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Helga König im Gespräch mit Frau Stefanie von Wietersheim

Sehr geehrte Frau von Wietersheim, vor einigen Tagen habe ich Ihr Buch "Frauen und ihre Refugien" rezensiert. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.

Helga König: Nach welchen Kriterien haben Sie sich die 21 Damen und deren Refugien ausgesucht, die Sie im Buch vorstellen?

Stefanie von Wietersheim: Mir war es wichtig, Frauen aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen und Altersstufen zu zeigen, mit unterschiedlichen Temperamenten und Interessen. Denn jede Frau lebt und gestaltet ihr Refugium ja völlig anders. Es kann Schutzort sein, ein Fluchtort, ein Ort der Gestaltung und der Stille. Es gibt für andere fest verschlossene oder halb offene Refugien. Mein Ziel war, dass die Leserinnen und Leser nicht nur spannende Lebensgeschichten entdecken können, sondern sich möglichst viele Refugienideen herauspicken können. Das muss ja nicht gleich ein Haus auf Sylt sein, auch wenn viele davon träumen, aber mit einem kleinen Tisch wie bei Senta Berger oder einem Tisch vor dem Fenster wie bei Alexandra Kolb geht es auch.

Helga König: Wie deuten Sie die Farbwahl im Refugium von Nina Ruge?

Stefanie von Wietersheim: Für Nina Ruge ist die Verbindung von Außen und Innen, von Natur im Olivenhain und dem möblierten Glashaus sehr wichtig. Die Lichtspiele auf den Stoffen sind im Laufe des Tages wunderschön. Sie ist eine Frau, die viel über Religion und Philosophie nachdenkt und die sich mit dem Begriff der Stille auseinandergesetzt hat. Wärme, Harmonie, Ruhe - das habe ich in ihrer Limonaia empfunden. Auch ein Stück Unkonventionalität und Traum.

Helga König: Welche Empfindung hatten Sie spontan als Sie die Wohnung der Künstlerin Elvira Bach aufsuchten?

Stefanie von Wietersheim: Ich wollte einfach nur mit offenem Mund schauen wie ein Kind. Die Wohnung wirkte auf mich wie ein Mosaik von vielen Bildern - das ist sie ja auch, denn alles ist sehr bewusst von Elvira Bach selbst gestaltet, Teppiche, Kissenbezüge, Objekte. Insofern ist sie eine ausgelebte Variation ihrer ästhetischen Ideen und Themen in der Malerei - aber im Alltag.

Helga König: Wie ich in meiner Rezension bereits geschrieben habe, spricht mich das Refugium der Designerin Anne Maria Jagdfeld besonders an. Es ist die Farbe, die Art der Kunst, die Ruhe, die von allem ausgeht. Sahen Sie die Seele von Frau Jagdfeld in deren Refugium wiedergespiegelt und wenn ja, wie?

Stefanie von Wietersheim: Ich kann mir nicht erlauben, Frau Jagdfelds Seele wirklich zu interpretieren. Aber so wie Ihnen geht es interessanterweise vielen Lesern und Leserinnen des Buches, sie fühlen sich von den Blau- und Grüntönen der Wohnung, der Art wie sie Objekte miteinander mischt, besonders angezogen. Ich kann das gut verstehen. Dort herrscht eine wohltuende Harmonie. Das liegt an mehreren Dingen. Erstens daran, wie Frau Jagdfeld die wohltuende Farbe der Ostsee nach Innen holt, und zwar in ganz subtilen Nuancen, in wirklich guten Stoffen, sie hat einige Stücke extra nach ihren Farbvorstellungen anfertigen lassen. Ich glaube, das hat dann weiter damit zu tun, dass Frau Jagdfeld es schafft, durch wirklich genaues Hinsehen, die Liebe zum Detail, unserer Seele einen Zustand der Balance zu geben. Es ist das Entzücken über Schönheit. Das ist ein ganz interessantes Phänomen: dass wir Menschen uns in Schönheit wohl fühlen. Dafür braucht man - wie bei der Meditation - eine durchaus strenge Disziplin mit sich selbst in einer Umgebung. Kein Dahinschlampern und sich sagen: mache ich morgen. Sondern: Hinsehen. Sich Hinterfragen beim Umgang mit unserer Umgebung. Das Anstreben von Perfektion ist sicher Frau Jagdfelds Weg, und man sieht, was dabei herauskommen kann, wenn man ihn geht. Etwas wirklich Schönes.


Helga König: Eine sehr weise Sentenz in Ihrem Buch stammt von I.K.H. Diane de France, Herzogin von Württemberg. Die sagt „ Mein wahres Refugium ist meine Seele. Die kann ich überall mitnehmen.“ Ich war berührt als ich las, dass sie jedes Jahr 10 Tage auf dem Jakobsweg pilgert und auf ihren Reisen Menschen sucht, die ihre Spiritualität verstehen. In welcher Form drückt sich diese Spiritualität in ihrem Refugium aus?

Stefanie von Wietersheim: Die Herzogin von Württemberg ist eine Frau, die durch ihre Erziehung ganz selbstverständlich spirituell geprägt wurde und dieses heute auf ihre Weise intensiv lebt. Ich denke, das fehlt heute unbewusst vielen Menschen. In ihrem Refugium, dem Boudoir, sieht man ihre Spiritualität an vielen kleinen Dingen: am Betschemel, der Muttergottesstatue, dem Rosenkranz, Heiligenbildern, Kerzen. Direkt daneben hat sie Bilder von den Menschen platziert, die ihrem Herzen besonders nahe sind und so verbindet sie diese Sphären miteinander. Ich glaube es würde vielen Menschen gut tun, wenn sie in ihrem Haus auch solche Stellen einrichten würden, egal welcher Konfession oder Glaubensrichtung sie angehören. Der inneren Kapelle einen äußeren Rahmen schaffen. Dann gelingt es einem leichter, Ruhe zu finden. Menschen in früheren Jahrhunderten haben das ganz selbstverständlich gemacht und die Herzogin von Württemberg führt diese Tradition fort. Schön, oder?

Helga König: Ein wenig überrascht hat mich das Refugium der Olympia-Dressurreiterin Ann Kathrin Linsenhoff. Wie deuten Sie das feminine Ambiente, in dem diese doch eher androgyn und sportlich erscheinende Frau sich gerne aufhält?

Stefanie von Wietersheim: Ja, das ging mir auch so. Und da können wir wieder sehen, dass Menschen eben sehr viel mehr Ebenen haben, als ein erster Blick auf das Äußere erahnen lässt. Ihr lila Kabinett steht in der Tradition ihrer Mutter, die auch eine berühmte Reiterin war und die mit Begeisterung Meissner Porzellan-Figuren sammelte. Die stehen heute bei Ann Kathrin Linsenhoff. Ich denke, sie hat wie viele Frauen auch das Bedürfnis nach einer warmen, wohligen Atmosphäre und sie liebt schöne Objekte, Kunst und Möbel. Außerdem ist sie ist ja nicht nur Spitzensportlerin, sondern Ehefrau, Mutter und Gastgeberin, die ein großes Haus führt. Sie kümmert sich bei aller sportlichen Disziplin sehr um die Menschen um sich herum und ist eine sehr mitfühlende Frau, die sich für UNICEF engagiert und hilft wo sie kann. Deswegen ist es ja auch so interessant, wenn Menschen einem erlauben, sie zuhause zu besuchen. Sie öffnen einem damit die Tür ein Stück weit zu ihrer Persönlichkeit.

Helga König:  Senta Bergers Küche erinnert mich an alte Wiener Küchen. Was alles sagt Ihnen diese Küche in Bezug auf Senta Berger?

Stefanie von Wietersheim: Ich denke darin sieht man die große Bedeutung von Familie, Clanleben und Freundschaft im Leben der Schauspielerin, die so jung aus Wien weg ging, so berühmt wurde und dabei immer bodenständig geblieben ist. Eine ganz große Frau. Sie erzählte ja im Interview, wie früher alle Generationen um den Tisch saßen und wie sie das heute vermisst. Der große Tisch in der Küche ist wie das offene Feuer das Sinnbild des menschlichen Zusammenseins, für Schutz, Leben und Geborgenheit. Für Wärme. Ganz wichtig.

Helga König:  Wie wichtig sind für Sie Bücher in Ihrem eigenen Refugium und wie sollten diese nach Ihrer Ansicht idealtypisch arrangiert werden?

Stefanie von Wietersheim: Bücher sind mir extrem wichtig und ich besitze Tausende davon in Deutsch, Englisch und Französisch. In fremden Städten gehe ich zu allererst immer in eine Buchhandlung. Und wenn ich Samstag einkaufen gehe: zuerst die Buchhandlung. Einfach unwiderstehlich. Bücher sind für mich Luft zum Atmen, sie führen mich auf Reisen, bringen mich zum Lachen, trösten mich. Die meisten davon stehen in unserer Bibliothek geordnet nach Themen und Autoren. In meinem Refugium - das ist mein Schreibatelier in einem ehemaligen Stall mit Blick auf alte Bäume und eine Wiese - habe ich aber nur sorgfältig ausgewählte Bücher, vielleicht um die 50. Und die wechseln ständig. Denn für mich ist es wichtig zum freien Denken und Schreiben viel Luft um mich zu haben. Nur von Dingen umgeben zu sein, die mich jetzt ganz genau betreffen oder inspirieren. Also nichts Überflüssiges, das den Blick stört. Als ich am Refugienbuch schrieb, stand hier viel von Virginia Woolf, Biografien über Christiane Vulpius, Kaiserin Elisabeth von Österreich, Bücher über Weimar und Kunstbände, in denen weibliche Interieurs in der Kunst zu sehen waren. Das ist jetzt ganz anders. Als ich innerlich in mein neues Buchprojekt eingestiegen bin, habe ich die Bücher in einem rituellen Gang aus dem Atelier rausgeschmissen, wieder in die offizielle Bibliothek gebracht, und nun sammle ich peu à peu neue Bücher, die mich inspirieren. Sie sind auf einer Bücherinsel versammelt, jedes hat einen logischen Nachbarn und seinen Platz. Ich mag es nicht, wenn sie zu eng aneinander gequetscht sind und gebe ihnen gerne ein wenig Luft. Sie sind ja hier in der gewollten Einsamkeit des Schreibens meine Gefährten, keine starren Zinnsoldaten. Und um sie herum pinne ich an die Wand ein buntes Moodboard mit Bildern und Skizzen zum neuen Buch. So leben die Bücher mit Bildideen zusammen und sind mein geistiger Spielplatz.

Liebe Frau von Wietersheim ich danke Ihnen herzlich für dieses ausschlussreiche Interview.

Ihre Helga König

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1 Kommentar:

  1. Danke für dieses Interview, das mich auf ein gutes Thema gebracht hat. Ich werde dieses Buch aufspüren in der Autorenbuchhandlung, weil ich es in der Hand haben möchte.

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