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Helga König im Gespräch mit Christian Thiel

Sehr geehrter Herr Thiel, vor einigen Tagen habe ich Ihr Buch "Was glückliche Paare richtig machen- Die wichtigsten Rezepte für eine erfüllte Partnerschaft" rezensiert. Hierzu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Mit meinem Mann lebe ich seit nunmehr 29 Jahren zusammen und ich teile aufgrund von Eigenerfahrung Ihre Meinung, dass Streit in Beziehungen unergiebig ist. Weshalb ist nach Ihrer Ansicht so wenigen Menschen klar, weshalb das gegenseitige Sich-Angiften und Nörgeleien, die eigentlichen Ursachen für den schiefhängenden Haussegen sind?

Christian Thiel: Als die Liebe in den 70er Jahren mit der Einführung des neuen Scheidungsrechts ein Kind der Freiheit wurde, begann eine Zeit der Unsicherheit. Wie sollten Partnerschaften jetzt funkionieren? Mit den Vorrechten des Mannes war es zu der Zeit auch gerade vorbei. Sie wurden – völlig zurecht – massiv in Frage gestellt. In dieser Zeit entstand der wichtigste Tipp von Kommunikationsexperten: Reden Sie darüber. Noch heute tragen wir an diesem gut gemeinten aber schwer umsetzbaren Rat. Schweigen bringt oft mehr als reden – soviel wissen wir heute, auch dank der Forschung, zum Beispiel durch die großartigen Untersuchungen, die der amerikanische Partnerschaftsforscher John Gottman gemacht hat.


Helga König: Welche Erfahrung haben Sie bei Ihren Klienten mit dem von Ihnen empfohlenen Sofortprogramm gemacht und können Sie den Lesern die wichtigsten Punkte des Sofortprogramms mitteilen?

Christian  Thiel: Wie sorge ich für gute Stimmung in der Beziehung? Das ist die Ausgangsfrage des Sofortprogramms. Gute Stimmung ist die wichtigste Grundlage für Kompromisse. Ist die Stimmung gut, sind wir nicht nur kompromissbereiter, wir haben auch viel mehr Ideen, wie sich unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen lassen. Das merken alle, die es mit dem Sofortprogramm versuchen und viele glückliche Paare wenden es in der ein oder anderen Form ganz intuitiv an.


Das Sofortprogramm ist sehr einfach. Die erste Regel lautet: keine Kritik. Sie meiden also ein paar Tage alle kritischen Themen und unterlassen kritische Bemerkungen. Als zweites sorgen Sie dafür, dass Sie etwas für Ihren Partner oder ihre Partnerin tun. Wir müssen den positiven Kreislauf des Füreinander-Daseins wieder in Gang bringen. Auch das verbessert die Stimmung und macht die Lösung von Konflikten wahrscheinlicher. Ich rate drittens aber auch dazu, sich selbst etwas Gutes zu tun, zum Beispiel sich ein schönes Buch zu gönnen, eine Massage, ein schönes Spaziergang – um die eigene Stimmung zu verbessern.

Helga König: Weshalb gibt es nach Ihrer Ansicht kein faires Streiten?

Christian Thiel: Wenn wir erregt sind, dann können wir nicht rational handeln. Das liegt an der menschlichen Biologie. Bereits bei einem Pulsschlag von 90 bis 95 Schlägen in der Minute mobilisiert der Körper alle Energien für den Mechanismus „Angriff oder Flucht“. Um das zu gewährleisten wird nicht nur die Verdauung eingestellt, sondern auch die Versorgung des Großhirns reduziert. Menschen können wenn Sie sich angegriffen fühlen, also schon rein biologisch gesehen nicht klar denken.

Es gibt deshalb kein faires Streiten. Allerdings können wir uns fair auseinandersetzen – aber erst, wenn wir uns vorher beruhigt haben. Dafür ist ein schneller Spaziergang oft ein guter Weg. Manchmal brauchen Paare aber auch ein paar Tage, bevor sie sich „fair auseinandersetzen“ können. Sie brauchen zum Beispiel zunächst einmal eine gute Stimmung, über die wir gerade gesprochen haben – und erst dann gelingt auch das faire Gespräch. Vielen Paaren ist dieser Ablauf nicht klar. Sie denken dann, dass alle anderen Paare das mit dem „fairen Streiten“ doch hinbekommen – nur sie nicht. Das ist Unfug. Faires Streiten ist unmöglich.

Helga König: Weshalb möchten so viele Menschen ihre Partner umerziehen und weshalb scheitern alle an solchen Maßnahmen?

Christian Thiel: Jeder Mensch hat auch Eigenschaften, mit denen ich nur schwer leben kann. Mit manchen Eigenschaften kann ich vielleicht sogar auf Dauer gar nicht leben. Sich Veränderungen zu wünschen ist also völlig normal. Dazu passt ein Ergebnis aus der Forschung: Wer sich keine Veränderungen beim Partner wünscht, der ist nach einigen Jahren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit getrennt, als derjenige, der solche Änderungswünsche hat.

Die entscheidende Frage ist aber: Wie bringe ich meine Wünsche an den anderen vor? Mache ich es unhöflich, mit Hilfe von Vorwürfen oder sogar Beschimpfungen, dann erreiche ich nur, dass der andere mauert. Er zieht sich zurück – mit Recht! Gehe ich aber höflich mit meinen Veränderungswünschen um, in Form einer Bitte zum Beispiel, dann sind meine Aussichten ungleich besser. Deshalb bin ich so ein ausgesprochen vehementer Vertreter der Höflichkeit in der Partnerschaft. Es geht nicht an, dass wir zu allen Menschen zugewandt und nett sind, auch wenn sie uns manchmal nerven, nur der Partner oder die Partnerin muss mit grob unhöflichen Umgangsformen leben. Das geht nicht gut!


Helga König: Wie wichtig sind Freunde für eine gute partnerschaftliche Beziehung?

Christian Thiel: Sehr wichtig. Sie stabilisieren eine Partnerschaft enorm. Zum einen führen Freunde dazu, dass wir nicht alles und jedes vom Partner erwarten. Er ist nicht für alle unsere Bedürfnisse zuständig, zum Beispiel, dass ich gern in die Oper gehe.

Noch wichtiger aber sind Freundschaften, wenn es in der Partnerschaft zu einer Krise kommt. Wer dann niemanden hat, mit dem er sprechen kann, der ist arm dran. Leider ist das nach wie vor bei vielen Männer so. Sie haben Kumpel – aber keine richtigen Freunde.

Helga König:Weshalb sollte man sich vor symbiotischem Verhalten in einer Beziehung hüten?


Christian Thiel:In symbiotischen Beziehungen stellen wir zu viele unserer Bedürfnisse zurück, zugunsten der Beziehung. Das geht in der Regel nur eine beschränkte Zeit gut. Manchmal kommen Menschen zu mir in die Singleberatung, die in 30 Jahren acht Partnerschaften hatten, in denen es immer sehr harmonisch zuging – bis zum großen Krach. Dann war alles zu Ende. Kein Wunder. Zu viel Anpassung – das hat bei unseren Großeltern noch ganz gut funktioniert, war aber auch damals schon eine echte Spaßbremse. Heute geht das nicht mehr gut.

Helga König: Welche Auswirkung kann das Verhalten der eigenen Eltern in deren Zusammenleben auf unsere Liebesbeziehungen haben?

Christian Thiel: Das Vorbild der Eltern hat immer spürbare Auswirkungen auf uns. Allerdings ist eine ganz andere Beziehung für uns in späteren Partnerschaften noch wichtiger. Es ist die Beziehung, die wir selber zu unseren Eltern hatten. Die Beziehung zum Vater. Die Beziehung zur Mutter. In einer Partnerschaft können wir gar nicht anders, als die Erfahrungen, die wir in der Kindheit mit den Eltern gemacht haben, zu Rate zu ziehen. Wir folgen alle auch Mustern, die wir schon in der Kindheit im Zusammenspiel mit den Eltern gelernt haben. Deshalb sage ich gerne auch, dass wir alle uns in einer Partnerschaft hin und wieder wie Fünfjährige aufführen. Wir reagieren auf die Partnerin so, wie seinerzeit auf die Mutter oder den Vater. Ganz wichtig ist der enge Zusammenhang zwischen dem Gespräch und der Sexualität. Die Sexualität ist die Fortsetzung eines Gesprächs mit anderen Mitteln, hat ein kluger Mann einmal gesagt. Viele Paare kennen diesen Zusammenhang noch ganz unmittelbar aus der ersten Zeit der Verliebtheit. Da ging ein intensives Gespräch oft schnell in Erotik über. Versiegt später dann das gute Gespräch, dann hat die Sexualität es schwer.


Helga König: Weshalb fördert beispielsweise ein ähnliches Bildungsniveau, ein ähnliches Alter, aber auch ähnliche Tüchtigkeit eine glückliche Beziehung?

Christian Thiel: Ähnlichkeiten geben einer Beziehung Halt. Das ist im Übrigen in allen sozialen Beziehungen so, auch in Freundschaften. Sympathiegefühle sind das Ergebnis von Ähnlichkeiten, die wir beim Anderen feststellen.


Ähnlichkeiten in der Partnerschaft sorgen ganz praktisch für eine geringere Zahl an strittigen Themen. Auf Dauer ist es das Andersein des Anderen, das die meisten Konflikte in Beziehungen verursacht. Das betrifft besonders den Bereich des Charakters. Wenn einer gerne Golf spielt und der andere geht Joggen – kein Problem. Wenn einer aber sehr gerne und voller Leidenschaft arbeitet und der andere schleppt sich lustlos zur Arbeit – dann wird es richtig schwierig.

Helga König: Wie wirkt sich nach Ihrer Meinung ein Seitensprung auf eine Beziehung aus und sollte man Seitensprünge einem Lebenspartner überhaupt mitteilen?

Christian Thiel: Untreue vergrößert alle vorhandenen Probleme in einer Partnerschaft. Sie ist der wichtigste Anlass für Paare, auseinanderzugehen. Kommt es zur Untreue, dann ist die Beziehung also massiv bedroht. Kommt die Untreue heraus, ist die Lage noch schlimmer.

Lieber Herr Thiel, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König

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