Liebe Frau Klingner, dieser Tage habe ich Ihr Buch "GUTE STERNE BÖSE STERNE, Astrologie zwischen Aberglaube und Wissenschaft" rezensiert und möchte Ihnen hierzu heute einige Fragen stellen.
Helga König: Sie sind von Haus aus Kunsthistorikerin. Haben Sie sich schon zu Studienzeiten hobbymäßig mit Astrologie befasst und wer hat Sie diesbezüglich motiviert?
Helga König: Sie sind von Haus aus Kunsthistorikerin. Haben Sie sich schon zu Studienzeiten hobbymäßig mit Astrologie befasst und wer hat Sie diesbezüglich motiviert?
Annett Klinger |
Helga König: Im Laufe meines bisherigen Lebens habe ich gewiss drei Dutzend Astrologie- Bücher gelesen. Neben dem Buch „Lebenshilfe Astrologie: Gedanken, Erfahrungen“ des Psychoanalytikers Fritz Riemann hat mir Ihr Buch „Gute Sterne, böse Sterne - Astrologie zwischen Aberglaube und Wissenschaft“ besonders gut gefallen, weil es sich in mancher Hinsicht von den gängigen Astrologiebüchern positiv abhebt, kurzum, weil es reflektierter ist. Neugierig hat mich sogleich Ihr historischer Exkurs gemacht. Können Sie uns an dieser Stelle etwas über das Verhaltensmuster des hochbegabten Stauferkaisers Friedrich II (1194- 1250) im Hinblick auf Astrologen berichten?
Annett Klingner: Friedrich II., der von seinen Zeitgenossen "stupor mundi" (Staunen der Welt) genannt wurde, war hoch gebildet. Er beherrschte mehrere Sprachen, war sowohl an naturwissenschaftlichen als auch an philosophischen, theologischen und künstlerischen Fragen interessiert. Er gründete die Universität von Neapel und verfasste ein bedeutendes Buch über die Falkenjagd: De arte venandi cum avibus. An seinem Hof hatte er zahlreiche Dichter, Wissenschaftler und Künstler um sich geschart, darunter einige der bedeutendsten Astrologen seiner Zeit. Seinen Hofastrologen, -übersetzer und -mediziner Michael Scotus konsultierte er regelmäßig und ließ ihn medizinisch-astrologische Schriften verfassen. Als der Kaiser seinem Sterndeuter aus einem Kuraufenthalt einen umfangreichen Fragenkatalog zur Sterndeutung schickte, fühlte sich der Gelehrte zur Abfassung seines berühmten Hauptwerkes Liber introductorius (Einführungsbuch) inspiriert. Es vereint das gesamte hochmittelalterliche Wissen über die Sternkunde – von den theoretischen Grundlagen über die Geschichte der Astrologie und ihre Symbolik bis zur Einführung in die Horoskopierkunst. In all seinen Schriften betont er, dass die Sterne keine wirkenden Ursachen, sondern nur Anzeichen seien, die nichts bewirken können. Scotus war es wichtig, dass seine Erläuterungen auch von Laien verstanden werden konnten, was die rasche Verbreitung seines Werkes erheblich beschleunigte. Auch zwei Päpste, Honorius III. und Gregor IX., bewunderten den Gelehrten und versuchten, ihn abzuwerben. Der lehnte die angebotene Erzbischofswürde jedoch ab, um seinem Kaiser treu bleiben zu können.
Helga König: Sie streifen bei Ihren Betrachtungen auch Goethes Geburtshoroskop. Wie tickt ein Mensch der von Sternzeichen und Aszendenten her Jungfrau ist. Ist ein solcher Mensch zur Intellektualität verurteilt?
Annett Klingner: Die Gründe sind vielfältig: Manche Leute wollen einfach probieren, was an dem Gerede über Horoskope dran ist und sind neugierig, ob man nicht vielleicht doch einen Blick in die Zukunft werfen kann. Andere trauen ihrem Bauchgefühl nicht. Sie hoffen, dass ihnen Entscheidungen abgenommen oder sie zu Dingen ermutigt werden – sei es, endlich den heimlichen Schwarm anzusprechen, einen beruflichen Neustart zu wagen oder auch nur, der nervigen Schwägerin mal resolut die Meinung zu geigen. Nicht selten hoffen Menschen darauf, Dinge geregelt zu bekommen, ohne selbst Energie und Zeit aufwenden zu müssen. Sie erwarten ein schnelles und oberflächliches Rezept, wie: „Dieser Partner tut Ihnen nicht gut. Aber in zwei Wochen treffen sie einen besseren.“ oder: „Schon nächsten Monat flattert Ihnen ein tolles Job-Angebot ins Haus.“ Eltern sorgen sich verständlicherweise um ihren Nachwuchs. Besonders viele Menschen suchen in persönlichen Not- und Krisensituationen Halt in der Astrologie. Sie haben Liebes-, Job-, Finanz- oder Gesundheitsprobleme und erhoffen sich von der Sternkunde Trost, Aufmunterung und das Versprechen, dass es ihnen bald wieder besser gehen wird. Andere sind – unabhängig von ihrer objektiven privaten, sozialen oder finanziellen Situation – nicht glücklich. Sie befürchten, etwas Entscheidendes zu vermissen, und suchen im Horoskop nach einem zündenden Hinweis. Und letztlich gibt es die ständig wachsende Gruppe von Leuten, die ihre eigene Persönlichkeit besser verstehen wollen. Sie möchten nicht nur „funktionieren“, sondern genau erkunden, warum sie sich immer wieder automatisch auf eine gewisse Weise verhalten. Ihre durch die Astrologie gewonnenen Erkenntnisse nutzen sie, um Potenziale gezielter auszuschöpfen und Schwächen besser zu entschärfen.
Helga König: In welcher Weise hat Sie "Die Akte Astrologie. Wissenschaftlicher Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den Sternzeichen und dem menschlichen Verhalten" von Gunter Sachs bei ihrem Buch beeinflusst?
Annett Klingner: Die Astrologie geht davon aus, dass sich Zeit nicht nur quantitativ in Stunden, Minuten etc., also in immer gleichen linearen Zeiteinheiten, messen lässt, sondern dass sich verschiedene Zeitphasen auch unterschiedlich anfühlen - dass es also auch eine qualitative Seite gibt. Deshalb untersuchen Astrologen, welche unterschiedlichen Arten der Zeitqualität sich ermitteln lassen, in welchen Zyklen diese auftreten und in welcher Form die Erkenntnisse im täglichen Leben nutzbar sind. Theoretisch könnte man an jedem beliebigen Punkt der Zeitachse einen Schnitt machen und die Qualität dieses Augenblicks berechnen, egal ob das der Geburtszeitpunkt eines Menschen ist, eine Hochzeit oder Scheidung, die Gründung einer Partei oder eines Staates, eine Schiffstaufe, der Zeitpunkt eines Flugzeugabsturzes, die Unterzeichnung eines wichtigen Vertrages, der geplante Termin eines Gespräches oder der einer Operation. Damit diese Informationen schnell, leicht und unabhängig von der Muttersprache nutzbar sind, hat die Astrologie eine Art eigener Fachsprache entwickelt. Diese verwendet eine überschaubare Anzahl grafischer Symbole statt langer Texte. Sie werden in ein zweidimensionales „Horoskop“ eingetragen und sowohl einzeln als auch im Gesamtzusammenhang gedeutet. Im Begriff „Horoskop“ stecken das lateinische Wort für Stunde (hora) und der griechische Begriff für betrachten (skopein). Man sieht dieser Grafik nicht an, ob sie sich auf einen Menschen, ein Tier oder ein Ereignis bezieht. Sie zeigt die Qualität der Zeit – nicht mehr und nicht weniger. Das Geburtshoroskop eines Menschen verrät, welches qualitative Potenzial im Moment seines ersten Atemzuges lag und welche charakterlichen Anlagen, Stärken und kleinen Schwächen ihm von Natur aus mitgegeben sind. Diese sind auch dann da, wenn man das Horoskop nicht kennt oder es nicht lesen will. Aber das Geburtsbild sagt nichts darüber aus, ob bzw. wie intensiv die Fähigkeiten genutzt werden. Vielversprechende charakterliche Anlagen garantieren nicht automatisch einen klugen, liebenswerten und erfolgreichen Menschen.
Helga König: Gibt es nach Ihrer Ansicht schwierige Sternenkonstellationen in Geburtshoroskopen, die ursächlich für Persönlichkeitsdefizite sein können?
Annett Klingner: Bei einigen Konstellationen kollidieren die beteiligten Energien und erschweren dem Betroffenen dadurch ihren angemessenen Einsatz. Das Quadrat weist z.B. auf Wünsche und Bedürfnisse hin, die sich gegenseitig ausschließen oder hochschaukeln. Das erschwert es, ein inneres Gleichgewicht zu finden und auf eine angemessene Weise zu reagieren. Oft besteht dann die Neigung, eine Fähigkeit zugunsten einer anderen zu vernachlässigen. Bei der Opposition wirken zwei Energien in entgegengesetzte Richtungen. Das zeigt sich im Alltag an einem Schwanken von einem Extrem ins andere. Beide Aspekte sind herausfordernd, haben aber auch großes Entwicklungspotenzial, denn ohne Reibung gibt es keine Bewegung. Zudem schützen auch sehr harmonische Konstellationen nicht vor Persönlichkeitsdefiziten oder unreifem Verhalten. Denn bei Dingen, die einem von Natur aus leicht fallen, besteht immer die Gefahr, sie als selbstverständlich hinzunehmen, faul und arrogant zu werden. Gerade in den Horoskopen von hochgeschätzten Menschen mit überragenden Leistungen finden sich überdurchschnittlich häufig sehr herausfordernde Aspekte.
Helga König: Können Sie den Lesern erklären, welchen Zweck der Aszendent und welchen der Deszendent erfüllt und was man unter den Aspekten zum Aszendenten zu verstehen hat?
Annett Klingner: Das Tierkreiszeichen, welches im Augenblick der Geburt am östlichen Horizont steht, bestimmt den Aszendenten. Weil die Ekliptik geneigt ist, brauchen einige Zeichen länger als andere, um aufzusteigen: Am langsamsten ist die Jungfrau, die gegenüberliegenden Fische brauchen die kürzeste Zeit. Deshalb gibt es nur wenige Menschen mit einem Fische- und relativ viele mit einem Jungfrau-Aszendenten. Die Gradzahl des aufsteigenden Zeichens ändert sich schon innerhalb weniger Minuten. In der Regel haben nicht mal Zwillinge ein absolut identisches Horoskop. Der Aszendent zeigt an, wie wir nach außen wirken. Das betrifft einerseits die physische Erscheinung, also die Gesichts- und Körperform. Er lässt sich in gewisser Weise mit der Eingangstür zu einem Haus vergleichen. Hinter einem prächtigen Portal kann ebenso ein vernachlässigtes Inneres warten wie ein liebevolles Zuhause hinter einer unscheinbaren Pforte. Das Haus nur nach seiner Tür zu beurteilen, führt also unter Umständen zu gravierenden Trugschlüssen. Wer dank seines Aszendenten fürsorglich und engagiert wirkt, kann hinter dieser sympathischen Fassade ein kühl berechnendes Wesen verbergen. Bei anderen Zeitgenossen ist man vielleicht erst von deren unnahbarer, langweiliger oder unsicherer Erscheinung abgeschreckt und entdeckt erst später ihre Herzenswärme, Loyalität oder eine faszinierende kreative Begabung. Der Deszendent spielt ebenfalls eine große Rolle. Er liegt dem Aszendenten auf seiner waagerechten Achse genau gegenüber. Dieses Tierkreiszeichen beschreibt, welche Eigenschaften man nicht bei sich selbst erkennt und deshalb instinktiv als Ergänzung bei anderen Menschen sucht.
Helga König: Gibt es Menschen, die gewissermaßen vom Horoskop her ideal zueinander passen?
Annett Klingner: Es gibt Paare, die ein Herz und eine Seele sind, obwohl der Vergleich ihrer Horoskope starke Konfrontationen vermuten ließe. Bei anderen passen die astrologischen Voraussetzungen hervorragend, und sie langweilen sich miteinander oder nerven einander. Eine Beziehung ist nur dann schön, spannend und erfüllend, wenn viele Faktoren zusammenkommen. Dazu gehört vor allem, dass die Chemie stimmt – und hier sind eindeutig die Grenzen astrologischer Aussagefähigkeit erreicht. Ob man sich in einen ganz bestimmten Menschen verliebt oder wie lange man mit jemandem glücklich bleibt, enthüllt das Horoskop nicht. Auch ob einer von beiden anderweitig liiert ist, kann nicht erfasst werden. Zum Suchen und Finden eines Partners ist Astrologie also ungeeignet. Ein Horoskopvergleich zeigt aber, an welchen Stellen Bedürfnisse übereinstimmen, ob die Kommunikation reibungslos läuft, ob die Partner ein ähnliches Tempo haben und wie viel Nähe jeder von beiden verträgt. Dort finden sich auch Hinweise, die helfen, natürliche Bedingungen zu verbessern. Manchmal verträgt ein Paar z.B. kein dauerhaftes „Aufeinanderhocken“ in beengten Wohnverhältnissen. Steht genügend Raum oder sogar eine zweite Wohnung zur Verfügung, kann die Beziehung aber überaus glücklich und entspannt sein.
Helga König: Was bedeuten die Häuser im Horoskop?
Annett Klingner: Während die Tierkreiszeichen beschreiben, WIE man etwas erlebt, zeigen die zwölf sogenannten „Häuser“ an, WO (also in welchen Lebens- und Aktivitätsbereichen) die einzelnen Anlagen besonders zum Tragen kommen. Deren Zählung beginnt im Feld unterhalb des Aszendenten und setzt sich im Gegenuhrzeigersinn fort. Beim Deuten der Häuser ist immer zu bedenken, dass die beschriebenen zwölf grundsätzlichen Aktionsbereiche nicht strikt voneinander abgegrenzt sind. Partnerschaft (siebtes Haus) ist idealerweise mit Freundschaft (elftes Haus) und Leidenschaft (achtes Haus) verbunden. Häufig mündet sie auch in einer eigenen Familie, die an einem gemeinsamen Ort lebt (viertes Haus). Geht es hingegen um berufliche Belange, sind neben dem sechsten Haus, das die Bewältigung des Alltags anzeigt, auch die Häuser zwei (das Verhältnis zu Werten), drei (Art der Wissensaufnahme und Kommunikation) sowie zehn (Position in der Gesellschaft) relevant.
Helga König: Verändert man nach Ihrer Meinung die Einstellung zu sich selbst und anderen, wenn man die Geburtshoroskope kennt?
Liebe Frau Klingner, herzlichen Dank für das wirklich erhellende Interview.
Ihre Helga König
Kostenfreies Foto aus dem Bestand von Annett Klinger. Der Fotograf ist mir nicht bekannt.
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