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Helga König im Gespräch mit Agnes Hasselbach

Sehr geehrte Frau Hasselbach, vor geraumer Zeit habe ich einen Wein von Ihnen besprochen und möchte heute einige Fragen zu Ihrem berühmten Weingut in Nackenheim und den Weinen, die Ihr Ehemann Fritz Hasselbach dort kreiert, stellen.

Helga König: Sie die Inhaberin des "Weingutes Gunderloch" und die Urenkelin des Mainzer Bankiers Carl Gunderloch, dem Gründer Ihres Hauses. Hat Ihr Ur- Urgroßvater die hervorragenden Lagen am "Roten Hang" bereits gekauft, können Sie uns zur Geschichte Ihres berühmten Weinguts ein wenig erzählen?

Agnes Hasselbach: Mein Ur-Ur-Großvater hat sich einzelne, ausgesuchte Weinberge gekauft oder ersteigert. Seine Wahl fiel auf den Nackenheimer Rothenberg, weil er diesen als beste Lage an der Rheinfront angesehen hatte. Später kaufte er auch Weinberge in den sogn. Nebenlagen, um diese größeren Stücke gegen kleinere, hochwertigere Parzellen im Rothenberg zu tauschen. 1890 hat er das Weingut gegründet, 1910 war er Mitbegründer des Verbandes der Naturweinversteigerer, dieser wurde in den Verband der Prädikatsweingüter umbenannt und ist heute als VDP bekannt.

Helga König: War Carl Zuckmayer ein Freund Ihres Hauses?

Agnes Hasselbach: Laut Überlieferungen war er mit unseren Familien bekannt und besuchte gemeinsam mit meiner Großmutter die Tanzschule. Nach der Veröffentlichung des "Fröhlichen Weinbergs" war die Freundschaft empfindlich gestört, bis es 1970 zur öffentlichen Versöhnung kam.

Als Zuckmayer sein Theaterstück "Der fröhliche Weinberg" schrieb, nahm er sich Carl Gunderloch, den Ur-Urgroßvater von Agnes Hasselbach, als Vorbild für seine Hauptfigur. Allerdings gab er diesem in seiner Komödie einen für das Theater wohlklingenderen Namen, nämlich Jean Baptiste Gunderloch.

Bei der Erstaufführung der Komödie in Mainz gab es massive Proteste und schwere Tumulte. Die Nackenheimer fühlten sich zu weinselig, rauflustig und lebensfroh dargestellt.

Die Bewohner von Zuckmayers Geburtsort Nackenheim hatten einen weiteren Grund, gegen die Aufführung Front zu machen: Die Hauptfigur des Lustspiels trug den Namen Jean Baptiste Gunderloch. Und im Gegensatz zu Zuckmayer, der als brotloser Künstler galt, zählten die Gunderlochs vom gleichnamigen Weingut zu den Honoratioren des Ortes. Zudem war Zuckmayer bei einer Frau namens Elisabeth aus der Familie Gunderloch abgeblitzt. Die Namensgebung, Jean Baptiste Gunderloch, roch, nach Meinung der Nackenheimer, nach persönlicher Rache an dem angesehenen Nackenheimer Bürger.

Dies konnten sie nicht auf sich sitzen lassen, mit Dreschflegeln und Mistgabeln bewaffnet, reisten sie nach Mainz, um dort die Aufführung des Stückes zu verhindern.

Heute, viele Jahre später, sind die Wogen geglättet. Jedes Jahr im Sommer finden an verschiedenen Wochenenden in unserem Weingut auf einer eigens dafür gebauten Freilicht-Bühne mit großem Erfolg die Carl Zuckmayer-Spiele statt.

In Anlehnung an die Geschichte des "Fröhlichen Weinbergs", gaben wir im Jahre 1990 unserem Kabinett den Namen Jean Baptiste.

Helga König: Wie definieren Sie das Terroir der Weine vom "Nackenheimer Rothenberg"?

Agnes Hasselbach: Der Boden vom Roten Hang. Der offizielle Name dieser spektakulären geologischen Formation lautet “Niersteiner Horst”. Sie datiert aus dem mittleren Tertiär, als der obere Rheingraben einbrach, wobei das Mainzer Becken entstand und zwischen Schwabsburg und Nackenheim ein Streifen älteren Rotschiefers aus dem Perm freigelegt wurde. Dieser Schiefer ist weich und verwittert schnell zu tonähnlicher Konsistenz.

Die Mischung dieses Materials mit den dortigen Rotschiefersteinen und das exzellente Mikroklima verleihen den Weinen dieser Spitzenlagen ihren einzigartigen Charakter.

Der Rote Hang: Die sogenannte Rheinfront am Ostrand Rheinhessens ist das einzige Gebiet der Region, in dem steile Hänge mit günstiger Exposition nahe genug am Rhein liegen, um von seiner Wärmestrahlung zu profitieren. Ganz gleich, wo man die Grenzen zieht, die Weinberge des Roten Hanges von Nierstein und Nackenheim liegen jedenfalls im Herzen der Rheinfront. Am Nordrand dieses fünf Kilometer breiten atemberaubenden steilen Hanges steigen die Rebflächen vom linken Flussufer empor. An dem nicht minder abschüssigen unteren Ende weisen die Lagen direkt nach Süden.

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zählen die Riesling-Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen von dem roten Boden zu den erlesensten Dessertweinen der Welt. In den vergangenen 15 Jahren haben mehrere Winzer hier auch trockene Weine erzeugt, die international Bedeutung erlangt haben. Derartige Erfolge bei trockenen wie auch süßen Weinen beweisen, dass man es hier mit den besten Weinbergen der Welt zu tun hat.

Was ist das Besondere am Roten Hang?Der Boden besteht aus einem roten, mineralstoffreichen Tonschiefer, ein Urgestein aus der Permzeit (250 Mio. Jahre alt). In den roten Schieferplatten findet man Fossilien und Saurierspuren. Aus diesem Erde-Gesteingemisch beziehen die Rebwurzeln ihre Mineralstoffe, die sie bis spät in den Herbst an die Trauben weiterleiten.

Ein weiterer Vorteil dieser Weinlagen ist die Hangneigung Süd bis Süd-Ost. Durch die unmittelbare Nähe des Rheinstromes werden Sonnenstrahlen über das Wasser an die Hänge reflektiert. Das rote Gestein wirkt dabei als Wärmespeicher und schafft ein sehr günstiges Kleinklima vom Austrieb bis zur Erntezeit.

Die windgeschützte, sonnenreiche Hanglage bringt besonders günstige Bedingungen für eine frühe Rebblüte und somit eine lange Vegetations- und Reifezeit.

Die Ernte der Rieslingtrauben beginnt meist Ende Oktober, manchmal sogar erst Anfang November. Die ist die Voraussetzung für die Erzeugung von edlen und eleganten Weinen mit reifer Säure.


Die Region Rheinhessen:
Eine Region mit enormen Qualitätspotenzial, denn unter dem Einfluss des Rheins entsteht ein Mikroklima mit milden Tagen bis spät in den Herbst hinein, denen aber schon früh im Jahr kalte Nächte folgen – Bedingungen, wie sie große Rieslinge lieben. Das Anbaugebiet lässt sich grob in drei Zonen teilen: Der Wonnegau im Süden und Bingen im Norden, die besten Lagen stellen aber zweifellos die Hänge am Rhein im Gebiet zwischen Oppenheim, Nierstein und Nackenheim dar.

Der Rothenberg:
Die Hanglagen des Rothenbergs fallen direkt zum Rhein ab und zeigen nach Südosten. Sie sind bis zu 80° steil. Die Weinberge werden den größten Teil des Tages von der Sonne beschienen, die große Wasserfläche des Stroms wirkt wie ein Heizkörper, der die warme Luft an seine Umgebung abgibt. Das Einzigartige am Rothenberg ist die mineralische Zusammensetzung der roten Erde. Es handelt sich um eisenhaltigen Tonschiefer (durch Oxidation nimmt das Gestein die rote Farbe an). Der Tonschieferboden erwärmt sich rasch und speichert daher noch im Spätherbst genügend Wärme, um den Trauben eine hohe Reife zu schenken. Auf diese Weise entstehen Weine, die bei vergleichsweise niedrigem Alkoholgehalt ein markantes Aroma, hohen Extraktgehalt, festen und gut strukturierten Körper aufweisen. Die 30 bis 35 Jahre alten Rieslingstöcke haben hier fast 50 Meter lange Wurzeln.

Frank Kämmer schreibt:
RHEINHESSEN
Nackenheimer Rothenberg

Die Weinberge der Rheinfront zwischen Nackenheim und Nierstein haben als der „rote Hang“ von Rheinhessen internationale Berühmtheit erlangt. Im Norden beginnt diese außergewöhnliche Anreihung wertvoller Weinbergslagen mit dem Rothenberg, der gleichzeitig den steilsten Abschnitt des Hanges darstellt. Der rote Hang verdankt seinen Namen der bemerkenswerten Bodenformation, die hier zu Tage tritt. Der als Rotliegendes bezeichnete Untergrund entstand durch den im Erdzeitalters des Perm (vor rund 250 bis 300 Millionen Jahren) abgelagerten eisenhaltigen Tonschiefer. Am Steilhang des Rothenbergs zeigt sich die Ausprägung dieses Terroirs exemplarisch. In Verbindung mit der östlichen, also der Morgensonne zugewandten Exposition, der Nähe zum Rhein mit der klimaregulierenden Wirkung des großen, fließenden Gewässers und der Reflektion des Sonnenlichts von seiner Wasseroberfläche, entsteht hier ein einzigartiger Weincharakter, der sich insbesondere im Riesling, vereinzelt aber auch bei Silvanern widerspiegelt. Voluminöse, saftige Weine mit mineralischem Rückgrad und manchmal fast nussig-würzigem Nachhall prädestinieren den Rothenberg vor allem für die Erzeugung großer trockener Gewächse. Der rötliche Boden als das deutlich sichtbare Merkmal des Weinbergs könnte auch auf die Herkunft des Namens schließen lassen, wahrscheinlich ist jedoch auch, dass der Name des Rothenbergs auf eine Rodung zurückzuführen ist.

Gesamtrebfläche: 15,37 Hektar

Hangneigung: 50 bis 75 %

Ausrichtung: Südost-Ost

Boden: Rotliegendes (roter Tonschiefer), vereinzelt mit Sandstein

Rebsorten: Riesling, Silvaner


Helga König: Können Sie uns die Geschmacksnoten Ihres "Jean Baptiste" näher beschreiben?

Agnes Hasselbach: Unser Jean Baptiste ist ein feinherber, halbtrockener Weisswein mit dem typischen Anklang an die Mineralität der roten Tonschiefer-Böden der Lagen Nackenheimer Rothenberg, Niersteiner Pettenthal und Hipping. In diesem Wein offenbaren sich harmonisch Rieslingfrucht, feine Säure und eine leichte Fülle.

Helga König: Was macht Ihren Riesling Spätlese "Nackenheimer Rothenberg" zu einem so außerordentlichen Gaumenkitzler?

Agnes Hasselbach: Leichte Restsüße, filigrane Säure, ausdrucksvolle Fruchtnuancen, die an Pfirsich und Aprikose erinnern, verbunden mit einem langen mineralischen Abgang. Unsere Spätlese aus dem Rothenberg gehört zu den Klassikern der deutschen Riesling-Weine. Herrlich zu pikant gewürzten Speisen und asiatisch zubereiteten Gerichten. Oder, gut gekühlt ist der Wein auch ohne Essen ein Genuß.

Helga König: In welche Länder liefern Sie Ihre 8500 Kisten Wein, die Sie jährlich erzeugen?

Agnes Hasselbach: Deutschland, Nordamerika, Skandinavien, Oesterreich, Schweiz, Beneluxländer, Russland, Kazachstan, osteurop. Länder, asiatische Länder...

Helga König: Ihr Gatte Fritz Hasselbach ist zeitgleich Ihr Kellermeister. Haben Sie Ihre Gutsphilosophie gemeinsam mit ihm entwickelt und können Sie uns diese in wenigen Worten kurz schildern?

Agnes Hasselbach: Gegründet wurde das traditionsreiche Gut 1890 vom Mainzer Bankier Carl Gunderloch. Tradition stellt heute nur eine Seite des Weingutes Gunderloch dar. Agnes und Fritz Hasselbach haben im Laufe der Jahre ihre Kellertechnik auf den neuesten Stand gebracht und einen Stil entwickelt, der die klassische Charakteristik deutscher Weißweine neu interpretiert: intensive Mineralität, eine ungewöhnliche Harmonie trotz markanter Säure, tiefe Frucht dank hoher Reife. Fritz Hasselbach: "Mir kommt es darauf an, das Terroir bestmöglich zum Ausdruck zu bringen. Ich weiß, dass unsere Lage der größte Schatz ist, den wir besitzen, und ich fühle mich verpflichtet, diesen Schatz jedes Jahr zu neuem Leben zu erwecken."

Helga König: Die Hauptrebsorte, die Sie anbauen, ist Riesling. Wie man liest, düngen Sie diese Reben schon seit Jahren nicht mehr mit chemischem Dünger. Sind Sie auf dem Wege zu einem Bio-Betrieb?

Agnes Hasselbach: Unsere Jugend führt gemeinsam mit meinem Mann seit einigen Jahren Versuche durch, inwieweit im Rheintal ein ökologischer Weinbau möglich ist. Um dazu Stellung zu nehmen, benötigen wir aber noch etwas Zeit.

Helga König: Zu welchem Anlass empfehlen Sie Ihre "Goldkapsel"?

Agnes Hasselbach: An Lindenblüten und Quitten erinnernd, mit gold-gelber Botrytis und großer Dichte, ein langlebiger Wein. Wir empfehlen zu diesem Wein Gänseleberpastete, würzigen Käse oder Mandelgebäck zu reichen.

Liebe Frau Hasselbach, ich danke Ihnen herzlichst für das aufschlussreiche Gespräch.

Ihre Helga König

Hier der LInk zum Weingut:
GUNDERLOCH Weingutsverwaltung GbR
Agnes und Fritz Hasselbach
Carl-Gunderloch-Platz 1
D 55299 Nackenheim
Tel.: ++ 49 6135 2341 Fax: -  2431
Info@gunderloch.de http://www.gunderloch.de/

Kostenfreie Fotos aus dem Bestand von Fam Hasselbach. Der Fotograf ist mir nicht bekannt.






























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