Sehr geehrter Herr Conrads, vor geraumer Zeit hatte ich Gelegenheit im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Kunst privat" die Kunst in Ihrem Hause zu bewundern. Nun möchte ich Ihnen hierzu einige Fragen stellen.
Helga König: Was hat die Deutsche Bundesbank in Frankfurt Taunusanlage 5 bewogen, sich
im Rahmen ihrer Kunstsammlung für Themen, die Goethe betreffen, speziell
zu engagieren?
Franz Conrads Leiter des Stabs des Präsidenten Deutsche Bundesbank Hauptverwaltung Hessen |
Helga König: Sehr begeistert war ich als Goethe-Liebhaberin sogleich in der
Eingangshalle acht Bildtafeln mit Motiven aus Faust II
entgegengebracht zu bekommen. Können Sie den Lesern zu dem Gemälde „Die
Entstehung des Papiergeldes“ von Siegfried Rischar Näheres berichten?
Franz Conrads: Der Bauherr hatte mehrere Künstler zur Ausgestaltung der Halle gebeten und
als Thema das Geschehen im 1. Akt des Faust II vorgegeben. Der
Aschaffenburger Maler und Städelschüler Rischar (1924-2009) überzeugte mit
seinem Entwurf, weil er darin die Symbolsprache der Goetheschen Dichtung am
besten in ein Gemälde umsetzte. In fast drei Jahren Arbeitszeit verknüpfte
er Goethes bildbeladenen Stoff zu einem Handlungsstrang über zwei 13 Meter
lange Gemäldefriese. In einer ganz eigenen Bildsprache mit vielen
Allegorien und freien Interpretationen hat er die Figuren der Tragödie mit
fantastischen Elementen verbunden.
Helga König: Ebenfalls in der Eingangshalle steht die Skulptur „Mephisto
umschmeichelt den Kaiser“. Dürfen die Leser mehr über dieses Kunstwerk und
den Künstler Karl-Henning Seemann erfahren?
Franz Conrads: Der 1943 in Wismar geborene Bildhauer Seemann war bis 1999 Professor an der
Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und lebt heute bei
Heilbronn. Mit zwei Figurenpaaren aus Bronze setzt er ebenfalls Motive
aus dem 1. Akt des Faust II um und integriert sie in die Architektur des
Gebäudes. Jeweils zwei lebensgroße Einzelfiguren stehen dabei als
Vollplastiken vor den Stützsäulen der Schalterhalle und erzeugen so ein
deutlich erkennbares, räumliches Beziehungsgefüge. Die angesprochene
Skulptur zeigt Mephisto, der als Narr verkleidet, den Kaiser davon zu
überzeugen versucht, dass mit der Schaffung von Papiergeld alle
Finanzprobleme des Hofes gelöst werden können.
Helga König: Sehr angetan war ich von der „Marmorskulptur „Helena“, die in eine
formschönen Treppenanlage integriert ist. In welcher Beziehung steht diese
Skulptur zu Goethe und welchen Stellenwert hat die Schönheit Helenas für
die „Deutsche Bundesbank“?
Franz Conrads: Die vom Bildhauer und ehemaligen Städeldozenten Willi Schmidt (1924-2011)
angefertigte "Helena" kommt in einer Schlüsselszene des 2. Aktes der
Tragödie vor, in der Faust Urbilder der griechischen Mythologie an den Hof
des Kaisers holt (Helena, Paris). Für Goethe verkörperte Helena die Idee
der vollkommenen Schönheit. Eine besondere Bedeutung für die Bundesbank hat
die Helena nicht, außer vielleicht, dass unsere Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern beim Anblick der Helena wie seinerzeit Faust die "Kraft zum
kühnen Fleiße" verspüren.
Helga König: Besonders angetan war ich von Horst Gläskers Mosaik, das ein Muster aus
Gingko-Blättern zeigt. Können Sie zu diesem Kunstwerk Näheres berichten?
Franz Conrads: Der Kunstmaler und Kunstprofessor Gläsker (geb. 1949) setzte die fünf Meter
hohe Mosaikwand "Sonnen-Ginkgo-Lebensmosaik" aus über 1 Millionen Steinchen
zusammen. Zur Seite stand ihm bei der fast vier Jahre dauernden Arbeit ein
speziell ausgebilderter Mosaizist. So entstand eine Farbfächer aus 29
Ginkgo-Blättern vor dem Strahlenkranz der Sonne. Die Szenerie ist angelehnt
an die Fausts Naturbetrachtungen aus der Szene "Anmutige Gegend". In den
Blättern finden sich Tiere, Menschen und Mischwesen der griechischen
Mythologie, wie zum Beispiel Zeus als Schwan oder eine Leier spielende
Sirene.
Helga König: Dürfen wir des Weiteren etwas über das Gemälde "Tagesanbruch" erfahren“?
Franz Conrads: Das Gemälde "Tagesanbruch" stammt ebenfalls von Horst Gläsker. Es ist eines
von vier farbenreichen Bildern, auf denen Gläsker die von Goethe
beschriebenenen verschiedenen Phasen des Faustschen Heilschlafes zwischen
Abend und Morgen umsetzt. Der Tagesanbruch wird symbolisiert durch die vier
Rosse Apollos, die mit donnerndem Galopp die Sonne aufgehen lassen.
Franz Conrads: Der damalige Vorstand der Hauptverwaltung hat sie 1983 als passende
Ergänzung zu der in der Bank integrierten Faust II-Kunst erworben. Die vier
im Siebdruckverfahren entstandenen vier Bilder, die Goethe-Gesicht in Pop
Art darstellen, gehen auf einen Besuch Warhols im Städel 1981 zurück, wo er
Tischbeins "Goethe in der Campagna" sah. Dieser Besuch wurde übrigens von
Barbara Klemm in einer kleinen Fotografie festgehalten, die sich heute im
Gartenflügel des Städel neben der großen Stiftertafel befindet.
Sehr geehrter Herr Conrads, ich danke Ihnen herzlich für das aufschlussreiche Interview.
Helga König
Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Herrn Conrads. Der Fotograf ist mir nicht bekannt.
Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Herrn Conrads. Der Fotograf ist mir nicht bekannt.
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