Lieber Prof. Dr. Gunter Dueck, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Das Neue und seine Feinde" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.
Helga König: Ihr Buch zeigt viele psychologische Hürden auf, die es aus dem Weg zu räumen gilt, wenn man erfolgreich Ideen auf den Weg bringen möchte. Was halten Sie von Grundkursen in Psychologie an allen Fachbereichen der Uni und in Berufsschulen?
Prof. Dr. Gunter Dueck Foto: aus seinem Bestand |
Prof. Dr. Gunter Dueck: Es ist meist nicht sooo gut, der einzige mit einer Idee zu sein, dass deutet eher darauf hin, dass die Idee nicht reif ist oder der Kunde so etwas noch nicht will. Wenn es mehrere Innovatoren versuchen, kann das ein Indiz sein, dass jetzt die Zeit der Idee gekommen ist. Da gewinnt dann immer der, der „es“ als erster richtig macht. So einfach. Amazon, eBay oder Google waren nicht die ersten – nur die ersten, die es perfekt hinbekamen. Man braucht ein Gespür für „die endgültige Kunstform“, und dann kommen der Wille und die Professionalität ins Spiel.
Helga König: Sie schreiben, dass der wirkliche Durchbruch von etwas Neuem, dann realisiert worden ist, wenn ein normaler Kunde es zum Normalpreis gekauft hat. Kann von der Bereitschaft eines Kunden auf viele geschlossen werden und ist es dann nur noch eine Frage der Energie beim Akquirieren von weiteren Kunden?
Prof. Dr. Gunter Dueck: Ja, so! Normalerweise kostet ein erstes Modell astronomisch viel Geld. Viele Erfindungen werden erst als Prototypen an Kunden verschenkt, damit man wenigstens einen Nutzer oder Anwender vorzeigen kann. Viele Innovationen muss man Kunden aufdrängen und schmackhaft machen. Wie ich sagte: Wenn man die richtige Kunstform gefunden hat, schmeckt es dem Kunden gleich und er bezahlt auch manchmal Mondpreise wie für die „iWelt“, weil er glücklich damit ist.
Helga König:. Wir erleben derzeit den Disstress von Verlagen und Buchhändlern im Verhältnis zum Eustress von Amazon. Welchen Weg sollten Ihrer Meinung nach diejenigen gehen, die von Disstress geplagt werden?
Prof. Dr. Gunter Dueck: Aufstrebende Unternehmen arbeiten mit einer ganz natürlichen Lust, die absterbenden Geschäftsmodelle aber mit Grimm und unter Angst. Ich fürchte, die letzteren müssen loslassen. Früher ging man ganz oft Griechisch essen, überall gab es Teeläden, dann verschwinden sie wieder – es kommen andere Formen. Computerfirmen kommen und gehen. Innenstadtkaufhäuser werden hypermodern und dann ist Karstadt pleite. Versandhäuser geben das Kataloggeschäft wieder auf oder sterben daran. Buchhändler und Verlage sind da sehr besonders, sie fühlen sich „ewig“ wie jetzt auch die katholische Kirche in Erneuerungsdiskussionen. Das macht es noch schwerer, eine neue Zukunft zu finden.
Helga König: Woran erkennt man als Erneuerer CloseMinds und wie geht man mit Ihnen um, um aus ihnen zumindest OpenMinds zu machen?
Prof. Dr. Gunter Dueck: CloseMinds muss man wohl irgendwo „zwingen“… Woran erkennt man sie? Sie diskutieren nicht den Nutzen des Neuen, sondern die Gefahren: Handys strahlen in den Kopf ab, Internet macht süchtig, ständige Erreichbarkeit per Smartphone zerstört die Privatsphäre, MS-Office die Handschrift etc. Diese Einwände sind relativ kategorisch und können zudem TV-wirksam untermauert werden. Die Presse freut sich richtig darüber, sie muss nun nicht vom Neuen sachlich überzeugen, sie kann in den Emotionen der Gegner baden. OpenMinds diskutieren, CloseMinds werden emotional…
Helga König: Wie verhält man sich Antagonisten gegenüber als Innovator, macht man am besten einen großen Bogen um sie?
Prof. Dr. Gunter Dueck: Ja, einen Bogen! „Work underground as long as you can“ –das steht mehrmals in meinem Buch. Die meisten Innovationen scheitern an großen Meetings, in dem „alle Parteien“ oder „alle Bereiche“ zur „Abstimmung“ zusammensitzen. Da nehmen viele teil, nur um für die eigene Abteilung oder Partei zu „beobachten“. Durch diese unsägliche paritätische Zu-sammensetzung hat man in praktisch JEDEM Fall Antagonisten und viele CloseMinds im Meeting. Und in einem solchen Umfeld wird das Neue zuverlässig erstickt. Da predige ich: Keine Meetings! Gar keine oder nur welche mit Interessierten! Kein Innovationsmanagement, keine Prozesse, weil da auch wieder die CloseMinds überall in der Entscheidungskette sitzen. Deshalb: „Der Prozess/das formale Management ist der Innovation ihr Tod.“
Helga König: Sie schreiben, dass Innovatoren querdenken müssen. Was heißt das konkret?
Prof. Dr. Gunter Dueck: Nicht quer – hab ich das geschrieben? Mehr voraus, oder „kreuz und quer“, ich meine: Man soll sich alles aus ganz vielen Perspektiven anschauen und dann das Beste daraus machen! „Vorausdenken“ ist ja so eigentlich gefragt, aber wer sich so nennt, ist arrogant. Es ist schicklich zu sagen: „Ich bin der Leader“, das steht einem Alphatier wohl an, aber „Vorausdenker“ ist tabu, es kränkt die Alphas und alle anderen. Da ist es besser, sich als Querdenker titulieren zu lassen! Ich bin oft als „Hofnarr“ gehandelt worden. Dann darf man unter diesem Etikett tatsächlich vorausdenken. „Kinder und Narren …“, Sie wissen schon…
Helga König: Sie erwähnen einige Male in Ihrem Buch, dass ein Innovator aus der Kritik, die andere seiner Sache entgegenbringen, lernen muss, er geradezu nach Kritik Ausschau halten sollte, um sein Produkt oder was auch immer, dadurch optimieren zu können. Bedingt dies nicht zunächst einmal ein Resilienztrainig? Kreative Menschen sind in der Regel empfindlich.
Prof. Dr. Gunter Dueck: Oh, Empfindliche scheiden dann eben aus, oder? Wenn Sie irgendwo Weltmeister werden wollen, müssen Sie doch begierig sein, Ihre Fehler kennenlernen zu wollen, oder nicht? Im Buch schreibe ich über den Spruch in der Moschee in der Schwetzinger Schlossanlage. Da steht hoch oben in der Kuppel: „Der Thor hält Rat für Feindschaft.“ Das ist Weisheit pur. Bitte: Ein Thor ist kein Innovator.
Helga König: Wie ist es in mittelständischen Betrieben um die Innovationskultur bestellt?
Prof. Dr. Gunter Dueck: Besser. Da ist der Boss dabei, dann geht es. Oder auch nicht, dann nicht. Es gibt keine Prozesse und nicht so viele Meetings. Das Verhinderungspotential ist viel kleiner. Der süddeutsche Maschinenbau ist doch Vorbild in der Welt! Vertragen Sie eine These ins Blaue, ohne Studie? „Deutschland ist so erfolgreich in der Welt, weil es vorwiegend mittelständisch ist.“
Helga König: Sie erwähnen in Ihrem Buch einige Male Facebook. Gibt es bereits Unternehmen, die Ihre Innovationen an Kunden dort kommunizieren und wie darf man sich diese vorstellen?
Prof. Dr. Gunter Dueck: Ja, gibt es. Aber es sind oft Versuche mit „Werkstudenten, die mal twittern und posten“. Dann gibt es viele, die sich Follower unethisch besorgen, etwa durch Popups wie „Du darfst diesen Artikel erst weiterlesen, wenn Du uns likest“. Es gibt auch Firmen, bei denen man Follower oder Likes kaufen kann. Die haben Tausende von Facebook/Twitter-Accounts und liken dann von so vielen Fake-Accounts, wie man bezahlt. Daher: Auf Facebook tummeln sich ärgerlich viele Trickser und Fassadenglänzer. Das diskreditiert dann den Rest. Es gab und gibt ernsthafte Versuche, Kunden in Innovationen einzubeziehen und quasi als Miterfinder und Entwickler tätig zu werden. Gut! Aber dann kommen sofort wieder Beraterfirmen auf, die Unternehmen beibringen, „Kunden als kostenlose Hilfsarbeiter zu missbrauchen.“ Da werden wir dann wieder alle misstrauisch, oder?
Helga König: Das A und O bei Innovationen ist der Wille zum Neuen bei demjenigen, der sie auf den Weg bringt. Woher speist sich dieser unbändige Wille, der es möglich macht, immer und immer wieder 14 Stunden am Tag sich einer Sache zu verschreiben, um an ihr und ihrer der erfolgreichen Durchsetzung zu arbeiten?
Prof Dr. Gunter Dueck: Die Quellen sind so verschieden wie die Menschen. Manche brauchen Erfolg, andere treibt eine Mission, ein Glaube oder eine Idee, viele wollen Reichtum, wieder andere Macht. Google ist anders angetrieben als Manager wie Schrempp oder Piëch, die an großen Imperien bauen. Finanzinnovatoren treibt Geld, Albert Schweitzer …etc. etc.
Es wird auch oft eine zeitliche Entwicklung geben. Erst ist da eine Mission, dann Freude über Erfolg, dann Reichtum, Ehre oder Ruhm, dann Verteidigung des Reiches, schließlich Weltbeherrschung? Sigmund Freud hat z.B. die Psychoanalyse begründet, ihn trieb die Liebe zur Erkenntnis. Dann, als „Größter“, hat er auf die Reinheit seiner Lehre gepocht (Verteidigung des Reiches)…
Das mit den 14 Stunden höre ich oft. Das stimmt irgendwie nicht, aber eigentlich doch. Es ist so, dass Sie als Entrepreneur, Missionar, Visionär oder Erneuerer innerlich so erfüllt sind, dass Sie eigentlich immer arbeiten. Es fühlt sich nicht so wie 14 Stunden an, mehr wie volles glückliches Leben, wie Flow. Dieser Flow speist den Willen. Flow macht zeitvergessen! Da werden keine Stunden gezählt, weil eine Zeit nicht gefühlt wird, außer als Ungeduld, dass man nicht schneller vorankommt. Wer also lange Arbeitstage befürchtet oder über Zeit redet, ist nicht im Flow und kann eigentlich nicht mitreden.
Lieber Prof. Dr. Gunter Dueck, ich danke Ihnen, auch im Namen der Leser von "Buch, Kultur und Lifestyle" für das aufschlussreiche Interview.
Helga König
Hier der Link zur Homepage von Prof. Dr. Dueck: http://www.omnisophie.com/
Hier der Link zum Video http://www.youtube.com/watch?v=p5A_MstuM_I
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