Lieber Prof. Dr. Klaus Liebers, dieser Tage habe ich Ihr Buch "In der Schule von Athen- Platon und Aristoteles- seid gegrüßt!" rezensiert. Heute nun möchte ich Ihnen einige Fragen dazu stellen.
Helga König: Was hat Sie veranlasst, eine Erzählung über die Schule von Athen zu verfassen?
Prof. Dr.Klaus Liebers Foto: K. Fritze |
Denken Sie nur an Platon – aus Verzweiflung über die politischen Zustände in Athen verließ er für zwölf Jahre seine Heimatstadt und bereiste Nordafrika, Sizilien und das antike Süditalien. Auf seiner zweiten Sizilienreise kam er nur knapp mit dem Leben davon. Und Aristoteles, wie erging es dem Makedonier in Athen?
Als "Zugereister" erlangte er in Athen nie die Rechte eines Atheners. Zweimal musste er aus seiner Wahlheimat fliehen, um sein Leben zu retten.
Das alles versucht das Buch einzufangen, als Erzählung, als Lesestoff für Mußestunden.
Helga König: Welche Rolle spielten griechische Denker der Antike in Ihren Vorlesungen zur Geschichte der Naturwissenschaft?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Die Vorlesungsreihe begann mit einem Semester zur Naturphilosophie in der griechischen Antike, denn die Studierenden hatten einen Auffrischungs- und Nachholbedarf.
Nach einer Annäherung an diese Zeit der Antike und an den mediterranen Raum bildeten die Sagen der griechischen Götterwelt einen ersten Schwerpunkt – von der Entstehung der Welt über die Götterfamilie des Zeus und die Schöpfung des Menschen bis hin zur Übertragung der Sagen an den Sternenhimmel der Griechen. Hieran schlossen sich Vorlesungen an zur schönen harmonischen Ordnung im Kosmos. Darauf widmete sich die Vorlesung den Versuchen griechischer Denker zur Erklärung der Welt aus Urstoffen, Elementen oder Atomen. Den Höhepunkt bildeten die Lehren von Aristoteles – seine Physik und Chemie, die kosmische Ordnung und die Lehren über das Leben.
Die Studenten staunten, wie aktuell die Fragen und Antworten der Denker aus der griechischen Antike geblieben sind. Das habe ich versucht, in dem Buch einzufangen.
Helga König: Der Philosoph Platon hielt sich nach dem Tode von Sokrates zwölf Jahre auf Reisen auf. In welcher Weise wurde er am Hofe des Tyrannen Dionysios und in Tarent in der Gesellschaft von Archytas in seinen philosophischen Betrachtungen geprägt?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Platon suchte nach Ideen für einen gerechten Staat. In Syrakus genoss Platon zwar die Gastfreundschaft des Tyrannen Dionysios. Doch der Aufenthalt an dessen Hof dürfte für den Philosophen nur wenig ergiebig gewesen sein. Der Tyrann bereitete gerade den nächsten Waffengang gegen Karthago vor. Das Geld dafür trieb er ohne jedwede Skrupel ein – von den Bürgern, aus dem Raub von Tempelschätzen und dem Verkauf von Kriegsgefangenen. Welche zündenden Ideen für einen gerechten Staat sollten dort aufflammen?
Anders die Situation in Tarent. Die Jahre in dieser pulsierenden Stadt im antiken Süditalien hinterließen in Platons Denken prägende Spuren.
Dem inzwischen schon fast 40-jährigen Platon widerfuhr der Glücksfall, die Gastfreundschaft des Archytas zu gewinnen. Er war der letzte führende Kopf der Pythagoreer und entwickelte Tarent zum Hauptsitz der geometrischen Studien jener Zeit. Im Mittelpunkt dieser Studien stand die Suche nach der schönen harmonischen Ordnung der Welt.
Wie ein stummer Gast kann der Leser teilhaben an den Gesprächen zwischen Archytas und Platon. Sie plaudern über die Harmonien in der Musik und am Himmel, über die schönsten Flächen und die schönsten Körper sowie über den Aufbau des Kosmos.
Helga König: Welche Bedeutung hatte die Geometrie in Platons Denken?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Platons größter Wunsch war es, die Idee zu entschlüsseln, nach der Gott die Welt geschaffen hat. Für Platon bildete der Kosmos eine schöne harmonische Ordnung. Deshalb ging Platon bei der Suche nach dieser Idee von der Formel aus: "Maß + Harmonie + Symmetrie = Schönheit = Wahrheit".
Zweifelsfrei hatte Gott bei der Schöpfung der Welt Mathematik betrieben – Mathematik in Gestalt von Geometrie. Darin stimmte Platon mit dem weisen Salomon überein, von dem die Worte stammen: "Aber du hast alles geschaffen nach Maß und Zahl." Deshalb war auch über dem Eingangstor in Platons Schule der Leitspruch eingemeißelt: "Kein der Geometrie Unkundiger trete hier ein!" Das Buch "In der Schule von Athen" malt leicht verständlich auch die Harmonien in den schönsten Flächen und in den vollkommensten Körper aus.
Helga König: Warum haben Sie im Untertitel Ihres Buches nach den Namen von Platon und Aristoteles noch hinzugefügt: „Seid gegrüßt!“?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Der Untertitel "Platon und Aristoteles – seid gegrüßt!" möchte den Leser von der ersten Seite an auf die Leistungen der zwei Griechen einstimmen und Aristoteles von dem Makel befreien, ein den Fortschritt hemmender Forscher gewesen zu sein. Vor allem seit dem Prozess gegen Galileo Galilei und in den Schmähschriften gegen Blaise Pascal hat der Name Aristoteles Schaden genommen. Doch es gelten die Worte von Galileo Galilei: "Seine Anhänger haben dem Aristoteles die Autorität verliehen, nicht er hat sie sich angemaßt oder genommen.“
Vom Kirchenlehrer Thomas von Aquin waren die Lehren des Griechen im Hochmittelalter zu unumstößlichen Wahrheiten erkoren worden. Dafür sprach: Die Anfangsgründe dieses Systems entsprachen dem damals neuesten Stand verbürgter wissenschaftlicher Erkenntnisse; sie galten jedermann als wahr! Thomas von Aquin verband – mit einigen Tricks – die Lehren des Aristoteles mit der Bibel und "taufte" so den Heiden Aristoteles. Im Jahre 1278 verpflichtete der Dominikanerorden seine Mitglieder auf die Lehre des Thomas von Aquin. Der gesamte Nachwuchs an kirchlichen und höfischen Würdenträgern im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erhielt seine naturwissenschaftliche Ausbildung allein nach den Lehren von Aristoteles. Welch Triumph für Aristoteles – 2 000 Jahre nach dessen Tod! Fortan verteidigten der Dominikanerorden und der Jesuitenorden Aristoteles gegen alle neuen Erkenntnisse, die sich nicht mit den Lehren des Griechen vereinen ließen. Doch Galilei hat recht, wenn er schreibt: "Zweifelt Ihr etwa, dass Aristoteles seine Meinung ändern und seine Bücher verbessern würde, wenn er von den neuen Entdeckungen erführe?"
Helga König: Wie nah sind Sie in Ihren Dialogen zwischen Platon, Aristoteles und deren Schülern an die historische Wahrheit herangekommen?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Getreu dem Titel "In der Schule von Athen" lebt das Buch von den vielen Diskussionen zwischen Platon, Aristoteles und deren Schülern. Im Mittelpunkt der Gespräche steht das Ringen um Antworten auf heute noch aktuelle Fragen.
Beim Schreiben der Dialoge bin ich einer Empfehlung von Aristoteles gefolgt: "Es ist nicht Aufgabe des Dichters, das was wirklich geschehen ist, zu erzählen, sondern das, was hätte geschehen können, das heißt, was nach Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit möglich ist." Und das "was nach Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit möglich ist", kann aus den Schriften der zwei Griechen abgelesen werden.
Helga König: In Ihren Werken formulieren Sie nicht allein das Ergebnis ihres Ringens um die Antworten auf die Fragen, sondern auch den Weg dorthin. Und ebenso erörtern diese Schriften tatsächliche oder mögliche Einwände anderer Philosophen. Sie schreiben, dass in der Schule von Athen auch zwei Frauen unterrichtet wurden. Wissen Sie mehr über diese Frauen und über die Akzeptanz der männlichen Schüler gegenüber ihren vermutlich hochintelligenten, weiblichen Pendants?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Im Laufe der Zeit kamen immer mal wieder ein zwei Frauen in Platons Akademie. Über deren Namen und Leben ist nichts überliefert. Es darf wohl als sicher gelten, dass es keine verheirateten Athenerinnen waren, denn deren Aufgabe bestand darin, viele Kinder – möglichst Knaben – zu gebären. Es werden sicher unverheiratete Frauen gewesen sein, welche die Reize ihres Körpers mit den Talenten ihres Geistes zu verbinden wussten.
Ob diese Frauen in der Akademie auf Akzeptanz stießen? Da bin ich mir ziemlich sicher, denn Platon sprach sich für gleiche Rechte der Frauen aus.
Noch wichtiger ist ein Phänomen jener Zeit: Staatsmänner, Philosophen und Künstler suchten die Gunst gebildeter Frauen. Die Griechen nannten diese Frauen Hetären, was so viel bedeutet wie Freundinnen. Diese Frauen waren sozial anerkannt, besuchten die öffentlichen Hörsäle der Philosophen und widmeten sich der Mathematik, Rhetorik, Philosophie und anderen Wissenschaften.
Zur Zeit Platons fanden Hetären Größe und Ruhm wie in keinem Zeitalter zuvor oder danach. Ihre Häuser in Athen, Korinth oder Theben gestalteten sie zu Tempeln der Künste. Ihre Wohnungen wurden zu Treffpunkten berühmter und geistreicher Männer.
Perikles lernte in den Armen von Aspasia das Regieren. Leontia war Schülerin und Geliebte von Epikur, Phryne inspirierte Praxiteles zur Gestalt der Marmorstatue von der Geburt der Venus, Nikarete teilte ihre Stunden zwischen Mathematik und Liebe mit dem Philosophen Stilpon.
Helga König: Wer der beiden Protagonisten Ihrer Erzählung steht Ihnen gedanklich näher und weshalb?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Aufs Engste verbunden fühlte ich mich mit Aristoteles, wenn ich im Unterricht oder beim Schreiben von Büchern für den naturwissenschaftlichen Unterricht den Blick der Schüler auf die Geschichte der Wissenschaft richtete: Wie kamen die Forscher dazu, diese Problem zu untersuchen? Wie entstanden die großartigen Ideen? Mit welchen Misserfolgen mussten sich die Wissenschaftler herumschlagen? Was sagten ihre Mitmenschen zu den Forschungen? Was bewirkten die Gelehrten mit ihren Ergebnissen? Usw. usw. All diesen Fragen bin ich auch in dem Buch "In der Schule von Athen" treu geblieben.
Helga König: Welche Rolle spielt bei Aristoteles die Rhetorik bei der Vermittlung von Wissen?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Die Rolle der Redekunst kann bei Aristoteles gar nicht hoch genug herausgestellt werden. Mit seiner Schrift "Rhetorik" wurde er zu deren Vater. Noch heute sind seine Ratschläge für jeden erfolgreichen Vortrag nützlich. Für Aristoteles stellt die Redegabe das Vermögen dar, bei jedem Gegenstand das Plausible zu erkennen. "Plausibel", überzeugend, ist für Aristoteles eine Rede nur dann, wenn der Redner drei Bedingungen erfüllt:
Der Inhalt wird erstens in einer eingängigen Gedankenführung, zweitens in gekonntem sprachlichen Ausdruck und drittens in einem geordneten Aufbau der Argumentation glaubhaft gemacht.
Dies beherrschte Aristoteles beispielhaft. Ebenso wichtig: Der Redner selbst muss glaubwürdig erscheinen. Und nicht zu vergessen: Die Rede muss auf die Situation und die Rolle der Hörer zugeschnitten sein. Leider konnte sich Aristoteles mit keiner politischen Rede an die Athener wenden. Als "Zugereister" – modern gesprochen: als "Athener mit Migrationshintergrund"– hat er sich aller öffentlichen Äußerungen zur Politik in Athen enthalten.
Zum Schluss ein Wunsch: Möge doch so mancher Redner im Bundestag noch einmal bei Aristoteles nachlesen. Wäre es etwas weit hergeholt, Aristoteles als Vater der Didaktik zu bezeichnen? Gewöhnlich betrachtet man Johann Comenius als den Vater der Didaktik.
Versteht man die Didaktik als "Lehrkunst" im weitesten Sinne, existierte diese schon viel früher und dann darf man Aristoteles mit gutem Gewissen in den "Kreis der Väter der Didaktik" aufnehmen. Denn all das, was für eine gute Rede gilt, ist ebenso beim Unterrichten zu beachten. Mühelos könnte man Aristoteles‘ Regeln für eine plausible Rede den viel später formulierten didaktischen Prinzipien zuordnen. Eine besonders schöne Begründung dafür, Aristoteles als einen der Väter der Didaktik zu bezeichnen, können wir den Worten des Kirchenvaters Thomas von Aquin entnehmen. Auf die Frage, warum er gerade den Heiden Aristoteles allen anderen christlichen Philosophen vorziehe, antwortete er: "Die Wissenschaft erfordert eine streng logische Behandlung, und die können wir bei Aristoteles am besten lernen – er ist der Vater der Logik. Ebenso bedeutsam: Wissenschaft erfordert eine gute Methode. Und insbesondere darin ist Aristoteles unübertroffen: Er beginnt mit Beobachtungen, verallgemeinert diese und schließt mithilfe der Logik von den Verallgemeinerungen auf das Einzelne. Auf diese Weise behandelt Aristoteles seinen Gegenstand immer erschöpfend. Und: Aristoteles ist der Erste, der sich in fast allen Dingen fragt: Was haben die Menschen vor uns über das Problem gedacht? Er begründet das historische Herangehen an wissenschaftliche Fragen."
Helga König: Können Sie sowohl von Platon als auch von Aristoteles ein Zitat nennen, in dem sich Ihr eigenes Denken wiederfindet?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Von Platon bitte ich, zwei Zitate nennen zu dürfen: "Indem wir das Wohl anderer erstreben, fördern wir unser eigenes." Zugleich gibt Platon jedoch für das Geld im Alter zu bedenken: "Besser sterbend den Gegnern etwas hinterlassen als lebend die Freunde anbetteln."
Das treffendste Zitat von Aristoteles? Ich staune mit ihm: "Was es alles gibt, was ich nicht brauche."
Lieber Prof. Dr. Liebers, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.
Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Verlag und können das Buch bestellen. http://www.epubli.de/
Sie Können das Buch allerdings auch unter der ISBN 978-3-8442-9584-9 bei Ihrem Buchhändler um die Ecke erwerben.:
Anbei die Website von: Prof. Dr. Liebers: http://www.uni-potsdam.de/db/physik_didaktik/files/25.7.14_neu_d.pdf
Helga König: Welche Bedeutung hatte die Geometrie in Platons Denken?
Aristoteles Foto: Prof. Dr. Klaus Liebers |
Helga König: Warum haben Sie im Untertitel Ihres Buches nach den Namen von Platon und Aristoteles noch hinzugefügt: „Seid gegrüßt!“?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Der Untertitel "Platon und Aristoteles – seid gegrüßt!" möchte den Leser von der ersten Seite an auf die Leistungen der zwei Griechen einstimmen und Aristoteles von dem Makel befreien, ein den Fortschritt hemmender Forscher gewesen zu sein. Vor allem seit dem Prozess gegen Galileo Galilei und in den Schmähschriften gegen Blaise Pascal hat der Name Aristoteles Schaden genommen. Doch es gelten die Worte von Galileo Galilei: "Seine Anhänger haben dem Aristoteles die Autorität verliehen, nicht er hat sie sich angemaßt oder genommen.“
Vom Kirchenlehrer Thomas von Aquin waren die Lehren des Griechen im Hochmittelalter zu unumstößlichen Wahrheiten erkoren worden. Dafür sprach: Die Anfangsgründe dieses Systems entsprachen dem damals neuesten Stand verbürgter wissenschaftlicher Erkenntnisse; sie galten jedermann als wahr! Thomas von Aquin verband – mit einigen Tricks – die Lehren des Aristoteles mit der Bibel und "taufte" so den Heiden Aristoteles. Im Jahre 1278 verpflichtete der Dominikanerorden seine Mitglieder auf die Lehre des Thomas von Aquin. Der gesamte Nachwuchs an kirchlichen und höfischen Würdenträgern im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erhielt seine naturwissenschaftliche Ausbildung allein nach den Lehren von Aristoteles. Welch Triumph für Aristoteles – 2 000 Jahre nach dessen Tod! Fortan verteidigten der Dominikanerorden und der Jesuitenorden Aristoteles gegen alle neuen Erkenntnisse, die sich nicht mit den Lehren des Griechen vereinen ließen. Doch Galilei hat recht, wenn er schreibt: "Zweifelt Ihr etwa, dass Aristoteles seine Meinung ändern und seine Bücher verbessern würde, wenn er von den neuen Entdeckungen erführe?"
Helga König: Wie nah sind Sie in Ihren Dialogen zwischen Platon, Aristoteles und deren Schülern an die historische Wahrheit herangekommen?
Aristoteles Foto: Prof. Dr. Klaus Liebers |
Helga König: In Ihren Werken formulieren Sie nicht allein das Ergebnis ihres Ringens um die Antworten auf die Fragen, sondern auch den Weg dorthin. Und ebenso erörtern diese Schriften tatsächliche oder mögliche Einwände anderer Philosophen. Sie schreiben, dass in der Schule von Athen auch zwei Frauen unterrichtet wurden. Wissen Sie mehr über diese Frauen und über die Akzeptanz der männlichen Schüler gegenüber ihren vermutlich hochintelligenten, weiblichen Pendants?
Prof. Dr. Klaus Liebers Foto: K. Fritze |
Noch wichtiger ist ein Phänomen jener Zeit: Staatsmänner, Philosophen und Künstler suchten die Gunst gebildeter Frauen. Die Griechen nannten diese Frauen Hetären, was so viel bedeutet wie Freundinnen. Diese Frauen waren sozial anerkannt, besuchten die öffentlichen Hörsäle der Philosophen und widmeten sich der Mathematik, Rhetorik, Philosophie und anderen Wissenschaften.
Zur Zeit Platons fanden Hetären Größe und Ruhm wie in keinem Zeitalter zuvor oder danach. Ihre Häuser in Athen, Korinth oder Theben gestalteten sie zu Tempeln der Künste. Ihre Wohnungen wurden zu Treffpunkten berühmter und geistreicher Männer.
Perikles lernte in den Armen von Aspasia das Regieren. Leontia war Schülerin und Geliebte von Epikur, Phryne inspirierte Praxiteles zur Gestalt der Marmorstatue von der Geburt der Venus, Nikarete teilte ihre Stunden zwischen Mathematik und Liebe mit dem Philosophen Stilpon.
Prof. Dr. Klaus Liebers: Aufs Engste verbunden fühlte ich mich mit Aristoteles, wenn ich im Unterricht oder beim Schreiben von Büchern für den naturwissenschaftlichen Unterricht den Blick der Schüler auf die Geschichte der Wissenschaft richtete: Wie kamen die Forscher dazu, diese Problem zu untersuchen? Wie entstanden die großartigen Ideen? Mit welchen Misserfolgen mussten sich die Wissenschaftler herumschlagen? Was sagten ihre Mitmenschen zu den Forschungen? Was bewirkten die Gelehrten mit ihren Ergebnissen? Usw. usw. All diesen Fragen bin ich auch in dem Buch "In der Schule von Athen" treu geblieben.
Helga König: Welche Rolle spielt bei Aristoteles die Rhetorik bei der Vermittlung von Wissen?
Prof. Dr. Klaus Liebers: Die Rolle der Redekunst kann bei Aristoteles gar nicht hoch genug herausgestellt werden. Mit seiner Schrift "Rhetorik" wurde er zu deren Vater. Noch heute sind seine Ratschläge für jeden erfolgreichen Vortrag nützlich. Für Aristoteles stellt die Redegabe das Vermögen dar, bei jedem Gegenstand das Plausible zu erkennen. "Plausibel", überzeugend, ist für Aristoteles eine Rede nur dann, wenn der Redner drei Bedingungen erfüllt:
Der Inhalt wird erstens in einer eingängigen Gedankenführung, zweitens in gekonntem sprachlichen Ausdruck und drittens in einem geordneten Aufbau der Argumentation glaubhaft gemacht.
Dies beherrschte Aristoteles beispielhaft. Ebenso wichtig: Der Redner selbst muss glaubwürdig erscheinen. Und nicht zu vergessen: Die Rede muss auf die Situation und die Rolle der Hörer zugeschnitten sein. Leider konnte sich Aristoteles mit keiner politischen Rede an die Athener wenden. Als "Zugereister" – modern gesprochen: als "Athener mit Migrationshintergrund"– hat er sich aller öffentlichen Äußerungen zur Politik in Athen enthalten.
Zum Schluss ein Wunsch: Möge doch so mancher Redner im Bundestag noch einmal bei Aristoteles nachlesen. Wäre es etwas weit hergeholt, Aristoteles als Vater der Didaktik zu bezeichnen? Gewöhnlich betrachtet man Johann Comenius als den Vater der Didaktik.
Versteht man die Didaktik als "Lehrkunst" im weitesten Sinne, existierte diese schon viel früher und dann darf man Aristoteles mit gutem Gewissen in den "Kreis der Väter der Didaktik" aufnehmen. Denn all das, was für eine gute Rede gilt, ist ebenso beim Unterrichten zu beachten. Mühelos könnte man Aristoteles‘ Regeln für eine plausible Rede den viel später formulierten didaktischen Prinzipien zuordnen. Eine besonders schöne Begründung dafür, Aristoteles als einen der Väter der Didaktik zu bezeichnen, können wir den Worten des Kirchenvaters Thomas von Aquin entnehmen. Auf die Frage, warum er gerade den Heiden Aristoteles allen anderen christlichen Philosophen vorziehe, antwortete er: "Die Wissenschaft erfordert eine streng logische Behandlung, und die können wir bei Aristoteles am besten lernen – er ist der Vater der Logik. Ebenso bedeutsam: Wissenschaft erfordert eine gute Methode. Und insbesondere darin ist Aristoteles unübertroffen: Er beginnt mit Beobachtungen, verallgemeinert diese und schließt mithilfe der Logik von den Verallgemeinerungen auf das Einzelne. Auf diese Weise behandelt Aristoteles seinen Gegenstand immer erschöpfend. Und: Aristoteles ist der Erste, der sich in fast allen Dingen fragt: Was haben die Menschen vor uns über das Problem gedacht? Er begründet das historische Herangehen an wissenschaftliche Fragen."
Helga König: Können Sie sowohl von Platon als auch von Aristoteles ein Zitat nennen, in dem sich Ihr eigenes Denken wiederfindet?
Prof. Dr. Klaus Liebers Foto: K. Fritze |
Das treffendste Zitat von Aristoteles? Ich staune mit ihm: "Was es alles gibt, was ich nicht brauche."
Lieber Prof. Dr. Liebers, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.
Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Verlag und können das Buch bestellen. http://www.epubli.de/
Sie Können das Buch allerdings auch unter der ISBN 978-3-8442-9584-9 bei Ihrem Buchhändler um die Ecke erwerben.:
Anbei die Website von: Prof. Dr. Liebers: http://www.uni-potsdam.de/db/physik_didaktik/files/25.7.14_neu_d.pdf
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