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Helga König im Gespräch mit Franz Conrads, Leiter des Stabs des Präsidenten, Deutsche Bundesbank, Hauptverwaltung Hessen

Sehr geehrter Herr Conrads, vor geraumer Zeit hatte ich Gelegenheit  im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Kunst privat" die Kunst in Ihrem Hause zu bewundern. Nun möchte ich Ihnen hierzu einige Fragen stellen.

Helga König: Was hat die Deutsche Bundesbank in Frankfurt Taunusanlage 5 bewogen, sich im Rahmen ihrer Kunstsammlung für Themen, die Goethe betreffen, speziell zu engagieren? 

Franz Conrads
Leiter des Stabs des Präsidenten
Deutsche Bundesbank
Hauptverwaltung Hessen
Franz Conrads: Beim Bau des Dienstgebäudes in den 1980er Jahren hat der damalige Vorstand der Hauptverwaltung als Bauherr für die in den Bau zu integrierende Kunst das Thema "Frankfurt - Goethe - Geld" vorgegeben. Dafür gab es Gründe: Zum einen hatte sich der Vizepräsident Prof. A. Hüttl lange und intensiv mit Johann Wolfgang Goethe als Wirtschaftsfachmann auseinandergesetzt. Zum anderen hat der in Frankfurt geborene Dichterfürst im "Faust. Der Tragödie zweiter Teil" (Faust II) das Thema Schaffung von Papiergeld, Staatsfinanzierung und Geldwertzerstörung abgehandelt. Diese offenbar zeitlose Problematik schien für ein neues Gebäude der Notenbank zeitgemäß. 

Helga König: Sehr begeistert war ich als Goethe-Liebhaberin sogleich in der Eingangshalle acht Bildtafeln mit Motiven aus Faust II entgegengebracht zu bekommen. Können Sie den Lesern zu dem Gemälde „Die Entstehung des Papiergeldes“ von Siegfried Rischar Näheres berichten? 

Franz Conrads: Der Bauherr hatte mehrere Künstler zur Ausgestaltung der Halle gebeten und als Thema das Geschehen im 1. Akt des Faust II vorgegeben. Der Aschaffenburger Maler und Städelschüler Rischar (1924-2009) überzeugte mit seinem Entwurf, weil er darin die Symbolsprache der Goetheschen Dichtung am besten in ein Gemälde umsetzte. In fast drei Jahren Arbeitszeit verknüpfte er Goethes bildbeladenen Stoff zu einem Handlungsstrang über zwei 13 Meter lange Gemäldefriese. In einer ganz eigenen Bildsprache mit vielen Allegorien und freien Interpretationen hat er die Figuren der Tragödie mit fantastischen Elementen verbunden.

Helga König:  Ebenfalls in der Eingangshalle steht die Skulptur „Mephisto umschmeichelt den Kaiser“. Dürfen die Leser mehr über dieses Kunstwerk und den Künstler Karl-Henning Seemann erfahren? 

Franz Conrads: Der 1943 in Wismar geborene Bildhauer Seemann war bis 1999 Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und lebt heute bei Heilbronn. Mit zwei Figurenpaaren aus Bronze setzt er ebenfalls Motive aus dem 1. Akt des Faust II um und integriert sie in die Architektur des Gebäudes. Jeweils zwei lebensgroße Einzelfiguren stehen dabei als Vollplastiken vor den Stützsäulen der Schalterhalle und erzeugen so ein deutlich erkennbares, räumliches Beziehungsgefüge. Die angesprochene Skulptur zeigt Mephisto, der als Narr verkleidet, den Kaiser davon zu überzeugen versucht, dass mit der Schaffung von Papiergeld alle Finanzprobleme des Hofes gelöst werden können. 

Helga König:  Sehr angetan war ich von der „Marmorskulptur „Helena“, die in eine formschönen Treppenanlage integriert ist. In welcher Beziehung steht diese Skulptur zu Goethe und welchen Stellenwert hat die Schönheit Helenas für die „Deutsche Bundesbank“?

Franz Conrads:  Die vom Bildhauer und ehemaligen Städeldozenten Willi Schmidt (1924-2011) angefertigte "Helena" kommt in einer Schlüsselszene des 2. Aktes der Tragödie vor, in der Faust Urbilder der griechischen Mythologie an den Hof des Kaisers holt (Helena, Paris). Für Goethe verkörperte Helena die Idee der vollkommenen Schönheit. Eine besondere Bedeutung für die Bundesbank hat die Helena nicht, außer vielleicht, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim Anblick der Helena wie seinerzeit Faust die "Kraft zum kühnen Fleiße" verspüren. 

Helga König: Besonders angetan war ich von Horst Gläskers Mosaik, das ein Muster aus Gingko-Blättern zeigt. Können Sie zu diesem Kunstwerk Näheres berichten? 

Franz Conrads: Der Kunstmaler und Kunstprofessor Gläsker (geb. 1949) setzte die fünf Meter hohe Mosaikwand "Sonnen-Ginkgo-Lebensmosaik" aus über 1 Millionen Steinchen zusammen. Zur Seite stand ihm bei der fast vier Jahre dauernden Arbeit ein speziell ausgebilderter Mosaizist. So entstand eine Farbfächer aus 29 Ginkgo-Blättern vor dem Strahlenkranz der Sonne. Die Szenerie ist angelehnt an die Fausts Naturbetrachtungen aus der Szene "Anmutige Gegend". In den Blättern finden sich Tiere, Menschen und Mischwesen der griechischen Mythologie, wie zum Beispiel Zeus als Schwan oder eine Leier spielende Sirene. 

Helga König: Dürfen wir des Weiteren etwas über das Gemälde "Tagesanbruch" erfahren“? 

Franz Conrads: Das Gemälde "Tagesanbruch" stammt ebenfalls von Horst Gläsker. Es ist eines von vier farbenreichen Bildern, auf denen Gläsker die von Goethe beschriebenenen verschiedenen Phasen des Faustschen Heilschlafes zwischen Abend und Morgen umsetzt. Der Tagesanbruch wird symbolisiert durch die vier Rosse Apollos, die mit donnerndem Galopp die Sonne aufgehen lassen. 

Helga König:  Wie haben die Goethe-Bilder von Warhol den Weg in die Taunusanlage 5 gefunden?

Franz Conrads:  Der damalige Vorstand der Hauptverwaltung hat sie 1983 als passende Ergänzung zu der in der Bank integrierten Faust II-Kunst erworben. Die vier im Siebdruckverfahren entstandenen vier Bilder, die Goethe-Gesicht in Pop Art darstellen, gehen auf einen Besuch Warhols im Städel 1981 zurück, wo er Tischbeins "Goethe in der Campagna" sah. Dieser Besuch wurde übrigens von Barbara Klemm in einer kleinen Fotografie festgehalten, die sich heute im Gartenflügel des Städel neben der großen Stiftertafel befindet.

Sehr geehrter Herr Conrads, ich danke Ihnen herzlich für  das aufschlussreiche Interview.
Helga König

Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Herrn Conrads. Der Fotograf ist mir nicht bekannt.

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