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Helga König im Gespräch mit Dr. Rüdiger Safranski

Sehr geehrter Herr Dr. Safranski, vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Goethe&Schiller, Der Briefwechsel" rezensiert und möchten Ihnen dazu heute einige Fragen stellen.

Helga König: Ist es für Sie bedeutsam, ob Goethe und Schiller befreundet waren oder genügt es Ihnen zu wissen, dass die beiden eine gute intellektuelle Beziehung hatten?

Bild: Dr. Rüdiger Safranski.
 Copyright:
Peter-Andreas Hassiepen
Dr. Rüdiger Safranski: Die gute intellektuelle Beziehung ist sehr schön. Aber das genügt mir nicht. Ich frage danach, ob auf dem Wege der intellektuellen Annäherung auch ein emotionales Band zwischen beiden entstand. Ich habe das im einzelnen geschildert in meinem Buch "Goethe und Schiller. Geschichte einer Freundschaft" erschienen 2009 beim C.Hanser-Verlag in München. Diese emotionale Beziehung ist um so erstaunlicher, weil die beiden gänzlich verschiedene Temperamente hatten und es natürlich auch eine Konkurrenzsituation gab.


Helga König: In welchen Punkten unterschieden sich die beiden ideologisch und wo zeigt sich dies Ihrer Meinung nach in den Briefen?

Dr. Rüdiger Safranski: Die beiden haben ihre Gegensätze deutlich formuliert, besonders in den ersten Briefen, also zwischen August 1794 und Dezember 94. Goethe kommt von der Erfahrung und der Intuition her, Schiller von der Idee, dem Gedanken. Goethe hat einen ganz anderen Stil des Schaffens, mehr impulsiv, halb unbewußt, Schiller aber ist der Mann des Konzeptes, der gedanklichen Konstruktion. Goethe lehnt sich eher an die Naturwissenschaft an, Schiller mehr an die Philosophie.

Helga König: Können Sie den Briefen entnehmen, in welcher Beziehung die beiden am meisten voneinander profitiert haben?

Dr. Rüdiger Safranski: Goethe benutze den gedankenvirtuosen Schiller als eine Art Bewußtseinsspiegel. Schiller lernte von Goethe das größere Zutrauen in die schöpferischen Kräfte des Unbewußten. Eine echte Ying und Yang-Situation.

Helga König: Welche Bedeutung hatte für die beiden Geistesgrößen die Universitätsstadt Jena?
Bilde: Dr. Rüdiger Safranski.
Copyright:
Peter-Andreas Hassiepen

Dr. Rüdiger Safranski: Jena war damals, gerade auch durch Schiller, zu einem Hauptquartier der idealistischen Philosophie geworden, geistig die führende Universität in Deutschland (neben Göttingen, das eher naturwissenschaftlich orienitiert war). Außerdem versammelte sich in Jena auch die Dichterelite, besonders dann die Romantiker. Also war Jena ein außerordentlich anregender Ort. Hier brauchte man nur über die Straße zu gehen, dann kam es schon zu einer Begegnung zwischen Klassik und Romantik...

Helga König: Vermuten Sie, dass die Zusammenarbeit von Goethe und Schiller noch besser hätte funktionieren können, wenn der Hof von Weimar in Goethes Leben keine so entscheidende und damit zeitaufwendige Rolle gespielt hätte?

Dr. Rüdiger Safranski: Schwer zu sagen. Goethe brauchte die anderweitige Inanspruchnahme, um auf dem Gebiet der schönen Dinge leistungsfähig zu sein. So jedenfalls hat er es selbst gesehen.

Helga König: Bei Sigrid Damm meine ich vor einigen Jahren in deren Buch über Goethe und Christiane gelesen zu haben, dass Goethe latent eifersüchtig auf Schillers dramatisches Können war. Haben auch Sie diesen Eindruck?

Dr. Rüdiger Safranski: Nicht eifersüchtig. Aber neidlos hat er das anerkannt und auch versucht, Schiller für seine Zwecke einzuspannen. Schiller sollte beispielsweise seinen "Egmont" verbessern, d.h. bühnengerechter einrichten. Schiller aber tat dann des Guten zuviel, korrigierte zuviel, und das ärgerte dann Goethe. Im übrigen war Goethe vom dramatischen Talent Schillers so überzeugt, daß er ihm schließlich den Stoff zu "Tell", den er gefunden hatte, an Schiller abtrat.

Helga König: Wir wissen, dass Goethe mit Lenz nicht gerade zimperlich umgegangen ist als es Interessenkonflikte gab. Warum unterschied sich Goethes Verhalten zu Schiller von jenem von Lenz?

Dr. Rüdiger Safranski: Lenz verhielt sich leider zu bewundernd und zugleich zu konkurrenzhaft, außerdem war er auch ein wenig verliebt. Schiller ruhte mehr in sich selbst, begegnete Goethe auf Augenhöhe, manchmal sogar überlegen. Es gab nicht so viele Neben-und Störgeräusche. Außerdem: Goethe fühlte sich durch Lenz an eine wildere Epoche seines Lebens erinnert, die er gerne verabschieden wollte. Zur Zeit der Begegnung mit Schiller lag das alles in weiter Ferne...

Helga König: Wie interpretieren Sie Goethes Absonderlichkeit den toten Schädel von Schiller in seinem Arbeitszimmer zu platzieren?

Bild: Dr. Rüdiger Safranski
Copyright:
Peter-Andreas Hassiepen
Dr. Rüdiger Safranski: Nach dem Tode Schillers wurde dieser für Goethe zu einer persönlichen Ikone. Er verklärte die Zeit mit ihm. So war die Totenschädelgeschichte auch ein Teil dieser Schiller-Mystifikation. Aber es steckt auch Abgründiges darin. Goethe war schließlich der Überlebende. Und das ergibt immer auch ein Triumphgefühl. Und schließlich: Goethe war zu diesem Zeitpunkt schon sehr alt. Beim Anblick des Schädels seines Freundes konnte er sich an den Gedanken des eigenen Todes gewöhnen (und an das Fortleben seiner geistigen Realität).

Helga König: Welche Bedeutung haben für Sie die Xenien?

Dr. Rüdiger Safranski: Nur dokumentarisch-zeitgeschichtliches Interesse. Sonst sind sie ziemlich langweilig.

Helga König: Gibt es einen Brief im Buch, den Sie uns Lesern besonders an Herz legen?

Dr. Rüdiger Safranski: Ja, den Brief Schillers vom 23.8.1794 und Goethes Antwort.
Herzlichen Dank, lieber Herr Dr. Safranski für dieses aufschlussreiche Interview.
Ihre Helga König

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