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Helga König im Gespräch mit Dr. Sandra Maxeiner über ihr Buch "Die indische Hochzeit"

Sehr geehrte Frau Dr. Maxeiner, dieser Tage habe ich Ihr neues Buch "Die indische Hochzeit" auf Buch, Kultur und Lifestyle rezensiert. Dazu möchte ich heute einige Fragen an Sie richten. 

Anbei der Link zur Rezension: "Die indische Hochzeit"

Helga König: Liebe Frau Dr. Maxeiner, was hat Sie am Phänomen "Glück" so sehr interessiert, dass Sie ihm ein ganzes Buch gewidmet haben? 

Dr. Sandra Maxeiner
Studio Urbschat
Dr. Sandra Maxeiner:
Das Thema Glück beschäftigt uns alle unser ganzes Leben lang. Bewusst oder unbewusst streben wir stets danach, glücklich zu sein. Wir glauben, dass wir erst dann glücklich sind, wenn wir den richtigen Job ergattern, wenn wir finanziell unabhängig sind und uns ein schönes Heim geschaffen haben. Wir glauben, dass wir glücklich sein werden, wenn wir der großen Liebe begegnen, von der wir unser gesamtes Leben lang träumen oder wenn wir eine schwierige Aufgabe gemeistert haben. Dabei beschäftigen wir uns stets mit der Zukunft – mit dem, was sein kann oder sein soll – und vergessen das Hier und Jetzt.

Das Glück ist eine Feder, die unerwartet, sanft und weich unsere Hand berührt, auf ihr verweilt und mit einer sanften Brise davongeweht wird. Wir können sie noch eine Zeit lang beobachten und ihr nachspüren, aber irgendwann ist sie verschwunden. Mich hat interessiert, ob es etwas Dauerhaftes gibt, etwas, das uns eine tiefe innere Zufriedenheit schenkt, die weit über das flüchtige Glück hinausgeht. Dabei musste ich an den Buddhismus denken, der besagt, dass alles Stoffliche – und damit Vergängliche – aus Leiden besteht. Vielleicht können wir diese tiefe innere Zufriedenheit erreichen, wenn wir akzeptieren, dass nichts in unserem Leben dauerhaft ist und dass das Leid kommt und geht, genau wie jene Momente, in denen unser Geist tanzt, die Seele atmet, unsere Augen lachen und unser Herz singt, weil wir glücklich sind. Nur wenn wir alles, was uns im Leben widerfährt, loslassen können, sind wir wahrhaft frei. 

"Freiheit ist die einzige Bedingung für Glück. Wenn wir in unserem Herzen an irgendetwas festhalten, können wir nicht frei sein," so der buddhistische Mönch und Zen-Meister Thich Nhat Hanh. 

Helga König

Helga König:
Sie schreiben, dass der Schriftsteller Maurice Barrès Ihrer Meinung nach mit seiner Definition von Glück unserer täglichen Lebenswirklichkeit am nächsten komme. Können Sie dies näher begründen? 

Dr. Sandra Maxeiner: Das, was Maurice Barrès beschreibt, ist das Fundament, auf dem unser Glück gedeihen kann. Nur, wenn wir das Hier und Jetzt so akzeptieren, wie es ist, und uns nicht ständig nach dem sehnen oder uns das wünschen, was wir gerade nicht haben, können wir glückliche Momente erleben. Das ist der Mut, das Leben mit all seinen Facetten anzunehmen, gepaart mit dem Willen, das Beste aus dem zu machen, was die Gezeiten dieses Lebens für uns bereithalten. 

Helga König: Steht Maurice Barrès’ Definition im Widerspruch zu der Definition des Glücksforschers Peter Adler, die man im Rahmen Ihres Interviews am Ende des Buches lesen kann? 

Dr. Sandra Maxeiner:
Nein, vielmehr ergänzen sich beide Definitionen zu einem wunderbaren Ganzen. Sie sind wie die Teile eines Puzzles, das man in liebevoller Kleinstarbeit geduldig und konzentriert Stück für Stück zusammensetzt. Dabei folgt man stets einem inneren Bild, das man sich anhand der unterschiedlichen Farben und Formen, die vor einem liegen, gemacht hat. Und dann, wenn man das letzte fehlende Puzzleteil eingefügt hat, offenbart sich endlich das komplette Bild in all seiner Schönheit. Sobald wir das Leben so annehmen, wie es ist, können wir jene Glückszustände erleben, die Peter Adler beschrieben hat. 

Helga König: Was hat Sie veranlasst, die Geschichte "Die indische Hochzeit" zu verfassen? 

Dr. Sandra Maxeiner: Zu dieser Geschichte haben mich jene Menschen inspiriert, die ich im Laufe meiner ehrenamtlichen Hospizarbeit begleiten durfte und die überzeugt waren, dass mit dem Tod alles zu Ende sei. Sie waren sich sicher, dass nichts bleiben würde. Jede Erinnerung, alles, wofür sie gelebt und jede Liebe, die sie erlebt haben, jeder glückliche Augenblick – alles wäre unwiederbringlich verloren, ausgelöscht für immer. Diese Einstellung berührte mich sehr, nicht nur, weil der Glaube für mich ein wichtiger Kompass in diesem Leben ist, sondern auch, weil ich fühlen konnte, wie schwer es für sie war, den Tod als Teil ihres Lebens zu akzeptieren und loszulassen.

"Die indische Hochzeit" ist einerseits eine tragische Geschichte, weil die Liebenden in diesem Leben nicht die Erfüllung finden konnten, die sie sich gewünscht und auch verdient haben. Andererseits gibt sie uns Hoffnung, weil es ein anderes Happy End gibt – eines, das jenseits von Raum und Zeit liegt. Es zeigt, dass es etwas gibt, das alles überdauert: die Liebe. 

Helga König: Die Geschichte "Die ungewöhnliche Begegnung" hat mich etwas irritiert. Worin liegt der tiefere Sinn dieser Geschichte? 

Dr. Sandra Maxeiner: Diese Geschichte verdeutlich, was passieren kann, wenn wir nicht auf ein gesundes Gleichgewicht in unserem Leben achten, weil wir ständig in Bewegung sind und Dingen im Außen hinterherjagen, statt uns Zeit zu nehmen, um in uns hineinzublicken. Wir brauchen Momente, in denen wir innehalten, einen Gang herunterschalten und mitfühlend der Melodie unseres eigenen Herzens lauschen. 

Helga König: Sie zitieren zu Beginn der Geschichte "Der Regenbogen" John Green mit seinen Worten "Wenn du den Regenbogen sehen willst, musst du den Regen aushalten"" Kann man großes Glück empfinden, ohne je Leid erlebt zu haben? 

Dr. Sandra Maxeiner:
Ich glaube, dass Menschen, die Leid erfahren haben, Glücksmomente dankbarer annehmen und deren Farben intensiver wahrnehmen können. Ihre Gefühle und Sinne sind durch die schmerzvollen Erfahrungen geschärft. Sie sind feinfühliger, verletzbarer, fühlen intensiver und nehmen alles, was geschieht, bewusster wahr. Die Trauer hat sie gelehrt, dankbar zu sein für die gemeinsame Zeit, die sie mit dem geliebten Menschen verbringen durften. Deshalb tragen sie "das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich."(Dietrich Bonhoeffer)  

Helga König: Mir hat die Geschichte "Der Buddha, der klemmte" besonders gut gefallen. Was motivierte Sie zu dieser Geschichte? 

Dr. Sandra Maxeiner: Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Eine Freundin erzählte mir, wie oft sie versucht hatte, einen Buddha im Internet zu bestellen – jedes Mal ohne Erfolg. Ich fragte mich, woran es liegen mochte, dass ihre Bemühungen wieder und wieder scheiterten. Daraus ist diese amüsante und zugleich lehrreiche Geschichte entstanden. 

Helga König: Sie zitieren gewiss nicht grundlos das lange Gedicht von Charly Chaplin, das die Selbstliebe zum Thema hat. Ist Selbstliebe die Grundlage dafür, Glück zu empfinden, und was unterscheidet Ihrer Meinung nach Selbstliebe von Egoismus?

Dr. Sandra Maxeiner: Die Selbstliebe ist ein leidenschaftlicher Liebhaber, der Vertrauen schenkt, das Gute in sich und dem anderen sieht und bedingungslos liebt. Ich glaube, dass wir ohne eine gesunde Portion Selbstliebe weder lieben noch glücklich sein können. Nur, wenn wir uns selbst annehmen und uns akzeptieren, wie wir sind, können wir auch andere lieben. Das Ego hingegen ist ein absoluter Kontrollfreak. Es liebt nur sich selbst, steckt voller Ängste und unrealistischer Erwartungen und vertraut nie. Knallhart zieht es jeden Tag Bilanz, bewertet die "Gewinne" und sortiert aus, was nicht "profitabel" ist.

Helga König: Neben zwei Geschichten im Buch hat der Autor Walter Gunz einen kleinen philosophischen Text beigetragen, in dem er schreibt, dass der wahre Glückssucher nicht in den Äußerlichkeiten der Welt fündig wird, sondern auf der Suche nach dem inneren Glück.  Muss man, um eine solche Erkenntnis zu haben wie Walter Gunz sie formuliert, die Äußerlichkeiten dieser Welt vielleicht schon zur Genüge "genossen" haben? 

Dr. Sandra Maxeiner:
Nein, denn wenn das so wäre, würde man sich nur dann auf die Suche nach dem inneren Glück begeben, wenn man von den Äußerlichkeiten dieser Welt bereits müde und übersättigt ist. Ich denke, es ist auch hier wie bei allem im Leben: Die Dosis macht das Gift. Oder wie es der Glücksforscher Peter Adler formulierte: "Wie bei allem im Leben gibt es ein ›zu viel‹ und ein ›zu wenig‹. Wenn ich gern Schnitzel esse, davon aber viel zu viel auf dem Tisch habe, bin ich nicht mehr glücklich." Die Suche nach dem Glück beginnt jedoch immer im Herzen. Nur dann können wir jene leise Melodie vernehmen, der wir folgen. Und wenn wir einmal auf diesem Weg sind, gibt es kein "zu viel" oder "zu wenig", sondern nur ein "genau richtig"

Helga König: Was veranlasste Sie, Frau Dr. Maxeiner, die sehr gut geschriebenen Geschichten von Walter Gunz in Ihr Werk einzubinden? 

Dr. Sandra Maxeiner: Wir haben ja bereits das Buch "Das Geschenk" gemeinsam geschrieben. Als ich Walter Gunz von dem neuen Buchprojekt erzählte und ihn fragte, ob er nicht Lust hätte, etwas beizutragen, war er sofort begeistert. Entstanden sind zwei Erzählungen, die dieses Buch mit ihrer Authentizität auf ihre ganz eigene Weise bereichern.

Liebe Frau Dr. Maxeiner, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König

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