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Helga König im Gespräch mit Maternus Millet über sein Buch "Das Schlechte am Guten"

Sehr geehrter Herr Millett, vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Das Schlechte am Guten" rezensiert. Hierzu möchte ich Ihnen heute einige fragen stellen.

Helga König: Wir scheinen zwei Dinge gemeinsam zu haben, zum einen haben wir beide in Darmstadt Abitur gemacht, zum anderen scheinen wir beide Sokrates zu schätzen. Wieso ist dessen Fragetechnik für Sie so attraktiv?

Maternus Millett: Ich bin kein Prophet und auch kein Weltretter. Und ich möchte den Lesern nur ungern etwas aufs Auge drücken. Deshalb finde ich Fragen eine gute Methode, zum Selber-Denken anzuregen. Und der Leser kann die Fragen auch mit "Nein, so sehe ich das nicht!" beantworten.

Helga König: Ihre Fragen, was Frauen anbelangt, decken sich teilweise mit meinen Fragen. So etwa auch die Frage, weshalb junge Frauen selten Ingenieurstudiengänge anstreben. Was meinen Sie, woran dies liegt?

Maternus Millett: Ich vermute, dass die große Mehrheit der Frauen Technik schlicht nicht interessiert (von Ausnahmen abgesehen), so wie sich nur wenige Männer ernsthaft für Mode interessieren (von Ausnahmen abgesehen). Die wenigen Frauen, die ich in Ingenieursstudiengängen kennengelernt habe, hatten zumindest im Geiste einen Zugang zur männlichen Welt und zu männlichem Denken, waren deshalb oft sehr interessante Gesprächspartnerinnen und haben die Gesellschaft zahlreicher Männer sichtlich genossen. Leider sind solche Frauen nicht sehr oft zu finden.

Helga König: Wie erklären Sie sich das Phänomen mit der von Ihnen ins Feld geführten Fernsolidarität, wo es, wie sie schreiben, mit der Solidarität im Nahbereich offensichtlich bergab geht?

Maternus Millett: Wahrscheinlich ist das wie mit der körperlichen Fitness: Wenn man sich nicht mehr bewegen muss, muss man sich anstrengen, um sich anzustrengen und nicht abzuschlaffen. Vielleicht braucht es so etwas wie sozialen Sport, damit die Großstadtsingles wieder tun, was sie dank Single-Vollausstattung nicht mehr müssen: Mit anderen Menschen das Dasein teilen.

Helga König: Sie scheinen Frauen mit Geist und Charme zu mögen und lassen im Buch durchblicken, dass Sie vermuten, dass diese Eigenschaften durch den Feminismus in einer früheren Phase den Frauen, die an einen Anspruch auf Lebensglück per Gesetz zu glauben begannen, abtrainiert worden sei. Welche Erfahrung haben Sie gemacht, Sie Armer? Auf dem Foto im Buch wirken Sie doch recht sympathisch. Sind Ihnen im wahren Leben solche monströsen Töchter von Eva tatsächlich begegnet? Aber nicht in Darmstadt oder etwa doch?:-))

Maternus Millett:: Es gibt sie tatsächlich, Frauen, die einfach wunderbar sind, mit Geist, Charme und Charisma und die einen Sinn für Ästhetik haben und Geben nicht als Erniedrigung betrachten, sondern als subtile und elegante Form, Menschen für sich einzunehmen und ebenfalls beschenkt zu werden. Leider sind die sehr selten geworden und werden scheinbar immer seltener bzw. wachsen offenbar nicht mehr nach. Ich habe bis vor ca. 10 Jahren noch wunderbare Dinge mit deutschen Frauen erlebt, und wahrscheinlich bin ich so ein unangenehmer Mensch geworden, dass die mich jetzt nicht mehr mögen -außer in Kolumbien.

Helga König: Ihr Buch verdeutlicht, dass Sie ein sehr belesener, eloquenter Mensch sind und sich offenbar auch mit Sartre befasst haben. Sicher können Sie mir die Frage, die Sie stellen, detailliert beantworten. Nun, ist man also nur frei, solange man nicht gewählt hat?

Maternus Millett: Offenbar ist es so und Freiheit gibt es nur in der Ambivalenz, im Potentiellen aber nicht im Faktischen. Denn bei jeder Entscheidung geben letztlich Dinge den Ausschlag, die wir nicht selbst erschaffen haben.

Helga König: Halten Sie ein soziales Training für die befreiten Individuen für unumgänglich, damit sie ihre Egos und Ansprüche nicht ins Gigantische aufblasen und wie könnte ein solches Training aussehen? Zusatzfrage: Würden Sie sich als Mentaltrainer zur Verfügung stellen?

Maternus Millett: Man reise einfach mal in die "Dritte Welt" und lebe ein paar Monate mit den dortigen "armen" Menschen.

Helga König: Können Sie bitte erläutern, was Sie meinen, wenn Sie schreiben:"Nichts kickt mehr als dem ästhetischen Schöpfungsauftrag zu folgen?"

Maternus Millett: Für mich ist Erotik genau dies: Die Ekstase, die sich einstellt, wenn wir diesen unwiderstehlichen Ruf spüren, eine Art animalischer Kult der Schönheit und Lebendigkeit. Leider erlebe ich auch das in Deutschland seit langem nicht mehr.

Helga König: Was ist für Sie die von Ihnen ungeliebte "Große Maschine", in der wir offenbar alle wie emsige Mäuschen im sich immer schneller drehenden Rad hängen?

Maternus Millett: Die Große Maschine ist die künstliche, "zweite Natur", die uns umgibt und von deren Funktionieren wir völlig abhängig geworden sind: Elektrizität, Wasserversorgung, Telekommunikation, Verkehr, Fabriken, Supermärkte, Computer, Geldautomaten, Banken, "Sozial"-Staat und Verwaltungsapparat.

Helga König: Wie stellen sie sich einen "artgerechten", naturnahen Lebensraum mit gemeinschaftlichem, gesunden Wohnen und Arbeiten mit Raum für Muße, Kreativität und Spiritualität vor?

Maternus Millett: Googeln Sie mal "Stamm Füssen" oder "Damanhur". Durchaus umstrittene Modelle, die heftiger Kritik ausgesetzt sind, aber die versuchen genau dies.

Helga König: Sie leben in Kolumbien. Was glauben Sie, weshalb dort mit vielen Heranwachsenden weitaus öfter Gespräch mit Tiefgang möglich sind (Sie schreiben ja von dieser Erfahrung) als bei uns. Was läuft in unserem Land schief?

Maternus Millett: Die moderne Pädagogik glaubt, dass Menschen sich am besten entwickeln, wenn sie möglichst keinen Belastungen und Herausforderungen ausgesetzt sind. So werden die Anforderungen in der Schule immer weiter gesenkt und die Kinder zuhause immer mehr verhätschelt und verwöhnt, mit bekanntem Resultat. In Kolumbien geht es da noch viel traditioneller zu und die Kinder arbeiten i.d.R. schon von klein auf in der Familie mit, wachsen mit Geschwistern in beengten Verhältnissen auf und kümmern sich schon früh um Säuglinge und Kleinkinder. Was ihnen nicht nur zu schaden scheint.

Lieber Herr Millett, ich danke Ihnen für dieses aufschlussreiche Interview.

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