, dass die Musik das Leben bestimmte.

Helga König: Seit wann befasst sich die Wissenschaft mit den drakonischen Erziehungsmethoden des Soldatenkönigs?

Uwe A. Oster: Schon sehr lange. Schon 1885 erschien beispielsweise Ernst Bratuscheks „Die Erziehung Friedrichs des Großen“ und 1919 „Die Jugend Friedrichs des Großen“ von Ernest Lavisse, um nur zwei zu nennen.

Helga König: Wurde das cholerische Verhalten Friedrich Wilhelms I. seinem Sohn gegenüber in europäischen Herrscherhäusern thematisiert und kritisch gesehen?

Uwe A. Oster: Vor allem nach der gescheiterten Flucht war es das Gesprächsthema an den europäischen Höfen, wobei die Rollen klar verteilt waren: der arme Kronprinz auf der einen und der barbarische König auf der anderen Seite.

Helga König: In welcher Beziehung stand Friedrich II. zu seinem Freund Katte?

Uwe A. Oster: Es war eine ungewöhnlich enge Beziehung. Katte hatte jederzeit Zugang zu Friedrich, und wenn er bei ihm war, durfte die Beiden niemand stören. Das führt letzten Endes auch zu der Debatte um die vermeintliche oder mutmaßliche – je nach Standpunkt – Homosexualität Friedrichs. Wilhelmine von Bayreuth schimpfte, dass Kattes „Liederlichkeit“ keine Grenzen gekannt habe und er nicht dazu geeignet gewesen sei, Friedrich von seinen „Verirrungen“ abzubringen. Das kann man – wozu ich neige – allein auf die Fluchtpläne Friedrichs beziehen, das könnte aber natürlich auch ein Hinweis auf den Vorwurf der Homosexualität sein.

Helga König: War Friedrich II. nach der Hinrichtung seines Freundes traumatisiert? Was sagen Psychologen zu diesem Fall?

Uwe A. Oster: Seinem Vorleser Henri de Catt gegenüber bekannte Friedrich einmal während des Siebenjährigen Krieges, dass er nachts des Öfteren schweißgebadet aufwache – wenn er von seinem Vater geträumt habe. Das spricht für eine lang anhaltende traumatische Wirkung. Friedrich hatten die Ereignisse gelehrt, sich zu verstellen. Insofern könnte man auch seinen Zynismus und – am Ende – seine regelrechte Menschenfeindlichkeit mit der überharten Erziehung in Verbindung bringen. Allerdings ist Friedrichs Hang zum Sarkasmus schon sehr früh ausgeprägt gewesen. Und sein Hang zur Überheblichkeit ist von seinem Vater häufig genug kritisiert worden. Gleichwohl: Friedrich konnte Küstrin und Katte niemals vergessen, und sein ganzes Wesen ist ohne diese Ereignisse nicht zu verstehen.

Helga König: Welchen Einfluss hatte Voltaire in der Folge auf Friedrich? War er eventuell für ihn ein eine Art Therapeut?

Uwe A. Oster: Zunächst einmal war Friedrich unglaublich stolz auf seine Kontakte zu Voltaire. Friedrich sah sich immer zuerst als Philosoph, und er wollte auch selbst so gesehen werden. Dass Voltaire ihm über viele Jahre hinweg schrieb, ja zeitweise an seinem Hof lebte, war für Friedrich ein Zeichen der Anerkennung als Philosoph. Und über diese Themen wollte er sich mit ihm austauschen – keineswegs über Politik (was Voltaire durchaus gerne gehabt hätte).


Helga König: Wie würden Sie die Beziehung zwischen Friedrich und seiner Schwester Wilhelme interpretieren?

Uwe A. Oster: Innig und herzlich, später auch mit einigen Brüchen. Die harte Kindheit hat die Beiden zusammengeschweißt. Dazu kamen die gleichen schöngeistigen Interessen. Beiden gemeinsam war aber auch der Hang zum Sarkasmus und ein gewisser Zug der Überheblichkeit.

Helga König: Welches Verhältnis hatte Friedrich zu seiner Mutter?

Uwe A. Oster: Friedrich war in seiner Kindheit hin- und hergerissen zwischen Vater und Mutter. Machte er es der Mutter recht, war der Vater wütend und umgekehrt. Seiner Mutter fühlte er sich insofern näher, als die Beziehung zu ihr nicht mit der Angst vor physischer und psychischer Gewalt verbunden war wie jene zum Vater. War der König außer Haus, konnte musiziert und gefeiert werden, wie es an anderen Höfen üblich war. Das hat Friedrich selbstverständlich gefallen. Als Sophie Dorothea starb, löste dies echte und tiefe Trauer bei ihm aus. Friedrich war sich auch der Schwächen seiner Mutter bewusst. Sicher würde er der folgenden Einschätzung seiner Schwester zugestimmt haben: „Ihre edle und majestätische Haltung flößt allen, die sie sehen, Ehrerbietung ein; ihre große Weltgewandtheit und ihr glänzender Geist deuten auf mehr Gründlichkeit, als ihr eigen ist. Sie hat ein gutes, großmütiges und mildreiches Herz; sie liebt die schönen Künste und die Wissenschaften, ohne sich allzu sehr mit ihnen befasst zu haben... Sie verkörpert allen Stolz und Hochmut ihres hannoveranischen Hauses. Ihr Ehrgeiz ist maßlos, sie ist grenzenlos eifersüchtig, argwöhnischen und rachsüchtigen Gemütes und verzeiht nie, wo sie sich für beleidigt hält.“

Helga König: War Friedrich homosexuell, wie dies  immer wieder behauptet wird?

Uwe A. Oster: Anders als bei seinem Bruder Heinrich gibt es bei Friedrich meines Erachtens kein hinreichendes Indiz für eine Homosexualität, was gewisse homoerotische Neigungen nicht ausschließt. Doch waren diese im höfischen Kontext des 18. Jahrhunderts nicht selten, und manche uns heute sehr überschwänglich anmutende Freundschaftsbekundung muss mit dem Maß der (damaligen) Zeit gemessen werden. Friedrich hat sich bei seinem Besuch in Dresden 1728 leidenschaftlich in die Gräfin Orzelska verliebt, eine Tochter Augusts des Starken. In seiner Kronprinzenzeit spricht Friedrich auch später immer wieder von sexuellen Beziehungen zu Frauen. Dies spräche gegen eine Homosexualität. Allerdings wurde dagegen eingewandt, dies seien nur Schutzbehauptungen, die das Gerücht der Homosexualität widerlegen sollten. Tatsächlich spielen Frauen nach der Thronbesteigung in Friedrichs Leben praktisch keine Rolle mehr. Gewissheit werden wir in dieser Frage wohl nie haben, und das ist vielleicht auch gut so…

Helga König: Wie bewerten Sie Friedrichs „Antimachivell“ im Hinblick auf seine spätere Regierungszeit?

Uwe A. Oster: Friedrich ist seinem „Antimachiavell“ nicht untreu geworden. Ein idealer Fürst sollte, schreibt er, Wissenschaften und Künste fördern; in der Finanzwirtschaft seinen Untertanen verantwortlich und die Rechtspflege seine erste Pflicht sein. Das hat er – aus seiner eigenen Sicht jedenfalls – genauso gemacht. Und der „Antimachiavell“ war niemals ein Aufruf zum Pazifismus. Friedrich hat den Begriff des Verteidigungskrieg im „Antimachiavell“ sehr weit gefasst. Darin passte für ihn selbst sogar seine Eroberung Schlesiens.

Lieber Herr Oster, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König

Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Uwe A Oster- Fotograf nicht bekannt. 
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