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Helga König im Gespräch mit Dr. Nadja Rosmann

Sehr geehrte Frau Dr. Rosmann, Sie sind Redakteurin und Mit-Initiatorin des Magazins „Wir - Menschen im Wandel“. Zu diesem Magazin möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Was hat Sie und Ihre Mit-Initiatoren bewogen, im Januar 2011 ein Magazin mit dem Titel „Wir - Menschen im Wandel“ herauszugeben, welches Motiv liegt ihrem Projekt zu Grunde?

Dr. Nadja Rosmann: Unser aller Erfahrung ist es, dass die Herausforderungen der heutigen Zeit völlig neue Lösungen brauchen - wobei wir beim Stichwort "neu" das Einsteinsche Paradigma im Sinn haben, das darauf verweist, dass wir Probleme nicht mit den Mitteln lösen können, durch die sie entstanden sind. Wenn wir uns heute umschauen, gibt es bereits sehr viele gesellschaftliche Gruppen oder auch Einzelpersonen, die an genau solchen Lösungen auf höherem Niveau arbeiten. Da es sich hier jedoch vor allem um Vordenker handelt, die dem Schwerpunkt der Gesellschaft oft zwei bis drei Schritte voraus sind, tun sich die Mainstream-Medien bisweilen schwer damit, das, was sich hier vollzieht, angemessen darzustellen. Wir wollen deshalb mit "Wir - Menschen im Wandel" eine Plattform schaffen, auf der diese Vorreiter ihr Wirken öffentlich machen können. Wir greifen eigentlich alle gesellschaftlich relevanten Themenbereiche auf: von Politik und Wirtschaft über Gesundheit, Geist und Seele, Kultur und Philosophie bis hin zu ganz pragmatischen Alltagsthemen wie Konsum.

Helga König: Können Sie uns ein wenig über Ihren Werdegang und jenen Ihrer Mitinitiatoren berichten und auch darüber, wie Sie diese gemeinsame Idee entwickelt haben?

Dr. Nadja Rosmann: Dr. Jens Heisterkamp, Dr. Christoph Quarch und ich sind seit vielen Jahren im Journalismus tätig - Dr. Jens Heisterkamp als Chefredakteur des anthroposophischen Magazins info3, Dr. Christoph Quarch war lange Jahre Leiter des evangelischen Kirchentages und Chefredakteur von Publik Forum, ich selbst komme aus dem Wirtschafts- und IT-Journalismus und habe u.a. bereits Wirtschaftsbeilagen für die Frankfurter Allgemeine Zeitung produziert und war Chefredakteurin eines Computer-Fachmagazins. Uns hat schon immer das Bedürfnis angetrieben, mit unseren Arbeiten einen konstruktiven Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel zu leisten und was liegt da näher als unsere Erfahrungen zu bündeln. Darüber hinaus werden wir von einem Team aus Verlags- und Design-Experten unterstützt. Neben Mitarbeitern des info3 Verlages in Frankfurt, dessen administrative Infrastruktur wir freundlicherweise nutzen dürfen, beteiligen sich der Fotograf Sven Nieder und der Grafikdesigner Björn Pollmeyer, beide aus Bielefeld, an dem Projekt und zeichnen für das frische und zeitgemäße Design verantwortlich. Das besondere an dieser Konstellation: Wir haben das Magazin ohne größere Kapitalgeber in Eigeninitiative gegründet und bis "Wir - Menschen im Wandel" sich selbst trägt, bringen wir alle unsere Arbeit als Investment in eigener Sache ein. Darüber hinaus wurden wir von zahlreichen Leserinnen und Lesern der ersten Stunde unterstützt, die uns in Form von Gründungsbausteinen Kapital zur Verfügung gestellt haben. Auf finanzielle Mitwirkung wie diese sind wir auch die kommenden zwei Jahre noch angewiesen, denn es dauert natürlich seine Zeit, bis ein neues Magazin am Markt bekannt ist, denn als kleiner unabhängiger Verlag können wir natürlich, was Marketing und Werbung angeht, nicht mit den Großen mithalten.

Helga König: Ihr Magazin ist in sechs große Bereiche eingeteilt. Einer dieser Bereiche ist der Vorstellung von Visionären gewidmet. Wie werden Sie auf solche Visionäre aufmerksam?

Dr. Nadja Rosmann: Wir beobachten systematisch, wo zündende Ideen am Horizont aufscheinen, und verfolgen diese Spuren. Da wir alle drei in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen unterwegs sind, stoßen wir immer wieder auf solche herausragenden Köpfe, die in ihren Arbeitsfeldern wirklich Neues schaffen. Mit den Visionären möchten wir zeigen, dass der Wandel ein Gesicht hat - und dass im Prinzip jeder Mensch einen wichtigen und auch wirksamen Beitrag leisten kann. Deshalb stellen wir nicht nur Persönlichkeiten vor, die bereits auf breiter Basis bekannt sind - wie beispielsweise den Neuroforscher Gerald Hüther in der aktuellen Ausgabe -, sondern auch Menschen "wie du und ich", beispielsweise Susanne Wiest, eine Tagesmutter aus Greifswald, die mit ihrer Online-Petition zum Grundeinkommen mehr als 50.000 Unterzeichner mobilisiert hat und damit den Bundestag dazu gebracht hat, dieses Thema zumindest zu diskutieren.

Helga König: In Ihrer neuesten Ausgabe schreibt Herr Dr. Christoph Quarch über den Hirnforscher Gerald Hüther. Was macht diesen Mann zu einem Visionär? Können Sie dies in wenigen Worten hier zusammenfassen?

Dr. Nadja Rosmann: Gerald Hüther steht für ein völlig neues Menschenbild. Ihm geht es darum, dass wir uns unserer Entwicklungspotentiale wieder bewusst werden und diese auch nutzen. Gerade seine Arbeiten zum Thema Lernen haben hier bereits wichtige Impulse für das Bildungswesen geliefert. Die Neurowissenschaften sind ja häufig eher funktionalistisch orientiert, was bisweilen dazu führt, dass sie den Menschen auf seine Gehirnstrukturen reduzieren. Gerald Hüther geht genau den umgekehrten Weg: Er zeigt uns, was unser Menschsein ausmacht und wie wir es am besten verwirklichen können.

Helga König: Welche Haltung vertritt Ihr Magazin in punkto Politik und Wirtschaft?

Dr. Nadja Rosmann: Da sind Sie bei mir an der richtigen Stelle, denn das sind meine Ressorts. ;-) In meinen Augen sind mehr Partizipation und wechselseitige Verantwortung hier die Trendthemen der Gegenwart. Der Ego-Kapitalismus hat - das dürfte heute kaum noch jemand ernsthaft bestreiten - ausgedient. Und nun stehen wir vor der Herausforderung, nach Wirtschaftsmodellen zu suchen, die nachhaltig funktionieren, die nicht ganze Personengruppen von der Teilhabe ausschließen, sondern Wohlstand für alle möglich werden lassen. Dass das keine Utopie ist, sondern in Teilen der Gesellschaft bereits gelebte Praxis, zeigen wir in jedem Heft. Ob Sozial Entrepreneurship, neue Meta-Modelle, die Lebensqualität und wirtschaftliche Prosperität miteinander vereinbaren, oder auch Initiativen zum nachhaltigem Konsum - wir stellen Protagonisten und Best Practices vor, die zeigen, dass ein gutes Leben möglich ist, ohne dass wir die Ressourcen, die der Menschheit zur Verfügung stehen, überstrapazieren.

Helga König: Nach welchen Kriterien wählt das Redaktionsteam die Themen im Bereich Geist und Seele aus?

Dr. Nadja Rosmann: Uns interessiert, welche Ideen und Methoden persönliches Wachstum fördern. Wie wir Antworten auf die großen Fragen des Lebens finden können. Und welche Pioniere es hier bereits gibt. Wandel fängt nicht zuletzt beim Denken, bei der inneren Haltung, die wir einnehmen, an. Und eine solche Haltung entsteht nicht aus dem Nichts, sondern ist ein lebenslanger Prozess der Selbstvergewisserung. Für diese inneren Erkundungen möchten wir Raum schaffen. Es geht uns darum, zum Nachdenken und vor allem zum Weiterdenken zu inspirieren.

Helga König: Welchen Stellenwert haben in Ihrem Magazin buddhistische und spirituelle Sichtweisen im Hinblick auf das Leben generell?


Dr. Nadja Rosmann: Ich würde überhaupt keine Grenze ziehen zwischen Spiritualität und dem Leben. Spiritualität ist pures Leben! Wir neigen bisweilen dazu, auf der einen Seite unseren Alltag zu sehen und auf der anderen Seite vielleicht höhere geistige Sphären. Interessant wird es, wenn wir beides zusammenbringen. Und das geht ganz pragmatisch. Ich würde Spiritualität eher als Versinnbildlichung einer möglichst weiten Perspektive betrachten, die wir dem Leben entgegenbringen. Je weiter mein persönlicher Erfahrungsradius ist und mein Verständnis, umso eher werde ich dem Leben in seiner Vielfalt gerecht. Wenn ich beispielsweise regelmäßig meditiere, werde ich irgendwann die Erfahrung machen, dass ich selbst nicht getrennt bin von dieser Welt, sondern dass letztlich alles mit allem verbunden ist. Diese Erfahrung zu machen, wirkt wahrscheinlich stärker, als wenn ich über solche Zusammenhänge "nur" nachdenke. Und mit dieser Erfahrungsqualität kann sich meine Haltung zur Welt grundlegend verändern. Aber man muss nicht unbedingt irgendwelche "Übungen" vollziehen, um sich dieser Dimension gewahr zu werden. Manche Menschen gewinnen im Austausch mit anderen, in stillen Momenten in der Natur oder beim Hören besonderer Musik ganz ähnliche Einsichten. In diesem Sinne sind eigentlich alle Themen in "Wir - Menschen im Wandel" auch "spirituell". Und sie sind dennoch ganz bodenständig, weil sie mitten ins Leben führen.

Helga König: In welcher Auflagenhöhe erscheint Ihr Magazin und wer sind Ihre Leser?

Dr. Nadja Rosmann: Wir haben gegenwärtig eine Auflage von 10.000 Exemplaren. Unsere Leser kommen aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Sie verbindet der Wunsch, mit ihrem Leben konstruktiv zu wirken. Und dafür finden sie im Magazin wichtige Anregungen.


Helga König: Sie geben Ihren Lesern die Möglichkeit sich zu Wort zu melden. Führten diese Leserzuschriften bislang zu Veränderungen in Ihrem Magazin?


Dr. Nadja Rosmann: Das Interessante ist, dass zwischen der Redaktion und den Lesern auf unterschwellige Weise bereits eine Art von Einklang besteht. Wir bekommen häufig Zuschriften mit Vorschlägen zu Themen, die die Leser sich im Heft wünschen, und stellen dann fest, dass wir diese bereits auf der Agenda haben. Und selbstverständlich erhalten wir auf diesem Weg auch wichtige Anregungen zu Entwicklungen, die wir noch nicht im Blick haben. Hier findet ein sehr konstruktiver Austausch statt. Und das ist ja auch letztlich unser Anspruch: Wir möchten über die Dinge schreiben, die die Menschen wirklich bewegen.

Helga König: Sie planen für die Märzausgabe u.a. den Beitrag „Die Sehnsucht der Deutschen nach einem neuen Geist“? Gibt es empirisch belegbare Anhaltspunkte, wonach eine solche Sehnsucht wirklich vorhanden ist und wenn ja, wonach sehnen sich die Deutschen, nach Ihrer Information?

Dr. Nadja Rosmann: Das ist ein wirklich spannendes Thema. Der Beitrag bezieht sich auf eine Studie der Identity Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung für Philosophie aus Düsseldorf, für die ich als wissenschaftliche Projektleiterin tätig bin. Wir haben in einer Repräsentativbefragung eruiert, welche Themen den Deutschen wirklich unter den Nägeln brennen. Unter dem Strich zeigt sich, dass in der öffentlichen Sphäre gegenwärtig ein Orientierungsvakuum besteht. Die klassischen Eliten aus Politik und Wirtschaft beweisen in den Augen einer überwältigenden Mehrheit der Deutschen immer weniger Lösungskompetenz. Die Bevölkerung sucht nach authentischen und vor allem ehrlichen Antworten auf die großen Fragen der Zeit. Gerechtigkeit, Moral und Verantwortung sind hier ganz große Themen. Aber auch die Frage, wie wir ein gutes Leben führen können, ohne dabei gesellschaftliche Verwerfungen hervorzurufen oder unser Ökosystem überzustrapazieren. Ich kann versprechen, dass der Artikel interessante Standpunkte herausarbeiten wird. Die Studie selbst ist übrigens öffentlich zugänglich:


Liebe Frau Dr. Rosmann, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König

Bitte klicken Sie hier zur Webesite von  Wir -Menschen Im Wandel:
http://www.wir-menschen-im-wandel.de/






















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