Liebe Cassandra Negra, dieser Tage habe ich Ihren neuen Roman "Wirbelwind an Kapitän" im Onlinemagazin "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert. Dazu möchte ich einige Fragen an Sie richten.
Anbei der Link zur Rezension: "Wirbelwind an Kapitän"
Helga König: Was war der Grundgedanke, der Sie motivierte, den Liebesroman "Wirbelwind an Kapitän" zu schreiben?
Cassandra Negra; Quelle: Studio Urbschat |
Cassandra Negra: "Liebe in Zeiten von Corona" ist ein Schlagwort, das uns in diesen Zeiten häufig begegnet. Es weckt Erinnerungen an den Klassiker von Gabriel García Márquez mit dem Titel "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" – jene märchenhafte Liebesgeschichte, in der sich die schöne Fermina in Florentino verliebt. Doch wie so oft hatte das Leben, in diesem Fall durch den Vater, andere Pläne. Der Vater wollte für seine Tochter einen angesehenen Schwiegersohn, und so heiratete Fermina Doktor Urbino – eine Ehe, die mehr als 50 Jahre andauern sollte. Nach Doktor Urbinos Tod machte der gereifte Florentino seiner großen Liebe erneut einen Antrag und gewann sie mit Hunderten Briefen und einer Dampferfahrt doch noch für sich. Es ist eine rührende Liebesgeschichte mit Happy End, eine, die zeigt, dass wahre Liebe zeitlos ist.
"Wirbelwind an Kapitän" ist eine Geschichte, in der die Protagonisten zwar andere Herausforderungen zu bewältigen haben, aber dennoch bleibt die Botschaft die gleiche. Liebe ist keine Frage des Alters, der Gegebenheiten oder gar der Lebensumstände, sondern Liebe überwindet und überdauert alles, ganz gleich, wie lange sie im wahren Leben auch bestehen mag. Selbst dann, wenn sie zerbrechen sollte, gibt es manchmal – wie im Fall von Fermina und Florentino – vom Leben eine zweite Chance.
Helga König |
Helga König: Haben Sie für die Recherche zum Buch Online-Partnerportale aufgesucht, und falls ja, welche Erfahrungen konnten Sie dort machen?
Cassandra Negra: Natürlich habe ich – wie ich es für alle meine Romane tue – auch für dieses Buch recherchiert. Ich habe Gespräche mit Bekannten und Freunden geführt, aber auch mit Menschen, die mit Online-Dating Erfahrungen gemacht haben. Was mich dabei erstaunte, war das große Spektrum, das sie beschrieben: Viele von ihnen waren enttäuscht, weil die Profile der Mitglieder auf den Plattformen nur selten der Wahrheit entsprachen und schon gar nicht der Realität standhielten. Einige hatten zumindest einen interessanten virtuellen Austausch, doch nur wenige haben dort wirklich die große Liebe gefunden.
Helga König: Ihre Protagonistin Soey kommt mit dem Seitensprung ihres Ehemannes nicht zurecht und verlässt ihn daraufhin. Ist in Ihren Augen ein Seitensprung gleichbedeutend mit dem Ende der Liebe zu einem Menschen?
Cassandra Negra: Nein, ganz und gar nicht! Die wahre Liebe endet nie. Sie hat weder Anfang noch Ende – genau wie der Ring, den Eheleute tauschen, wenn sie sich versprechen, sich zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod sie scheidet. "Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand", heißt es im Hohelied der Liebe im 1. Korinther 13. Und vielleicht liegt wahre Liebe und Größe darin, dem anderen das Unverzeihliche zu verzeihen … sich selbst aufzugeben, für den anderen da zu sein – auch und gerade nach einem solchen Seitensprung.
Für Soey ist es schwierig, zu verzeihen, weil sie in ihrer persönlichen Entwicklung noch nicht soweit ist. Sie ist noch zu stark ihren moralischen Vorstellungen verhaftet, wie eine Beziehung zu sein hat. Treue ist für sie ein unumstößlicher, fester Pfeiler einer Partnerschaft. Untreue ist in ihren Augen Verrat und ein Vertrauensbruch, den sie nicht verzeihen kann.
Helga König: Was hat Sie an dem im Roman erwähnten Zitat "Hoffnung ist nicht, dass alles gut wird. Hoffnung ist, das Unbekannte zu umarmen" gereizt?
Cassandra Negra; Quelle: Studio Urbschat |
Cassandra Negra: Die Hoffnung darauf, dass alles gut wird, hat ein Ziel, nämlich das Gute. Das Unbekannte jedoch kennt kein Ziel. Es kennt nur das Hier und Jetzt, nur den Moment, den Augenblick. Das Unbekannte zu umarmen bedeutet für mich, sich neugierig und unvoreingenommen auf das Leben einzulassen – ganz gleich, was auch geschehen mag. Leben bedeutet, sich dem gesamten Spektrum zu öffnen. Sowohl dem Guten - dem Glück, der Erfüllung, der Liebe, der Gesundheit –, aber auch zu akzeptieren, dass es die anderen Facetten wie Leid, Verlust und Trauer gibt. Nur zusammen verschmelzen beide Pole so, dass wir mit Demut, Dankbarkeit, Freude und Liebe erfüllt werden.
Helga König: Sie zitieren in Ihrem Roman auch den Dalai Lama. Dieser sagt "Nur wer lernt, Leid zu besiegen, macht sich wirklich frei von negativen Gefühlen und findet dauerhaft zu innerer Zufriedenheit." Worin sehen Sie das primäre Leid Ihrer Protagonistin und hat sie es am Ende besiegt?
Cassandra Negra: Soeys Leid besteht darin, dass sie den Verlust ihres Kindes nie ganz überwindet und es deshalb nicht schafft, das Leid zu besiegen. Obwohl sie durch ihre Liebe zu Sebastian zurück ins Leben kommt, bleibt dies eine Verletzung, die sich in vielem widerspiegelt, was Soey tut: Beispielsweise in ihrer panischen Angst vor Abschieden, denen für sie immer etwas Endgültiges innewohnt, und in ihrer vollkommen irrationalen Angst, den Menschen zu verlieren, den sie am meisten liebt. Leider ist es in unser aller Leben oft so, dass wir das, was wir unbedingt vermeiden wollen, das, wovor wir uns am meisten befürchten, unbewusst herbeiführen.
Helga König: Für welchen Ihrer Protagonisten gilt das von Ihnen beigefügte, nachstehende Zitat von Christian Morgenstern im Speziellen und weshalb? Zitat: "Eine Wahrheit kann erst wirken, wenn der Empfänger reif für sie ist."
Cassandra Negra: Das Zitat gilt für beide Protagonisten – für Soey ebenso wie für Sebastian. Beide erkennen nicht, was es bedeutet, eine große Liebe wirklich zu leben. Vielleicht sind sie noch nicht reif dafür. Soey hat ihren Verlust nicht überwunden und steckt noch immer in ihrer Trauer und ihrer permanenten Auseinandersetzung mit dem Tod fest, und auch Sebastians Traumata der gescheiterten Beziehungen sind eine große Last für ihre junge Liebe. Beide haben nur dann eine Chance, wenn sie erkennen, dass sie nur heilen können, wenn sie es schaffen, für den anderen da zu sein und ihn so anzunehmen, wie er ist – mit all seinen Verletzungen, die er mitbringt. Das bedeutet, dass sie sich aktiv mit dem, was gewesen ist, auseinandersetzen, dass sie miteinander reden, sich vertrauen und vollkommen offen und ehrlich zueinander sein müssen. Das ist eine große Herausforderung und Hypothek, insbesondere für eine junge Liebe. Vielleicht braucht es noch etwas Zeit, bis beide reif für diese Wahrheit sind …
Helga König |
Helga König: Worin sehen Sie die Hauptmerkmale von Sebastian, die ihn liebenswert machen?
Cassandra Negra: Sebastian ist ein sanfter, intelligenter, verständnisvoller und ausgesprochen romantischer, sinnlicher Mann. Er begegnet Soey mit Achtung, Respekt und in Liebe, und vor allem stets auf Augenhöhe. Beide verbindet, dass sie aus einfachen Verhältnissen kommen und sich ihr Leben selbst aufgebaut und gemeistert haben.
Sebastian möchte nichts lieber, als Soey zurück ins Leben zu bringen. Er spürt ihre Trauer, thematisiert sie jedoch nicht, tut aber alles, damit das Leben wieder jenen Platz in ihrer Seele einnimmt, den es verdient. Damit lebt er die Zeile aus dem Johannes-Evangelium (3,18), in der es heißt: "Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit."
Der Tod, das spürt Sebastian sehr subtil, hat in Soeys Leben einen viel zu großen Raum eingenommen. Er selbst hat den Tod in seinem Beruf schon sehr oft erlebt. Oft genug, um zu wissen, wie es sich anfühlt, wenn Kinder gehen oder erwachsene Patienten verbittert und aufgebraucht aus diesem Leben scheiden. Er kann also mit dem Tod umgehen, aber noch lieber möchte er mit Soey ein Leben voller Liebe, Farbe und Gefühl leben. Vielleicht müssen beide erst lernen, wie es sich anfühlt und was es bedeutet, wirklich zurück ins Leben zu kommen.
Helga König: Was unterscheidet Sebastian charakterlich von Soeys Exmann Christian?
Cassandra Negra: Christian ist im Alltag ein eher nüchterner Geschäftsmann, der seine Gefühle nicht allzu offen zeigt und Soey nicht gerade mit Liebesbekundungen überschüttet. Sebastian hingegen ist der geborene romantische Held, ein Mann, der über seine Gefühle spricht, sie deutlich benennt, zeigt und auch lebt. Christian hingegen erkennt erst nach der Trennung, wie viel ihm Soey eigentlich bedeutet.
Helga König: Vermuten Sie, dass Corona und die dadurch bedingte Vereinzelung die Liebesfähigkeit von uns Menschen verändert?
Cassandra Negra: Nein, das glaube ich nicht. Was sich jedoch verändert hat, ist die Chance, jener großen Liebe zu begegnen. Diese Chance wurde und wird durch Isolation, Quarantäne und die zunehmende Vereinzelung der Menschen stark minimiert. Deshalb beschreiten Singles heute auch neue Wege, um vielleicht ihrem Traumpartner begegnen zu können. Ich glaube, dass gerade Online-Portale und Datingplattformen jeglicher Art in Zeiten von Corona einen wachsenden Zuspruch erfahren.
Helga König: Wie wichtig ist Ihnen ein Happy End bei einem Liebesroman?
Cassandra Negra; Quelle: Studio Urbschat |
Cassandra Negra: Ich glaube, dass sich wohl jeder von uns ein solches Happy End wünscht. Doch das Schicksal verfolgt seine eigenen Pläne und lehrt uns oft etwas anderes. Werfen wir einen Blick in die Weltliteratur, sehen wir, dass die großen Liebesgeschichten wie "Romeo und Julia", "Tristan und Isolde", "Die Leiden des jungen Werther", "Vom Winde verweht" oder "Doktor Schiwago" ohne Happy End bleiben. Keine dieser großen Lieben hat Bestand, die meisten enden tragisch. Nirgendwo sonst liegen Erfüllung und Glück sowie Verlust und Schmerz so nah beieinander wie bei einer großen Liebe. "Freude und Leid war schon immer mit dem Begriff Liebe untrennbar verbunden", meinte Gottfried von Straßburg. Und auch der Schriftsteller Paulo Coelho greift diesen Gedanken auf, wenn er schreibt: "Die Liebe ist es manchmal leid, immer nur eine sanfte Sprache zu sprechen. Sie soll ruhig auch einmal stürmisch sein dürfen und lichterloh brennen."
Ganz egal, ob die große Liebe nun ein Leben lang hält oder nicht: Sie ist und bleibt einmalig und wird ihren Glanz und ihre Strahlkraft ein Leben lang behalten.
Ich habe schon mit vielen Menschen gesprochen, und egal wie lange es zurücklag, dass sie ihrer großen Leben begegnet waren: sie haben sie nie vergessen. Die Sehnsucht und die Erinnerung an dieses große Gefühl bleiben ein Leben lang wach. Vielleicht bleibt die große Liebe ja auch deshalb oft ohne Happy End, weil das Schicksal – auch wenn es schmerzvoll ist – damit verhindert, dass das reale Leben sie auf "Normalmaß" zurechtstutzt. Vielleicht ist es aber auch so, dass die Liebenden in dem Augenblick, in denen ihnen diese große Liebe begegnet, noch nicht reif für sie sind. In diesem Fall gewährt das Leben manchmal sogar eine zweite Chance – wenn sie mit ihrer eigenen inneren Entwicklung vorangekommen, gereift und gefestigt sind. Wenn es im Hier und Jetzt kein Happy End gibt, bedeutet das also keineswegs, dass ein späteres Happy End ausgeschlossen wäre. Hoffnung bedeutet eben nicht nur, "das Unbekannte", sondern auch „das Unerwartete“ zu umarmen.
Liebe Cassandra Negra, ich danke Ihnen recht herzlich für das aufschlussreiche Gespräch.
Helga König
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