Lieber Herr Dr. Dobelli, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Die Kunst des klaren Denkens" rezensiert. Heute möchte ich Ihnen hierzu einige Fragen stellen.
Helga König: Sie haben einst an der Elite-Universität in St. Gallen promoviert. Hatte Ihr Promotionsthema etwas mit Wirtschaftspsychologie zu tun?
Dr. Rolf Dobelli: Psychologie kam später, erst als ich begann, mit Nassim Taleb („Der Schwarze Schwan“) zu kommunizieren. Erst dann entdeckte ich, dass wir in den letzten 30 Jahren riesige Fortschritte gemacht haben und den Menschen endlich einigermaßen verstehen. An der sogenannten Elite-Universität St. Gallen habe ich fast nichts gelernt.
Helga König: Weltweit vermarkten Sie mehrseitige exzellente Buchzusammenfassungen zu Wirtschaftsbüchern. Ist Ihr Buch eine Antwort auf die vielen wortreichen, jedoch zumeist ermüdend zu lesenden Elaborate in diesem Bereich, die Sie geschickt für die dankbare Leserschaft auf ein paar Seiten minimieren?
Dr. Rolf Dobelli: Auch ein bisschen. Ich versuche, die schwierig zu lesenden Forschungsberichte der Wissenschaftler in verständliche Sprache zu übersetzen.
Helga König: Mittels Storytelling die Leser für wichtige Botschaften zu öffnen, denen diese sich ansonsten, aus welchen Gründen auch immer, verschließen, ist eine Maßnahme, die ja mittlerweile allgemein empfohlen wird. Haben Sie das Mittel in Ihrem Buch in erster Linie eingesetzt, um das Klientel der Firma „getAbstract“ mit kurzweiligen, wirtschaftspsychologischen Erkenntnissen zu erfreuen und nun doch endlich mal mehr als ein Exzerpt zu lesen?:-))
Dr. Rolf Dobelli: getAbstract und mein Buch haben nicht viel gemeinsam außer dem Wunsch, schwierige Themen möglichst klar und knapp darzustellen. DIE KUNST DES KLAREN DENKENS ist eine rein private Angelegenheit.
Helga König: Haben Sie auf Lesungen den Eindruck, dass Menschen primär erfreut sind, dass die Sentenz „Irren ist menschlich“ immer noch auf uns alle zutrifft oder spüren Sie in Diskussionen den Wunsch der Leser und Zuhörer, etwas dazulernen zu wollen?
Dr. Rolf Dobelli: Das ist der Vorteil von Sachbüchern: Es gibt keine Lesungen! Hingegen werde ich oft von Managern, Ärzten und Aufsichtsräten eingeladen, über die KUNST DES KLAREN DENKENS zu referieren. Das sind Vorträge und keine Lesungen. Ja, natürlich, diese Menschen möchten etwas dazulernen.
Helga König: In der Headline habe ich nicht grundlos ein Zitat aus Ihrem Buch eingeflochten. Es lautet: "Wenn Sie das Verhalten eines Menschen oder einer Organisation erstaunt, fragen Sie sich, welches Anreizsystem dahintersteckt .Ich garantiere Ihnen, dass Sie 90% des Verhaltens so erklären können. Leidenschaft, geistige Schwäche, psychische Störungen und Bosheit machen höchstens 1O% aus." (Dobelli, S.71). Können Sie diesen Satz bitte etwas näher erläutern?
Dr. Rolf Dobelli: Fast jedes Verhalten lässt sich auf handfeste Interessen zurückverfolgen. Der Banker will seine Boni maximieren, und dafür nimmt er vieles in Kauf. Ein Politiker will wiedergewählt werden. Ein Student will seine Prüfung bestehen. Das sind Interessen. Die verleiten manchmal absurdem Verhalten – bis man versteht, welches die (versteckten) Interessen der Akteure sind.
Helga König: Sie schreiben „Die Kontrollillusion ist die Tendenz, zu glauben, dass wir etwas kontrollieren und beeinflussen können, über das wir objektiv keine Macht haben.“ Können Sie ein Beispiel aus der Wirtschaft oder Politik geben, bei der die Denkfalle „Kontrollillusion“ mit verheerenden Folgen zugeschnappt ist?
Dr. Rolf Dobelli: Schauen Sie die hilflosen Bemühungen der EZB an, die Wirtschaft anzukurbeln. Reine Kontrollillusion. Mit der Ausweitung der Geldmenge ist kein Wirtschaftswachstum hinzukriegen.
Helga König: Sie sind ein sehr gut aussehender Mann. Das wissen Sie. Glauben Sie, dass der „Halo-Effect“ Ihre Karriere vereinfacht hat?:-))
Dr. Rolf Dobelli: Im Spiegel schaut mir oft ein anderer Kerl entgegen, als den Sie hier beschreiben. Doch zurück zu Ihrer Frage: ja natürlich, der Halo Effekt spielt sicher eine Rolle.
Helga König: Erläutern Sie uns bitte den entscheidenden Fehler von "Groupthink".
Dr. Rolf Dobelli: Gruppen schießen sich – ohne dass sie es merken – auf eine Theorie über die Welt ein. Gegensätzliche Meinungen werden nicht toleriert oder zensieren sich selbst. Wenn die Theorie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, ist das ein Problem.
Helga König: Sie betreiben in Ihrem Buch auf subtile Weise wirtschaftspsychologische Aufklärung. Der aufmerksame Leser wird sich zukünftig durch Werbung nicht mehr beeinflussen lassen, wenn ein Tennisprofi Kaffeemaschinen anpreist, weil die Erkenntnisse aus dem Kapitel „Authority Bias“ eine Sperre darstellen. Bitte erläutern Sie folgenden Satz aus besagtem Kapitel: Besonders bei einem dominanten CEO ist die Gefahr groß, das die Mitarbeiter dem Autority Bias unterliegen. Sehr zum Schaden der Firma“. Angst wirkt sich negativ auf die Kreativität von Mitarbeitern aus. Das ist klar. Können Sie ein konkretes Beispiel geben, wodurch ein dominanter Ceo seiner Firma erheblich geschadet hat?
Dr. Rolf Dobelli: Immer wenn dadurch Kritik eingeschränkt wird. Ein CEO, der keine Kritik an seinem Führungsstil oder seiner Strategie erlaubt, ist auf lange Sicht eine Gefahr für das Unternehmen.
Helga König: Ihr Buch wird in 15 Sprachen übersetzt. Dafür meine herzlichsten Glückwünsche. Welche Sprachen werden es sein und in welchem Land erhoffen Sie sich die größte Leserschaft?
Dr. Rolf Dobelli: Russisch, Spanisch, Französisch, Japanisch, Chinesisch, Finnisch, Holländisch, Koreanisch, Englisch, etc. Am wichtigsten wird der USA-Markt sein, also Englisch – und zwar beim HarperCollins Verlag, ein erstklassiges Haus. Darauf freue ich mich ganz besonders.
Lieber Herr Dr. Dobelli, für das aufschlussreiche Interview danke ich Ihnen herzlich. Ein Dankeschön auch für die begrifflich Aufklärung in Hinblick auf Lesung (Roman) und Vortrag (Sachbuch). Über diese begriffliche Unterscheidung war ich mir in dem Zusammenhang bislang nicht so wirklich bewusst.
Ihre Helga König
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