Sehr geehrter Herr Schollmeyer, vor geraumer Zeit habe ich Ihr Buch "Anklage- Im Auftrag der Gerechtigkeit" gelesen. Dazu möchte ich Ihnen heute einige Fragen stellen.
Helga König: Dem Klappentext Ihres Buches entnehme ich, dass Sie Gerechtigkeitsforschung betreiben. Was kann hat man darunter zu verstehen und haben Sie Forschungserkenntnisse in Ihr Buch eingearbeitet?
Markus Schollmeyer: Gerechtigkeitsforschung schafft einen Perspektivwechsel weg vom geschriebenen Recht hin zur gerechten Lösung. Es steht also nicht mehr das formale Prinzip einer geschriebenen Rechtsordnung im Mittelpunkt, sondern das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen wird zum Maßstab der Entscheidungen. Dazu bildet man dieses Gerechtigkeitsgefühl der Menschen ab. Die Ergebnisse werden dann von den Menschen besser verstanden, weil das Ergebnis eben aus deren Verständnis der Gerechtigkeit entspringt und nicht nur das bloße Produkt eines juristischen Vorgangs ist.
Ich habe die Ergebnisse in meinem Buch dahingehend eingearbeitet, als ich Fälle gewählt habe, an denen das Verständnis der Menschen von Gerechtigkeit besonders weit vom juristischen Alltag abweicht. Mein Hauptziel ist es aber mehr Transparenz – übrigens ein sehr wichtiges Element der Gerechtigkeit – in die juristischen Prozesse insgesamt zu bringen. Leider verstehen die Menschen heute nicht mehr, was über sie geurteilt wird und warum manches so (ungerecht) läuft, wie es läuft.
Helga König: Ihr Protagonist wird als junger Anwalt mit den Realitäten in einer Großkanzlei konfrontiert. Geht es in den meisten größeren Kanzleien primär ums Geld?
Markus Schollmeyer: Kanzleien sind ab einer bestimmten Größe Wirtschaftsunternehmen, deren Primärziel Gewinnerwirtschaftung ist. Deshalb ist der Umsatz eines der wesentlichen Themen in der Kanzlei und auch ein Hauptziel der tätigen Anwälte. Er hat auch wesentlichen Anteil an einer Entscheidung über eine Partnerschaft, dem Ziel vieler Anwälte.
Markus Schollmeyer: Anwälte haben oft nur die Funktion die Interessen des Mandanten zu optimieren, um Gerechtigkeit geht es in den wenigsten Fällen. Zumindest die ich erlebt habe. Schließlich spricht man auch davon, einen „Anwalt einzuschalten". Das zeigt sehr deutlich, dass Anwälte oft als Instrument wahrgenommen werden, die eingeschaltet werden, wenn man sie braucht. Wie eine Kaffeemaschine oder der Computer eben. Hier findet aber gerade ein Umdenken in der Gesellschaft statt. Manche Menschen erkennen, dass dies so nicht funktionieren kann, wenn man eine nachhaltige Welt möchte.
Helga König: Dem Klappentext Ihres Buches entnehme ich, dass Sie Gerechtigkeitsforschung betreiben. Was kann hat man darunter zu verstehen und haben Sie Forschungserkenntnisse in Ihr Buch eingearbeitet?
Markus Schollmeyer: Gerechtigkeitsforschung schafft einen Perspektivwechsel weg vom geschriebenen Recht hin zur gerechten Lösung. Es steht also nicht mehr das formale Prinzip einer geschriebenen Rechtsordnung im Mittelpunkt, sondern das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen wird zum Maßstab der Entscheidungen. Dazu bildet man dieses Gerechtigkeitsgefühl der Menschen ab. Die Ergebnisse werden dann von den Menschen besser verstanden, weil das Ergebnis eben aus deren Verständnis der Gerechtigkeit entspringt und nicht nur das bloße Produkt eines juristischen Vorgangs ist.
Ich habe die Ergebnisse in meinem Buch dahingehend eingearbeitet, als ich Fälle gewählt habe, an denen das Verständnis der Menschen von Gerechtigkeit besonders weit vom juristischen Alltag abweicht. Mein Hauptziel ist es aber mehr Transparenz – übrigens ein sehr wichtiges Element der Gerechtigkeit – in die juristischen Prozesse insgesamt zu bringen. Leider verstehen die Menschen heute nicht mehr, was über sie geurteilt wird und warum manches so (ungerecht) läuft, wie es läuft.
Helga König: Ihr Protagonist wird als junger Anwalt mit den Realitäten in einer Großkanzlei konfrontiert. Geht es in den meisten größeren Kanzleien primär ums Geld?
Markus Schollmeyer: Kanzleien sind ab einer bestimmten Größe Wirtschaftsunternehmen, deren Primärziel Gewinnerwirtschaftung ist. Deshalb ist der Umsatz eines der wesentlichen Themen in der Kanzlei und auch ein Hauptziel der tätigen Anwälte. Er hat auch wesentlichen Anteil an einer Entscheidung über eine Partnerschaft, dem Ziel vieler Anwälte.
Helga König: Können Anwälte mehr sein als Interessenvertreter und wenn ja, welche Konsequenzen hat dies für solche Anwälte?
Markus Schollmeyer: Anwälte haben oft nur die Funktion die Interessen des Mandanten zu optimieren, um Gerechtigkeit geht es in den wenigsten Fällen. Zumindest die ich erlebt habe. Schließlich spricht man auch davon, einen „Anwalt einzuschalten". Das zeigt sehr deutlich, dass Anwälte oft als Instrument wahrgenommen werden, die eingeschaltet werden, wenn man sie braucht. Wie eine Kaffeemaschine oder der Computer eben. Hier findet aber gerade ein Umdenken in der Gesellschaft statt. Manche Menschen erkennen, dass dies so nicht funktionieren kann, wenn man eine nachhaltige Welt möchte.
Helga König: Was hat Sie motiviert in Ihrem Buch Einzelheiten bei Gericht aufzuzeigen?
Markus Schollmeyer: Wie gesagt, es geht mir um Transparenz. In unserem Rechtssystem sind – anderes als z.B. in den USA – Übertragungen jedweder Art aus einem Gerichtssaal per Gesetz verboten. Die Menschen haben also nur die Möglichkeit selbst hinzufahren oder die Zeitung zu lesen. Hinfahren ist in den meistens Fällen nicht möglich, schließlich haben die Säle auch nur begrenzte Kapazitäten. Leider treffen die Zeitungsartikel nicht wirklich oft die wichtigen Dinge, sondern konzentrieren sich auf die Skandalisierung der Geschichte. Skandale befördern die Auflage, hat mir einmal ein Medieninsider gesagt, deshalb sind sie gut. Das hat aber in meinem Augen nichts mit Gerechtigkeit zu tun, einem der höchsten Güter die ein Leben in Freiheit bieten muss. Die Menschen müssen ohne Einschränkung wissen dürfen, was bei Gericht passiert. Das darf keine geschlossene Veranstaltung sein.
Helga König: Es es eine gängige Gepflogenheit, dass gute junge Anwälte mittels Headhunter in Kanzleien abgeworben werden?
Markus Schollmeyer: Die meisten rekrutieren direkt von der Uni weg. Aber nach einigen Jahren dann braucht man einen Headhunter. In Frankfurt am Main gibt es eine ausschließlich auf dieses Thema fokussierte Headhunter Firma.
Helga König: Kann es sich ein Anwalt leisten, idealistisch zu sein, wenn er für seinen Broterwerb sorgen muss?
Markus Schollmeyer: Da fällt mir nur ein Witz ein, die die Problematik gut beschreibt: Wie macht man als idealistischer Anwalt ein kleines Vermögen? Wenn man vorher ein großes (Vermögen) hatte. Aber im Ernst, es ist sehr schwer den Menschen zu helfen und auf seine Kosten zu kommen. Die lukrativen Mandate sind eben meistens anders verteilt.
Helga König: Sollten sich junge idealistische Anwälte in Netzwerken zusammenschließen, um der Gerechtigkeit den Rücken zu stärken?
Markus Schollmeyer: Unbedingt. Ich versuche gerade ein solches zu bilden, auch wenn ich nicht mehr selbst als Anwalt tätig sein möchte. Das schulde ich der Gerechtigkeit. Im Internet entsteht gerade ein Portal unter www.freikopf.de . Das ist mein ursprünglicher Blog, den ich auf Selbstkosten zu einem Portal umbaue. Dort gibt es die Möglichkeit für die Menschen ihre Geschichte zu erzählen, aber auch für Anwälte diesen Menschen zu helfen und in Kontakt untereinander zu treten. Ich hoffe, dass es ab 01.03.2011 online geht.
Helga König: Ab wann ist ein Anwalt ein Zerrbild seiner selbst?
Markus Schollmeyer: Wenn er Mandate nach dem Streitwert aussucht anstatt objektiv und unabhängig zu bleiben.
Helga König: Sollten Jurastudenten begleitend zu ihrem Studium Ethikseminare belegen müssen?
Markus Schollmeyer: Die werden ja angeboten, leider scheint sich das Interesse in Grenzen zu halten. Zumindest wenn man die Realität betrachtet.
Helga König: Sie fragen in Ihrem Buch: "Hat die Gier die Gerechtigkeit besiegt? Lohnt der Kampf für das Gute dann überhaupt noch, wenn sich das Schlechte so problemlos, durchsetzen kann?" (Zitat: Markus Schollmeyer, S. 221-222) Zu welchen Ergebnissen kommt der Gerechtigkeitsforscher Markus Schollmeyer?
Markus Schollmeyer: Gier hat sich einen großen Vorsprung vor der Gerechtigkeit geschaffen, aber sie ist noch nicht tot. Das ist eine gute Nachricht. Und solange es Menschen auf der Erde gibt, sollte man auch nicht aufhören Gerechtigkeit einzufordern, sonst geben wir die Zivilisation auf und driften in eine Welt in der das Gesetz des Stärkeren Willkür, Gier und Niedertracht salonfähig macht. Das sollte nicht sein, deshalb lohnt es sich immer für die Gerechtigkeit einzutreten.
Lieber Herr Schollmeyer, herzlichen Dank für das erhellende Interview.
Ihre Helga König
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen