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Helga König im Gespräch mit Dr. Heribert Schwan

Sehr geehrter Herr Dr. Schwan, vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Die Frau an seiner Seite: Leben und Leiden der Hannelore Kohl" gelesen und rezensiert. Zu diesem Buch möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Wann haben Sie Frau Hannelore Kohl persönlich kennengelernt und  wie hat diese Frau auf Sie bei diesem Treffen gewirkt?

Dr. Heribert Schwan: Copyright Klaus Schultes
Dr. Heribert Schwan: 1985, als ich ein Porträt über ihren Mann gedreht habe. Hannelore Kohl war nach außen hin kontrolliert, wirkte immer stark und diszipliniert. Privat konnte sie aber völlig anders sein: witzig, locker und schlagfertig.

Helga König: Wie stand Frau Kohl zum NS-Regime, wo ihr Vater doch sehr aktiv die nationalsozialistische Idee vertrat?

Dr. Heribert Schwan: Konkret haben wir darüber nie gesprochen, aber ich denke, Hannelore Kohl war durch die vorbelasteten Eltern dazu erzogen worden, unpolitisch zu sein. Politik war für sie ein schmutziges Geschäft.

Helga König: Hat sich Frau Kohl jemals zu den Naziverstrickungen ihres Vaters geäußert?

Dr. Heribert Schwan: Hannelore Kohl hat mir nie erzählt, was ihr Vater im Dritten Reich gemacht hat. Vielleicht wußte sie es auch gar nicht.

Helga König: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen den Eheleuten Kohl, wobei Frau Kohl nie einer christlichen Kirche beigetreten ist, Ihr Mann jedoch als Katholik Parteivorsitzender der Christlich Demokratischen Union vorstand?

Dr. Heribert Schwan: In Bezug auf ihre Ehe sprach Hannelore Kohl immer von der Liebe auf den zweiten Blick. Nach dem Tod ihres Vaters, den sie sehr geliebt hat, war Helmut Kohl vor allem ihr Beschützer. Die Liebe kam mit der Zeit.

Helga König: Würden Sie Hannelore Kohl als Intellektuelle bezeichnen?

Dr. Heribert Schwan: Das Klischee der „Barbie aus der Pfalz“ wird ihr sicher nicht gerecht. Hannelore Kohl war sehr intelligent. Sie hatte künstlerische Fähigkeiten, sie konnte hervorragend malen und zeichnen. Und sie war sprachlich sehr begabt und konnte sich mit diversen Staatsoberhäuptern fließend auf Englisch und Französisch unterhalten.

Helga König: Die von Ihnen beschriebenen unterschiedlichen Beziehungen zu Frauen von anderen politischen Führern von Rang möchte ich noch einmal gesondert hinterfragen. Worin sehen Sie die Voraussetzung, die Frau Kohl benötigte, um  engere Beziehungen zu anderen Politikerfrauen zu knüpfen, die über das Maß der Rolle der Gattin des Kanzlers hinausgingen?

Dr. Heribert Schwan: Meiner Meinung nach hat sie unter ihrem Leben als Kanzlergattin sehr gelitten, sie konnte auch nicht die schönen Seiten der Macht genießen wie vielleicht andere Ehefrauen berühmter Männer. Im Gegenteil: unter den intensiven politischen Beziehungen zu den Gorbatschows oder zu den Jelzins hat sie sehr gelitten, denn dadurch kamen immer wieder ihre persönlichen traumatischen Erlebnisse von 1945 auf ihrer Flucht vor den russischen Soldaten hoch.

Helga König: Hat Frau Kohl  eigentlich genügend Zeit gehabt, sich für ihre Stiftung einzusetzen oder wissen Sie, ob sie gerne noch viel mehr Energie in dieses Projekt hätte stecken wollen?

Dr. Herbert Schwan: Die ZNS-Stiftung war für Hannelore Kohl eine Herzensangelegenheit – hier hatte sie den Freiraum, um eigenständig arbeiten zu können, die Entscheidungshoheit lag allein bei ihr. Sie hat sehr viel Energie und Zeit in die Stiftung gesteckt und Großartiges geleistet.

Helga König:  Hat Hannelore Kohl ihrerseits versucht die emotionale Kälte, die sie bei ihrer Mutter empfand, bei ihren Söhnen durch verstärktes emotionales Engagement zu kompensieren?

Dr. Heribert Schwan: Im Grunde hat Hannelore Kohl genau das Rollenverständnis übernommen, das ihre Eltern ihr vorgelebt haben: Ihr Platz war zu Hause, am Herd und im Kinderzimmer, in der Arbeit für Mann und Kinder. Kinder und Familienleben standen für sie über allem. Für ihre Kinder hätte sie ihr Leben gegeben, für sie opferte sie sich auf. Die Rolle der Übermutter, so steht zu vermuten, dürfte den Söhnen mit zunehmendem Alter auf die Nerven gegangen sein – ich denke, es fiel ihr schwer loszulassen.

Helga König: Ist bekannt wie und weshalb die zweite Ehefrau von Helmut Kohl eine tragende Rolle bei  Dr. Kohl zu Lebzeiten von Hannelore Kohl eingenommen hat?

Dr. Heribert Schwan: Dr. Maike Richter-Kohl hatte wohl schon zu Lebzeiten Hannelores Kohls bei ihr für Irritationen und wahrscheinlich auch für Eifersucht gesorgt.

Helga König: Hat der politische Werdegang ihres Mannes letztendlich auch bewirkt, dass Hannelore Kohl in tiefe Depressionen fiel?

Dr. Heribert Schwan: Hannelore Kohl wünschte sich meiner Meinung nach nichts sehnlicher als ein ganz normales Leben: eine harmonische Ehe,  Kinder und ein erfülltes Familienleben. Aufgrund des zunehmenden politischen Engagements ihres Ehemannes wurde die gemeinsam verbrachte Zeit im Lauf der Jahre immer weniger  und sie fühlte sich oft allein gelassen. Als die CDU-Spendenaffäre, in deren Mittelpunkt Helmut Kohl stand, begann, nahmen die Depression und die Empfindlichkeit für die Lichtallergie parallel zu deren Entwicklungen zu.

Lieber Herr Dr. Schwan, ich danke Ihnen für das erhellende Interview.

Ihre Helga König

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