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Helga König im Gespräch mit Dr. Jens Priewe

Sehr geehrter Herr Dr. Priewe, dieser Tage habe ich Ihr Buch "Grundkurs Wein" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Es gibt eine große Anzahl von Menschen, die jahrzehntelang Wein trinken, ohne theoretisches Wissen hierzu zu besitzen. Meinen Sie, dass solche Personen aufgrund ihrer Trinkpraxis dennoch einen guten von einem weniger guten Wein unterscheiden können und in der Lage sind, Weine detailliert zu beschreiben?

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Dr. Jens Priewe: Man braucht kein theoretisches Wissen, um Wein genießen zu können. Auch Musik wird von Menschen verstanden, die keine Noten lesen können. Dennoch hilft es ungemein, Hintergrundwissen zu besitzen. Genuß geht nicht nur durch den Magen. Man genießt auch mit dem Kopf.


Helga König: Weshalb ist es wichtig, die Informationen eines Flaschenetiketts entschlüsseln zu können?

Dr. Jens Priewe: Weil das Etikett der „Personalausweis“ des Weins ist. Ohne den Namen des Weins zu kennen und ohne zu wissen, wo er herkommt, kann ich ihn im geistigen Koordinatensystem nicht einordnen. Und ohne Einordnung trinke ich ihn nur, verstehe ihn aber nicht. Vor allem kann ich mich mit anderen Menschen nicht über ihn austauschen. Im schlimmsten Fall weiß ich noch nicht einmal, weshalb er mir schmeckt. Das ist schade.
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Helga König:  Was verstehen Sie unter moderatem Weinkonsum?

Dr. Jens Jens Priewe: Etwa zwei Glas Wein am Tag.

Helga König: Können Sie uns beschreiben, was einen guten Weißwein auszeichnet?

Dr. Jens Jens Priewe: Sauberes Bouquet, lebendige Säure, vielfältige Aromen.


Helga König: Wie wichtig ist das Weinvokabular für einen Weinkenner und wie nötig ist es, um wirklich gut über Wein kommunizieren zu können?

Dr. Jens Priewe: Das geschwollene Weinvokular der Fachleute schreckt ab. Man muß nicht jede Duftnuance eines Weins benennen können. Ein Wein mit Kirscharomen ist nicht besser als ein Wein mit Himbeeraromen. Aber der menschlichen Interaktion ist es förderlich, wenn man zu einem Wein mehr sagen kann als „lecker“ oder „unlecker“.

Helga König: Weshalb ist das Tannin das Rückgrat des Rotweins?.

Dr. Jens Priewe: Weil Tannin den Rotwein zusammenhält wie ein Korsett. Es verhindert, dass er schnell verblüht oder aromatisch auseinanderstrebt.


Helga König: Wie wichtig ist das Terroir für einen guten Wein?

Dr. Jens Priewe: Terroir prägt den Wein geschmacklich. Aber nicht jeder Wein hat Terroir. Die meisten Weine schmecken einfach nur nach der Rebsorte. Also fruchtig. Nur wenige, besonders steinige oder schiefrige Böden geben dem Wein einen bestimmten Terroirgeschmack. Der eine Weintrinker mag das, der andere nicht. Aber wer es mag, hat einen raffinierteren Geschmack.

Helga König: Können Sie uns etwas zur Architektur des Weinberges sagen?

Dr. Jens Priewe: Die Anlage eines Weinbergs, oder besser: seine Architektur, kann ein wichtiges Qualitätskriterium für den späteren Wein sein. Um die Sonne maximal auszunutzen, muß der Winzer entscheiden, ob er die Reben quer oder längs zum Hang pflanzt. Dicht- oder Weitstand der Rebstöcke beeinflussen den Nährstoffhaushalt der Rebpflanze und damit die Qualität des späteren Weins. Terrassierte Weinberge reflektieren die Hitze. Bei vertikal zum Hang verlaufenden Rebzeilen fließt die kalte Luft von oben schneller ab.

Helga König: Haben Sie bereits an einer Weinlese teilgenommen und falls ja, welche Eindrücke konnten Sie vor Ort sammeln?

Dr. Jens Priewe: Als Student habe ich 1968 in Südfrankreich eine Lese mitgemacht. Leider gab es nicht genug Rebscheren. Ich mußte die Trauben mit dem Daumennagel von Stiel knipsen. Nach zwei Tagen war der Daumen kaputt und die Lese für mich beendet. Als Journalist war ich 1994 auf Chateau Lafite-Rothschild zur Lese. Da gab es zwar Scheren. Aber die Equipe werde ich nicht vergessen. Sie bestand aus einer wilden Mischung unterschiedlichster Charaktere: vom männlichen Tabledancer bis zum Universitätsprofessor, von der alternden Filmschauspielerin bis zur Air France-Pilotin. Eine witzige Gesellschaft!

Helga König: In Ihrem Buch haben Sie ein Kapitel den Weinbauländern gewidmet. Wieso haben Sie Ihre Ausführungen mit Frankreich begonnen?

Dr. Jens Priewe: Mit welchem Land zu beginnen wäre plausibler als mit Frankreich? Frankreich ist die Wiege der europäischen Weinkultur und, zusammen mit Italien, das größte Weinbauland der Welt.

Helga König: Welchen der im Buch angeführten Korkenzieher bevorzugen Sie?

Dr. Jens Priewe: Das Kellnermesser.

Helga König:  Sie haben auf den Seiten 154-155 die typischen Aromen von Weinen aufgelistet. Wie lange benötigt man als Anfänger bis man all die Nuancen herausschmecken kann? 

Dr. Jens Priewe: Wer Hering vom Kaviar unterscheiden kann, wird auch riechen können, ob ein Wein mehr nach Himbeere oder nach Pflaume duftet. Frauen sind übrigens besser bei der Beschreibung von Aromen. Nicht weil sie eine bessere Nase oder Zunge hätten, sondern sie besser assoziieren können. Männer lernen die Aromen dumpf auswendig. Frauen lassen ihre Phantasie spielen.

 Lieber Herr Dr. Priewe,  herzlichen Dank frür das aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König 

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